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LeistungserbringungAmbulante Privatsprechstunde – muss der Arzt die Facharztreife haben?
| Frage: „Unter Kollegen kam folgende Frage auf: Muss ein Arzt, der in der ambulanten Privatsprechstunde arbeitet, ein Facharzt sein oder die Facharztreife haben? Ich bin der Meinung, dass ambulant keine Facharztvoraussetzung zur Behandlung von Privatpatienten notwendig ist. Liege ich da richtig?“ |
Antwort: Der ursprünglich von der Rechtsprechung entwickelte Facharztstandard ist durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Patientenrechtegesetz) von 2013 gesetzlich geregelt worden. Nach § 630 a Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat „die Behandlung nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist.“
Hinsichtlich des einzuhaltenden medizinischen Standards ist der ärztliche Dienst auch im Krankenhaus durch den Träger so zu organisieren, dass die Behandlung des Patienten den Anforderungen des sog. Facharztstandards genügt. Das bedeutet, dass ein Arzt, der noch nicht die (materielle) Facharztreife hat, grundsätzlich nur unter Aufsicht nach Weisung, also auch unter Überwachung seiner Behandlungsmaßnahmen, tätig werden darf.
Besitzt der Arzt also noch nicht die für die Führung der ambulanten Privatsprechstunde erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen, laufen der Krankenhausträger oder der verantwortliche Chefarzt Gefahr, sich wegen eines Organisationsverschuldens haftbar zu machen. Aus der haftungsrechtlich geforderten Einhaltung des Facharztstandards folgt, dass in einem etwaigen Schadenersatzprozess sowohl der Krankenhausträger als auch der für die Übertragung der Behandlungsmaßnahme auf den Nichtfacharzt verantwortliche/aufsichtführende (Chef-)Arzt die Darlegungs- und Beweislast tragen.
Merke | Die Behandlerseite müsste in einem Haftungsprozess nachweisen können, dass sogar auch nur eine etwaig eingetretene Komplikation nicht auf der geringen Erfahrung und Übung des noch unzureichend qualifizierten Arztes beruht. In diesem Zusammenhang müsste z. B. der verantwortliche/aufsichtführende (Chef-)Arzt beweisen, dass auch ihm selbige Komplikation widerfahren wäre. Das ist praktisch unmöglich. |
Von der ambulanten Privatsprechstunde zu unterscheiden ist die Frage der persönlichen Leistungserbringung des Chefarztes in der Privatambulanz. Hier braucht der Chefarzt nicht sämtliche Leistungen persönlich zu erbringen – wie etwa in der KV-Ermächtigungsambulanz (CB 08/2022, Seite 11) oder bei wahlärztlichen Leistungen im stationären Bereich (CB 09/2022, Seite 14). Vielmehr ist die Vertretung in der Privatambulanz unter formell einfacheren Voraussetzungen möglich.
AUSGABE: CB 11/2022, S. 15 · ID: 48598451