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Ordentliche KündigungWeisungsrecht des ArbG bei der Schutzkleidung des ArbN
| Die Weisung des ArbG, rote Arbeitshosen als Schutz- und Arbeitskleidung zu tragen, ist aus sachlichen Gründen berechtigt. Sie schränkt das allgemeine Persönlichkeitsrecht des ArbN nicht unverhältnismäßig ein. |
Sachverhalt
Der ArbN war bei einem Industriebetrieb in der Produktion beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehörten u. a. Arbeiten mit Kappsägen und Akkubohrern zum Zuschnitt bzw. der Montage von Profilen sowie kniende Arbeiten, vor allem bei der Montage.
Beim ArbG gab es eine Kleiderordnung. Danach stellte dieser für alle betrieblichen Tätigkeiten in Montage, Produktion und Logistik funktionelle Arbeitskleidung zur Verfügung. Dazu gehörten unter anderem rote Arbeitshosen, die in den genannten Bereichen zu tragen waren. Grund für diese Regelung waren die Wahrung der Corporate Identity, die Geeignetheit als Signalfarbe zum Schutz der ArbN sowie zur unmittelbaren Erkennbarkeit in Abgrenzung zu externen Beschäftigten. Ob es sich bei den roten Hosen um Arbeitsschutzkleidung handelte, war erstinstanzlich streitig.
Anfang Oktober 2023 erschien der ArbN an zwei Arbeitstagen nicht in der roten Hose. Er trug eine schwarze Hose. Dafür wurde er am 3.11.23 abgemahnt. 20 Tage später erschien er in einer privaten dunklen Hose. Der Aufforderung, am Folgetag die rote Hose zu tragen, kam er nicht nach. Er wurde erneut abgemahnt. Einen Tag später erschien er wieder nicht in der roten Arbeitshose. Daraufhin kündigte der ArbG am 27.11.23 das Arbeitsverhältnis ordentlich fristgerecht zum 29.2.24.
Der ArbN behauptet, die rote Hose erfülle keine besonderen arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben. Außerdem möge er rote Hosen nicht. Zudem habe der ArbG bezüglich der Hosenfarbe kein Direktionsrecht. Der ArbG stufte die rote Arbeitshose als persönliche Schutzausrüstung ein und rechtfertigte damit die Kleiderordnung.
Das Arbeitsgericht Solingen (15.3.24, 1 Ca 1749/23) wies die Klage ab. Aufgrund des konkreten Vortrags des ArbG zu der Schutzklasse der roten Hosen, sei es davon ausgegangen, dass es sich um Arbeitsschutzkleidung handele. Dies und die drei weiteren Gründe für die Kleiderordnung würden die Anordnung zum Tragen der roten Hose rechtfertigen. Das ästhetische Empfinden des ArbN betreffend die Hosenfarbe überwiege diese Interessen nicht.
Entscheidungsgründe
Das LAG Düsseldorf (21.5.24, 3 SLa 224/24, Abruf-Nr. 242720) bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts Solingen. Der ArbG sei aufgrund seines Weisungsrechts berechtigt gewesen, rot als Farbe für die Arbeitsschutzhosen vorzuschreiben. Da das allgemeine Persönlichkeitsrecht des ArbN nur in der Sozialsphäre betroffen gewesen sei, genügten sachliche Gründe. Diese seien vorhanden. Ein maßgeblicher berechtigter Aspekt sei die Arbeitssicherheit. Der ArbG habe Rot als Signalfarbe wählen dürfen, weil der ArbN auch in Produktionsbereichen arbeite, in denen Gabelstapler fahren würden. Aber auch im übrigen Produktionsbereich erhöhe die Farbe Rot die Sichtbarkeit der Beschäftigten.
Weiterer sachlicher Grund auf Arbeitgeberseite sei die Wahrung der Corporate Identity in den Werkshallen. Überwiegende Gründe vermochte der ArbN, der die rote Arbeitshose zuvor langjährig getragen habe, weder schriftsätzlich noch im Termin vorzubringen. Sein aktuelles ästhetisches Empfinden betreffend die Hosenfarbe genüge nicht. Die Interessenabwägung sei zulasten des ArbN ausgefallen. Nach zwei Abmahnungen und der beharrlichen Weigerung, der Weisung des ArbG nachzukommen, würde trotz der langen beanstandungsfreien Beschäftigungsdauer das Beendigungsinteresse des ArbG überwiegen. Die ordentliche Kündigung habe das Arbeitsverhältnis beendet.
Relevanz für die Praxis
Vom Weisungsrecht des ArbG umfasst, weil zur „Leistung der versprochenen Dienste“ i. S. d. § 611 Abs. 1 BGB zählend, ist jede vom ArbG im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise von deren Erbringung unmittelbar zusammenhängt (BAG 2.11.16, 10 AZR 596/15, Abruf-Nr. 190038). Als derartige Tätigkeit kann zum Beispiel das Anlegen einer arbeitgeberseitig vorgeschriebenen Dienstkleidung oder das Unterlassen des Tragens bestimmter privater Kleidungsstücke anzusehen sein (BAG 2.11.16, 10 AZR 596/15). Grundsätzlich ist es vom Weisungsrecht gedeckt, Vorgaben zu einer branchenüblichen bzw. betriebseinheitlichen Kleidung zu machen.
Das Weisungsrecht hat seine Grenzen in den gesetzlichen Regelungen und findet sich im Kollektiv- und im Einzelvertragsrecht. Es darf nach § 315 Abs. 1 BGB nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden. Die in § 315 Abs. 1 BGB geforderte Billigkeit wird inhaltlich durch die Grundrechte mitbestimmt. Dabei kann das Recht des ArbG, im Rahmen seiner grundrechtlich geschützten unternehmerischen Betätigungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) tätig zu sein, mit den grundrechtlich geschützten Positionen des ArbN kollidieren. So sind die kollidierenden Grundrechte in ihrer Wechselwirkung zu sehen. Sie sind so zu begrenzen, dass die geschützten Rechtspositionen für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden. Hierbei ist die Intensität der umstrittenen Freiheitsbeschränkung genauso zu berücksichtigen wie die von den Vertragspartnern durch den Abschluss des Vertrags selbst eingeräumte Begrenzung ihrer grundrechtlichen Freiheiten.
AUSGABE: AA 8/2024, S. 140 · ID: 50099036