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Befristete ArbeitszeiterhöhungEine Vollzeittätigkeit nur bei „Bewährung“ ist kein Befristungsgrund
| Das systematische Angebot des ArbG, unbefristet grundsätzlich nur Teilzeit-Stellen anzubieten, befristet jedoch die Arbeitszeit auf eine Vollzeit-Stelle zu erhöhen, deren Verlängerung nach qualitativen und quantitativen Leistungskriterien sowie den Abwesenheitszeiten und der Bereitschaft zur Übernahme von Zusatzdiensten „verdient“ werden kann, ist kein geeigneter Sachgrund für eine Angemessenheitskontrolle einer befristeten Arbeitszeiterhöhung im Sinne des § 307 BGB. |
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit der Befristung einer Arbeitszeiterhöhung. Der ArbN ist seit dem 1.12.20 als „Call Center Agent Bürgerdienste“ im „Front Office“ der beklagten Stadt beschäftigt. Er ist in die Entgeltgruppe 4, Stufe 3 TVöD eingruppiert und erzielt bei einer Vollzeittätigkeit ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von knapp 3.400 EUR. Mit Abschluss des Arbeitsvertrags wurde zwischen den Parteien grundsätzlich ein Arbeitszeitumfang von 64,95 % einer Vollzeitbeschäftigung = 25,33 Stunden pro Woche vereinbart. Zugleich erfolgte bereits mit Wirkung ab Beschäftigungsbeginn 1.12.20 eine befristete Erhöhung der Arbeitszeit, zunächst auf 30,39 Wochenstunden. Mit Wirkung ab dem 1.9.21 vereinbarten die Parteien eine befristete Erhöhung der Arbeitszeit auf 100 % einer Vollzeitstelle, befristet bis 31.8.22. Für den Zeitraum 1.9.21 bis 31.8.23 vereinbarten die Parteien erneut eine Erhöhung der Arbeitszeit auf 100 % einer Vollzeitstelle und für den Zeitraum 1.9.23 bis 31.8.24 erneut die Erhöhung der Arbeitszeit auf 100 %.
Beim Front Office ist es üblich, dass Neueinstellungen zwar unbefristet vorgenommen werden, die Einstellung jedoch auf ArbG-Wunsch nur mit einem begrenzten Teilzeit- und nicht mit einem Vollzeit-Stundenumfang erfolgt. Es erfolgt dann regelmäßig zunächst eine befristete Arbeitszeiterhöhung für Schulung und Einarbeitung und dann regelmäßig eine zweijährige befristete Erhöhung der Arbeitszeit auf eine Vollzeitstelle. Nach Ablauf der zweijährigen Befristungszeit prüft der ArbG, ob sich der ArbN „bewährt“ hat. Trifft dies zu, bietet der ArbG eine unbefristete Erhöhung der Arbeitszeit auf eine Vollzeitstelle an, ansonsten nicht. Der ArbN wurde vom ArbG intern mit der Note „5“ für seine Produktivität und mit der Note „3“ für die Qualität seiner Arbeitsergebnisse bewertet. Er war im Bewertungszeitraum an 93 Tagen arbeitsunfähig erkrankt.
Der ArbG bot dem ArbN keine unbefristete Erhöhung seiner Arbeitszeit auf eine Vollzeitstelle an, sondern lediglich die zuletzt vereinbarte befristete Erhöhung der Arbeitszeit, nochmals befristet bis zum 31.8.24. Der ArbN hält die Befristung der Arbeitszeiterhöhung für rechtswidrig, weil hierfür kein Sachgrund gegeben sei.
Entscheidungsgründe
Die Klage vor dem Arbeitsgericht Köln (25.4.24, 8 Ca 423/24, Abruf-Nr. 242065) war überwiegend erfolgreich. Die Befristung der Arbeitszeiterhöhung des ArbN ist rechtsunwirksam.
Die Befristung wesentlicher Arbeitsbedingungen erfordere regelmäßig einen Sachgrund. Denn nach § 307 Abs. 1 BGB unterliege die Befristung einzelner Vertragsbedingungen einer Angemessenheitskontrolle, die anhand einer Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen beider Vertragsparteien vorzunehmen sei.
Erreiche die befristete Aufstockung der Arbeitszeit einen erheblichen Umfang, könne eine solche Regelung nur dann keine unangemessene Benachteiligung i. S. des § 307 BGB darstellen, wenn ein Sachgrund gegeben sei, der auch eine Befristung des Arbeitsvertrags insgesamt nach § 14 Abs. 1 TzBfG rechtfertigen würde. Denn andernfalls würde eine unzulässige Umgehung des gesetzlichen Befristungsrechts drohen, indem der „Grund-Arbeitsvertrag“ nur mit einem geringen Stundenanteil geschlossen werde, faktisch jedoch eine Vollzeittätigkeit ausgeübt werde, deren „Verlängerung“ sich der ArbG jedoch regelmäßig erneut vorbehalte. Denn bei der Angemessenheitskontrolle sei zu berücksichtigen, dass ein ArbN grundsätzlich ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der unbefristeten Vereinbarung der Arbeitsbedingungen habe. Von einem erheblichen Umfang einer Arbeitszeiterhöhung sei nach der Rechtsprechung des BAG auszugehen, wenn sich das Aufstockungsvolumen auf mindestens 25 % einer Vollzeitbeschäftigung belaufe (BAG 25.4.18, 7 AZR 530/16).
Hiervon ausgehend erweise sich die Befristung der Aufstockung des Arbeitszeitvolumens auf eine Vollzeitstelle als unangemessen und damit rechtsunwirksam nach § 307 Abs. 1 BGB. Die streitgegenständliche Erhöhung der Arbeitszeit sei erheblich, da sie mehr als 25 % einer Vollzeitbeschäftigung ausmache. Mithin sei für ihre Rechtfertigung ein Sachgrund erforderlich gewesen. An einem solchen Sachgrund fehle es vorliegend.
Bei der Tätigkeit des ArbN im „Front Office“ der beklagten Stadt handele es sich um eine Dauer-Aufgabe, die nicht nur vorübergehend anfalle. Der Sachgrund des nur vorübergehenden betrieblichen Bedarfs an der Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG sei damit gerade nicht gegeben. Der ArbG beschäftige schon allein aufgrund seiner Größe mit über einer Million Einwohnern dauerhaft eine Vielzahl von Mitarbeitern im „Front Office“ der Bürgerdienste, aktuell mehr als 100 ArbN. Der ArbN sei auch gerade nicht eingestellt worden, um eine besondere Belastungsspitze abzudecken. Der ArbG praktiziere im Gegenteil dauerhaft sein System der befristeten Arbeitszeitaufstockung zur Bewährungserprobung grundsätzlich bei allen neu eingestellten Mitarbeitern in diesem Bereich und gerade nicht lediglich bei einzelnen, zur Abdeckung etwaiger Belastungsspitzen eingestellter Mitarbeiter.
Der Wunsch des ArbG, dass sich die Mitarbeiter ständig neu bewähren sollen und möglichst auch krankheitsbedingte Abwesenheitszeiten vermeiden sollen, sei insofern als Sachgrund für eine Befristung nicht geeignet. Dieser Wunsch sei grundsätzlich einem jeden Arbeitsverhältnis immanent. Ein Sachgrund müsse demgegenüber eine Besonderheit darstellen. Wenn nach der Vorstellung des Gesetzgebers allein der allgemeine Wunsch des ArbG nach qualitativ und quantitativ guter Arbeitsleistung bereits für eine rechtswirksame Befristung hätte ausreichen sollen, wäre das gesamte gesetzliche Befristungsrecht nicht erforderlich gewesen. Nichts anderes könne daher für die Frage der Rechtswirksamkeit der nur befristetet erfolgenden Arbeitszeiterhöhung gelten, die einen erheblichen Umfang ausmache.
Die Überlegungen des ArbG, zur allgemeinen Überprüfung der Bewährung bzw. der verlängerten Erprobung von ArbN im Front Office eine nur befristete Arbeitszeiterhöhung von nicht unerheblichem Umfang vorzunehmen, genügten den Anforderungen an einen Sachgrund nicht. Mithin verstoße die Befristung der Arbeitszeiterhöhung gegen die Angemessenheitskontrolle nach § 307 BGB und erweise sich deshalb als rechtsunwirksam.
Relevanz für die Praxis
Die Klage wurde aber abgewiesen, soweit der ArbN die Feststellung begehrte, dass eine bestimmte Arbeitszeitregelung „über den 31.8.24 hinaus“ gelten solle. Dieser Zeitpunkt lag zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Kammertermin in der Zukunft. Ein derartiger Blick in die Zukunft ist der Kammer nicht möglich – insbesondere soweit darüber hinaus die Feststellung einer bestimmten Wochenstundenzahl einer Vollzeitstelle begehrt wurde, die naturgemäß abänderbar sei, etwa durch Änderung der tarifvertraglichen Grundlagen. Die vom ArbN begehrte gerichtliche Entscheidung könne sich nur auf den Rechtszustand „derzeit“ beziehen, d. h. zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt zum Schluss der mündlichen Verhandlung.
AUSGABE: AA 7/2024, S. 117 · ID: 50066695