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WettbewerbsrechtAutohändler aufgepasst: Wann Sie ein Fahrzeug nicht mehr als Neuwagen bewerben dürfen

Top-BeitragAbo-Inhalt05.06.202552 Min. LesedauerVon Rechtsanwalt Dr. Paul Derabin, Hannover

| Die Abgrenzung zwischen Neuwagen und Gebrauchtwagen ist für Autohändler von erheblicher praktischer und rechtlicher Relevanz. Zugleich ist die Rechtslage nicht immer eindeutig: Wie viele Kilometer darf ein Fahrzeug gelaufen sein? Welche Standzeit ist noch akzeptabel? Und wie wirken sich Probefahrten oder Ausstellungsnutzung auf den Neuwagenstatus aus? ASR beleuchtet die maßgeblichen rechtlichen Kriterien, insbesondere die gefestigte Rechtsprechung des BGH, und gibt Autohändlern eine Orientierung für eine rechtssichere Fahrzeugbewerbung. |

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Die rechtliche Bedeutung des Begriffs „Neuwagen“

An die Eigenschaft „Neuwagen“ knüpfen sich nicht nur hohe Erwartungen potenzieller Käufer, sondern auch strenge rechtliche Anforderungen. Bieten Sie als Autohändler ein Fahrzeug irrtümlich oder unzutreffend als Neuwagen an, obwohl es nach objektiven Kriterien bereits als gebraucht einzustufen ist, drohen Ihnen nicht nur Gewährleistungsansprüche wegen Sachmängeln (§ 434 BGB), sondern auch wettbewerbsrechtliche Abmahnungen (§ 5 UWG).

Der Begriff „Neuwagen“ ist gesetzlich nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein Fahrzeug ein Neuwagen,

  • wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird,
  • wenn es keine durch längere Standzeit bedingten Mängel aufweist und
  • zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr als zwölf Monate liegen (BGH, Urteil vom 15.10.2003, Az. VIII ZR 227/02, Abruf-Nr. 032291).

Wichtig | Ein Fahrzeug, das diese Kriterien nicht mehr erfüllt, dürfen Sie nicht mehr als „neu“ bewerben oder verkaufen.

Wie sich Neu- und Gebrauchtwagen abgrenzen lassen

Folgende Punkte helfen Ihnen, Neu- und Gebrauchtwagen voneinander zu unterscheiden.

1. Zulassung auf einen Dritten – Sonderfall Tageszulassung

Ein Fahrzeug, das bereits auf einen Dritten – sei es auch nur kurzfristig – zugelassen wurde, können Sie grundsätzlich nicht mehr als Neuwagen verkaufen. Bereits die Erstzulassung führt regelmäßig dazu, dass das Fahrzeug als gebraucht gilt. Anders ist dies dagegen bei einer Tageszulassung auf den Verkäufer selbst. Tageszulassungen sind laut dem BGH eine besondere Form des Neuwagengeschäfts. Der Kunde erwirbt auch in diesen Fällen ein fabrikneues Fahrzeug. Die kurzfristige Zulassung auf den Händler dient, anders als bei sogenannten Vorführwagen, nicht der Nutzung des Fahrzeugs (BGH, Urteil vom 12.01.2005, Az. VIII ZR 109/04, Abruf-Nr. 050179).

2. Die tatsächliche Nutzung

Ein weiterer zentraler Maßstab ist die tatsächliche Nutzung. Probefahrten sind nur in sehr begrenztem Umfang mit dem Neuwagenbegriff vereinbar. Nach der Rechtsprechung darf die Nutzung lediglich „zur Erhaltung der Fahrbereitschaft und zur Vermeidung von Standschäden“ erfolgt sein.

So hat das OLG Dresden (Urteil vom 04.10.2006, Az. 8 U 1462/06, Abruf-Nr. 063672) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 18.06.1980, Az. VIII ZR 185/79) entschieden, dass ein als Neuwagen verkaufter Pkw regelmäßig nicht mehr „fabrikneu“ ist, wenn er vor der Übergabe an den Käufer eine Fahrstrecke von mehr als 200 km zurückgelegt hat.

3. Zeitraum zwischen Herstellung und Verkauf

Ein Fahrzeug gilt nur dann als Neuwagen, wenn es aktuell gefertigt wurde und die technische Modellreihe noch dem Stand der Serienfertigung entspricht. Der BGH verlangt, dass das Fahrzeug „nicht länger als zwölf Monate seit der Herstellung abgelagert wurde“, es sei denn, es wurde in dieser Zeit ordnungsgemäß gelagert und entspricht noch der unveränderten Serienausstattung (BGH, Urteil vom 15.10.2003, Az. VIII ZR 227/02, Abruf-Nr. 032291).

Wichtig | Eine Standzeit von über zwölf Monaten begründet regelmäßig die Einstufung als Gebrauchtwagen, es sei denn, das Fahrzeug ist technisch und optisch vollkommen neuwertig.

4. Modelländerungen oder technische Veralterung

Ein Fahrzeug darf nur dann als Neuwagen verkauft werden, wenn es dem aktuellen Serienstand des Herstellers entspricht. Ist die Modellreihe inzwischen technisch oder optisch überholt, kann der Neuwagenstatus nicht mehr beansprucht werden.

Der BGH hat hierzu ausgeführt, dass ein Kraftfahrzeug nicht mehr als fabrikneu gilt, wenn das Modell nicht mehr unverändert hergestellt wird (BGH, Urteil vom 15.10.2003, Az. VIII ZR 227/02, Abruf-Nr. 032291).

5. Mängel infolge Lagerung oder Transport

Ein Fahrzeug darf keinerlei Mängel aufweisen, die auf eine längere Lagerung, unsachgemäßen Transport oder sonstige äußere Einflüsse zurückzuführen sind. Selbst kleinere Lackschäden oder optische Beeinträchtigungen können dazu führen, dass das Fahrzeug nicht mehr als neuwertig angesehen werden darf.

Hierbei ist eine strenge Bewertung der Gesamterscheinung vorzunehmen. Der BGH stellt klar: „Fabrikneu bedeutet, dass das Fahrzeug in einem unbenutzten, mangelfreien Zustand ist, wie er bei der Übergabe eines neuen Serienfahrzeugs zu erwarten ist.“ (BGH, Urteil vom 24.03.1982, Az. VIII ZR 33/81).

Rechtliche Konsequenzen bei unzutreffender Werbung

Bewerben Sie ein Fahrzeug unzutreffend als „Neuwagen“, kann das für Sie erhebliche rechtliche Folgen haben.

1. Rücktritt und Minderung durch den Käufer

Verkaufen Sie ein Fahrzeug zu Unrecht als Neuwagen, obwohl es diesen Status objektiv nicht erfüllt, liegt ein Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB vor. Der Käufer kann in einem solchen Fall Minderung des Kaufpreises oder bei erheblicher Abweichung sogar den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären.

Beispiel

Ein Autohaus verkauft ein Fahrzeug mit Erstzulassung auf den Hersteller als Neuwagen. Der Käufer stellt die Zulassung später fest und tritt erfolgreich vom Vertrag zurück (BGH, Urteil vom 15.10.2003, Az. VIII ZR 227/02, Abruf-Nr. 032291).

2. Abmahnung und Unterlassung durch Wettbewerber oder Verbände

Die unzutreffende Bezeichnung als Neuwagen stellt zugleich eine irreführende geschäftliche Handlung gemäß § 5 Abs. 1 UWG dar. Wettbewerber oder Verbände können in einem solchen Fall eine Abmahnung aussprechen und bei Wiederholungsgefahr auch gerichtliche Unterlassungsansprüche geltend machen.

Beispiel

Ein Wettbewerber oder Verbraucherverband mahnt einen Autohändler ab, der Fahrzeuge mit mehr als 1.000 km Laufleistung als „Neuwagen“ bewirbt. Das Landgericht gibt dem Antrag auf Unterlassung statt (zum Abgrenzungskriterium

1.000 km vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 28.06.2000, Az. 4 U 53/00, BeckRS 2000,

30119957).

3. Schadenersatzansprüche

Kommt es durch Ihre fehlerhafte Bewerbung zu einem wirtschaftlichen Nachteil, etwa weil der Käufer ein nachweislich geringeres Marktinteresse an einem nicht mehr fabrikneuen Fahrzeug hat, kann der Käufer Schadenersatzansprüche gegen Sie geltend machen (§ 280 BGB).

Beispiel

Ein Kunde kauft ein als Neuwagen beworbenes Auto und stellt dann fest, dass dieses nicht fabrikneu ist. Er verlangt die Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis für einen vermeintlichen Neuwagen und dem objektiven Marktwert eines vergleichbaren Vorführwagens mit gleicher Laufleistung – und bekommt Recht. Der Händler muss die Differenz zahlen.

Handlungsempfehlungen für Autohändler

Damit Sie nicht unbeabsichtigt gegen rechtliche Vorgaben verstoßen und sich haftungs- oder wettbewerbsrechtlichen Risiken aussetzen, sollten Sie bei der Bewerbung von Fahrzeugen als „Neuwagen“ folgende Punkte beachten:

  • Sie sollten Fahrzeuge nur dann als „fabrikneu“, „Neuwagen“ o. ä. bezeichnen, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
    • Das Fahrzeug darf noch nicht zugelassen worden sein, höchstens eine Tageszulassung auf Sie selbst ist akzeptabel.
    • Das Fahrzeug weist keine durch die Standzeit bedingte Mängel und keine größeren Beschädigungen auf.
    • Die Laufleistung sollte bei möglichst wenigen Kilometern liegen (z. B. für Überführungsfahrten).
    • Die Standzeit beträgt nicht mehr als zwölf Monate seit der Herstellung.
  • Fahrzeuge mit Zulassung oder längerer Standzeit sollten Sie korrekt bezeichnen:
    • Hat das Fahrzeug eine Erstzulassung, ist es kein Neuwagen mehr – auch wenn es nur auf Sie oder den Hersteller zugelassen war.
    • Bei längerer Standzeit oder Nutzung als Vorführwagen sollten Sie die Bezeichnung „Vorführwagen“ oder „junger Gebrauchter“ verwenden – das ist rechtlich sicherer und verhindert spätere Reklamationen.
  • In Anzeigen und Verkaufsunterlagen sollten Sie klare und transparente Angaben verwenden:
    • Geben Sie Herstellungsdatum, Erstzulassung und Laufleistung offen und korrekt an.
    • Verwenden Sie keine werblich überhöhten Begriffe wie „absolut neu“, wenn das Fahrzeug objektiv bereits gebraucht ist.
  • Verkaufsunterlagen sollten Sie unbedingt sorgfältig prüfen und dokumentieren:
    • Halten Sie fest, in welchem Zustand sich das Fahrzeug beim Verkauf befindet.
    • Lassen Sie Kunden schriftlich bestätigen, dass diese von Ihnen über Besonderheiten (z. B. Erstzulassung oder Vorführnutzung) informiert wurden.
  • Wenn Sie Zweifel haben, unterlassen Sie die Werbung als Neuwagen:
    • Bestehen Unsicherheiten, ob ein Fahrzeug noch als Neuwagen gilt, verzichten Sie lieber auf die Bezeichnung und wählen Sie eine neutrale Beschreibung.
    • Bei Zweifelsfällen ist eine kurze Rücksprache mit einem Rechts- berater sinnvoll – so vermeiden Sie spätere rechtliche Auseinandersetzungen.

AUSGABE: ASR 9/2025, S. 3 · ID: 50428890

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