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AutokaufrechtHändler verkauft Wohnmobil auf Stellplatz: Verbraucher kann AGV widerrufen
| Ein Wohnmobil-Händler verkauft einem Verbraucher ein Wohnmobil auf einem öffentlichen Stellplatz. Sechs Wochen später widerruft der Verbraucher den Kaufvertrag. Ist der Widerruf rechtens? Das musste das LG Münster entscheiden. ASR erläutert die Details. |
Verkauf auf Stellplatz: Verbraucher widerruft Kaufvertrag
Ein Wohnmobil-Händler hatte in einem Online-Portal ein Wohnmobil annonciert; das Angebot entdeckte ein Verbraucher. Er schrieb dem Händler, dass er das Wohnmobil kaufen werde, wenn es ihm bei einer Besichtigung gefalle. Zu der Besichtigung kam es auf einem öffentlichen Stellplatz für Wohnmobile. Das annoncierte Wohnmobil sagte dem Verbraucher zu. Noch vor Ort in dem Wohnmobil schlossen Händler und Verbraucher den Kaufvertrag. Eine Belehrung wegen eines außerhalb der Geschäftsräume geschlossenen Vertrags (AGV) i. S. v. § 312b BGB erfolgte nicht.
Etwa sechs Wochen nach Übergabe – mangels Belehrung nach § 356 Abs. 3 BGB zeitgerecht – widerrief der Verbraucher seine Willenserklärung. Der Wohnmobil-Händler hielt dagegen:
- 1. Er habe keine Geschäftsräume, sodass er gar nicht außerhalb der Geschäftsräume verkaufen könne.Das sind die Abwehrargumente des Verkäufers
- 2. Im Moment des Verkaufs sei deshalb auch das verkaufte Wohnmobil sein beweglicher Geschäftsraum gewesen.
- 3. Von einer vom Schutzzweck des § 312b BGB erfassten Überrumpelungssituation könne nicht die Rede sein, da sich der Verbraucher von sich aus mit ihm dort verabredet habe.
- 4. Der Widerruf sei treuwidrig und allein von Kaufreue getragen.
LG Münster bestätigt AGV und Rechtmäßigkeit des Widerrufs
Das LG Münster hat bestätigt, dass ein AGV vorliegt, und den Widerruf als durchgreifend erachtet. Die Argumente des Händlers hat das Gericht wie folgt entkräftet (LG Münster, Urteil vom 28.06.2024, Az. 08 O 275/23, Abruf-Nr. 242590, noch nicht rechtskräftig):
Es muss keinen Geschäftsraum geben, um außerhalb verkaufen zu können
Immerhin habe, so das Gericht, der Verkäufer eine Halle für Wohnmobile. Und wenn er tatsächlich keine Geschäftsräume habe, verkaufe er eben immer außerhalb von Geschäftsräumen. Das ist nachvollziehbar, denn der Gesetzestext spricht nicht von außerhalb „seiner“ Geschäftsräume. Stattdessen heißt es in § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB: „Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind Verträge, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist (...)“. Die Existenz eines Geschäftsraums ist also schon nach dem Gesetzeswortlaut nicht notwendig.
Das Wohnmobil ist kein beweglicher Geschäftsraum i. S. v. § 312b BGB
Das Verkaufsobjekt „Wohnmobil“ sei nicht als beweglicher Geschäftsraum anzusehen. Dazu müsste für den Verbraucher erkennbar sein, dass es sich um eine nicht fest mit dem Erdboden verbundene Infrastruktur handele, von der aus der Unternehmer entgeltliche Leistungen vertreibe. Auch das ist nachvollziehbar. Denn das Gesetz meint damit Einrichtungen wie z. B. Markt- oder Messestände, Schaustellerobjekte oder temporäre Verkaufseinrichtungen (z. B. Spargelstände). Bei dem verkauften Wohnmobil sei das dagegen nicht der Fall.
Auf einen „Überrumpelungsmoment“ kommt es für den Widerruf nicht an
Auf eine Überrumpelung kommt es nach einer Analyse des Gesetzestextes und der Verbraucherrechte-Richtlinie (VerbrRRL) 2011/83/EU nicht an. Eine solche Einschränkung sei nicht vorhanden. Die Einschränkung aus der alten Regelung zum Haustürgeschäft, dass ein Widerrufsrecht nicht bestehe, wenn der Verbraucher den Unternehmer zu sich bestellt habe, gibt es nicht mehr.
Ergänzend ließe sich noch die Ausnahme aus § 312b Abs. 2 Nr. 11 BGB anführen, wonach ein Widerrufsrecht nicht besteht, für „Verträge, bei denen der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen, um dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen. Dies gilt nicht hinsichtlich weiterer bei dem Besuch erbrachter Dienstleistungen, die der Verbraucher nicht ausdrücklich verlangt hat, oder hinsichtlich solcher bei dem Besuch gelieferter Waren, die bei der Instandhaltung oder Reparatur nicht unbedingt als Ersatzteile benötigt werden (…)“. Diese Regelung zeigt, dass die Ausnahme nur gelten soll, wenn wegen der Dringlichkeit Eile geboten ist. Für alles weitere, was anlässlich eines solchen bestellten Hausbesuchs erfolgt, gilt die Privilegierung schon nicht mehr.
Das Motiv für den Widerruf ist ohne Bedeutung
Der Widerruf war auch nicht treuwidrig. Auf das Motiv kommt es bei einem Widerruf schlicht nicht an. Ob es einen sachlichen Grund für einen Widerruf gibt oder tatsächlich nur Kaufreue der Antrieb war, ist unerheblich; das Widerrufsrecht des Verbrauchers ist nämlich an keine gesonderten Voraussetzungen geknüpft. Auch der Zeitablauf und damit der Widerruf erst nach sechs Wochen ist nicht relevant, da es in der Hand des Händlers gelegen habe, den Verbraucher über sein Widerrufsrecht zu belehren. Hätte er das getan, hätte der Verbraucher zu dem Zeitpunkt keinen Widerruf mehr ausüben können.
Welche Gründe das LG sonst noch anführt
Das LG Münster hat noch zwei weitere Gründe angeführt:
- Die Mail des Verbrauchers an den Wohnmobil-Händler, dass er das Wohnmobil kaufen werde, wenn es ihm bei der Besichtigung zusage, verlagerte den Kauf nicht nach vorn. Sie war nur eine unverbindliche Absichtserklärung.
- Und: Anders als beim Fernabsatz, bei dem ein für den Fernabsatz eingerichtetes Vertriebssystem vorliegen muss (§ 312 c Abs. 1, Hs. 2 BGB), ist ein solches Konzept beim AGV nicht erforderlich.Für AGV ist kein Vertriebssystem erforderlich
AUSGABE: ASR 8/2024, S. 9 · ID: 50092649