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Außerordentliche KündigungSchwarzarbeit führt nicht immer zur Kündigung
| Eine in einem Einzelfall vom ArbN gegenüber einem Kunden des ArbG angebotene, dem Umfang nach geringfügige und unentgeltliche Gefälligkeitsleistung in dessen Marktbereich ist als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung bereits an sich nicht geeignet, wenn sie außerhalb der Arbeitszeit erbracht werden sollte und dadurch geschützte Markt- oder Wettbewerbsinteressen des ArbG nicht berührt werden. Auf die rechtliche Einordnung der fraglichen Leistung als Schwarzarbeit im Sinne des § 1 Abs. 2 SchwarzArbG kommt es dabei nicht an. |
Sachverhalt
Der mit 80 % GdB schwerbehinderte ArbN war als Fliesenleger beschäftigt. Der ArbG beschäftigt nicht mehr als zehn ArbN. Anfang 2023 führte er über mehrere Tage Fliesenarbeiten im Bad des Bauvorhabens der Eheleute B und C durch. Dabei kam es zu einem Gespräch zwischen dem ArbN und B darüber, ob dieser bereit sei, über den mit dem ArbG vereinbarten Auftragsgegenstand hinaus im Hauswirtschaftsraum (Fläche ca. 5 qm) „nach Feierabend“ Bodenfliesen zu verlegen. Zur Ausführung der Arbeiten kam es nicht. Anschließend beanstandete B die vom ArbN ausgeführten Arbeiten im Bad gegenüber dem ArbG als mangelhaft. Nach Besichtigung führte der ArbG umfängliche Nacharbeiten an den im Bad verlegten Bodenfliesen durch. Als der ArbG vom Gespräch erfuhr, kündigte er das Arbeitsverhältnis innerhalb der Sechs-Monats-Frist des § 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX fristlos.
Entscheidungsgründe
Das LAG Hamm (15.2.24, 8 Sa 845/23, Abruf-Nr. 241602) hält die außerordentliche Kündigung für unwirksam. Es liege kein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vor. Das Gericht deutete die außerordentliche Kündigung aber gemäß § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung um, die hier wegen § 23 Abs. 1 KSchG keiner sozialen Rechtfertigung bedurfte.
In Rechtsprechung und Literatur sei anerkannt, dass während der Arbeitszeit geleistete Schwarzarbeit eine außerordentliche Kündigung an sich rechtfertigen könne. Dann sei zugleich ein Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht begründet (APS/Vossen, 6. Auflage 2021, § 626 BGB Rn. 260 m. w. N.). Werde Schwarzarbeit hingegen außerhalb der Arbeitszeit geleistet, könne es am notwendigen Bezug zum Arbeitsverhältnis und den geschützten Interessen des ArbG fehlen. Etwas anderes gelte ggf. dann, wenn sich das fragliche Verhalten zugleich als vertragswidrige Konkurrenztätigkeit im bestehenden Arbeitsverhältnis darstelle. Gemessen an diesen Maßstäben sei nach den Umständen des Einzelfalls schon nicht von einer an sich kündigungsgeeigneten Pflichtwidrigkeit des ArbN auszugehen.
Relevanz für die Praxis
Das Gericht entschied aber auch: Wolle man dennoch von einer an sich kündigungsgeeigneten Pflichtwidrigkeit des ArbN ausgehen, würde sich eine darauf gestützte außerordentliche Kündigung jedenfalls als unverhältnismäßiges Mittel darstellen.
AUSGABE: AA 7/2024, S. 113 · ID: 50066479