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Wiedereinstellungsanspruch/AGGKeine Wiedereinstellung nach Erreichen der tariflichen Altersgrenze
| Die Wiedereinstellung eines Bewerbers, dessen Arbeitsverhältnis aufgrund einer tarifvertraglichen Altersgrenze beendet wurde, kann wegen seines Alters abgelehnt werden, falls ein jüngerer qualifizierter Bewerber zur Verfügung steht. Dies entspricht dem mit der Altersgrenze verfolgten Ziel der ausgewogenen Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen. |
Sachverhalt
Die Parteien streiten über eine Entschädigung nach dem AGG. Der Kläger hat nach langjähriger Tätigkeit als Lehrer bei dem Beklagten die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht und ist im Altersruhestand. Seitdem war er jedoch wiederholt im Rahmen befristeter Arbeitsverhältnisse als Lehrer für das beklagte Land tätig. Sodann bewarb er sich erneut bei dem Beklagten auf eine Vertretungsstelle, die mit der von ihm gelehrten Fächerkombination befristet ausgeschrieben war. Ein weiterer Bewerber für diese Stelle ist 1981 geboren und verfügt über etwa die gleichen Fächerkombinationen wie der Kläger. Nach dem Abschluss des durch die Schule durchgeführten Auswahlverfahrens wurde der Kläger von der Schulleitung zur Einstellung vorgeschlagen. Das beklagte Land ist an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder gebunden, wonach das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung mit Ablauf des Monats endet, in dem der Beschäftigte das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersrente vollendet hat. Soll eine Weiterbeschäftigung erfolgen, ist ein neuer schriftlicher Arbeitsvertrag abzuschließen. Die Stelle wurde schließlich mit dem Mitbewerber besetzt.
Der Kläger verlangt eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung gemäß § 15 Abs. 2 AGG. Er sei allein wegen seines Alters nicht eingestellt worden. Die tarifliche Altersgrenze beziehe sich nur auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dessen ungeachtet sei es angesichts des Lehrermangels nicht zu begründen, ältere Bewerber sogar bei befristeten Stellen grundsätzlich auszuschließen. Zudem verstoße das Vorgehen des beklagten Landes gegen das Prinzip der Bestenauslese aus Art. 33 Abs. 2 GG.
Die Vorinstanzen (LAG Hamm 9.3.23, 11 Sa 948/22) wiesen die Klage ab.
Entscheidungsgründe
Auch die Revision blieb erfolglos Erfolg (BAG 25.4.24, 8 AZR 140/23, Abruf-Nr. 242220). Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach dem AGG wegen Altersdiskriminierung.
Der Kläger sei wegen seines Alters zwar unmittelbar benachteiligt worden, da das beklagte Land seine neuerliche Einstellung wegen des Überschreitens der Regelaltersgrenze abgelehnt habe. Die unterschiedliche Behandlung des Klägers durch die tariflichen Regelungen sei aber objektiv angemessen sowie durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt und daher nach § 10 AGG zulässig.
Das legitime Ziel liege bei der gegenständlichen tariflichen Altersgrenze in der besseren Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen mittels einer Förderung des Zugangs jüngerer Menschen zur Beschäftigung. Dieses Ziel könne auch rechtfertigen, dass die Wiedereinstellung eines aufgrund einer Altersgrenze bereits ausgeschiedenen Beschäftigten verweigert werde.
Das gewählte Mittel der tariflichen Altersgrenze sei zudem angemessen und erforderlich, um das vorgenannte legitime Ziel zu erreichen. Die Altersgrenze sei das mildeste wirksame Mittel, ohne die legitimen Interessen derjenigen Personen übermäßig zu beeinträchtigen, die wegen ihres Alters benachteiligt werden. Die Maßnahme gehe auch nicht über das hinaus, was notwendig sei, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Die Grenze greife, wenn der Personalbedarf durch die Einstellung eines geeigneten Bewerbers gedeckt werden könne, der die vorgesehene Altersgrenze noch nicht erreicht habe. Bei Vorhandensein jüngerer, geeigneter Bewerber dürfe die Nichtberücksichtigung daher allein mit dem Überschreiten der Regelaltersgrenze begründet werden, ohne dass noch eine Auswahlentscheidung nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG zu treffen wäre.
Sei ein solcher Bewerber hingegen nicht vorhanden, widerspreche die erneute Einstellung eines Bewerbers, der die Altersgrenze bereits überschritten habe, nicht deren Zweck. In diesem Fall könne die erstrebte Generationengerechtigkeit nicht beeinträchtigt werden.
Relevanz für die Praxis
Der 8. Senat bestätigt seine Rechtsprechungslinie zur Zulässigkeit von individual- und kollektivrechtlich vereinbarten Altersgrenzen (zuletzt BAG 31.3.22, 8 AZR 238/21, Abruf-Nr. 230919) und bewegt sich damit auch auf der Linie der Vorgaben des EuGH (EuGH 2.4.20, C-670/18).
Das Ziel einer altersbezogen ausgewogenen Personalstruktur ist nicht nur unternehmerisch, sondern auch gesamtgesellschaftlich kaum zu überschätzen. Angesichts der demografischen Entwicklung und des daraus resultierenden Mangels von Berufseinsteigern, ist dieses Ziel auch nicht schematisch als eine abstrakte Eröffnung von Beschäftigungsmöglichkeiten für Jüngere zu verstehen. Nachkommenden jüngeren ArbN soll mit dem Ausscheiden Älterer aus dem Erwerbsleben ermöglicht werden, Berufserfahrung zu sammeln, die im Wege eines beruflichen Aufstiegs zu erweiterten Gestaltungsmöglichkeiten, der Übernahme von Führungsverantwortung und einer höheren Vergütung führen kann. Das ist Teil der Generationengerechtigkeit und dient letztlich der gesamten Gesellschaft. Zutreffend ist auch der Hinweis des Senats zur grundgesetzlich geforderten Bestenauslese. Diese kann nicht zum Tragen kommen, wenn eine wirksame Regelung zur Altersgrenze bereits aus den vorgenannten Gründen die Auswahlentscheidung determiniert. Anderenfalls wäre der verfassungsrechtlich zulässigen Regelung einer Altersgrenze praktisch die Grundlage entzogen, da ältere Bewerber allein aufgrund ihrer Berufserfahrung oftmals am besten geeignet wären.
AUSGABE: AA 8/2024, S. 135 · ID: 50090246