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BeamtenrechtCannabis, Tattoos, WhatsApp-Posts = Dienstliche Gefahren für Polizeibeamte im Check, Teil 2

Abo-Inhalt01.07.2024544 Min. Lesedauer

| Im 2. Teil liegt der Fokus dieser Rechtsprechungsübersicht auf Nebentätigkeiten und außergerichtliche Tätigkeiten von Polizeibeamten und Anwärtern. Nicht immer ist der Dienstherr begeistert, aber wann darf er sanktionieren? |

Rechtsprechungsübersicht / Dienstliche Gefahren für Polizeibeamte im Check

Kriminalhauptkommissar wirkt an Fernsehproduktionen mit

Ein Kriminalhauptkommissar hat einen Anspruch darauf, dass ihm eine Nebentätigkeitsgenehmigung erteilt wird, um an zwei Fernsehproduktionen mitzuwirken (OVG NRW 13.4.16, 6 A 881/15, Abruf-Nr. 185921) fest. Bei den Fernsehproduktionen handelt es sich um sogenannte „scripted-reality“-Formate. Der Kläger sollte, abgesetzt vom gespielten, fiktiven Hauptgeschehen, als Kommentator kriminalpräventive Erläuterungen und Ratschläge geben. Der dienstvorgesetzte Landrat lehnte den Antrag auf Nebentätigkeit ab. Solche Formate entsprächen nicht den Zielen der polizeilichen Öffentlichkeitsarbeit. Sie erweckten den Eindruck der Dokumentation realer Situationen, seien aber reine Fiktion und verfälschten dadurch das Bild der tatsächlichen Polizeiarbeit. Das VG stellte bereits zu Recht fest, dass das beklagte Land verpflichtet gewesen sei, ihm die Nebentätigkeitsgenehmigung zu erteilen. Die Nebentätigkeit sei dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung nicht abträglich gewesen.

AUB und

mit nicht genehmigter Nebentätigkeit unterwegs

Ein Polizeibeamter, der über mehr als ein Jahr krankheitsbedingt keinen Dienst verrichtet, ging zugleich in diesem Zeitraum einer nicht genehmigten Nebentätigkeit nach. Er wurde daher wegen ungenehmigter Nebentätigkeit zu Recht aus dem Dienst entfernt (OVG Rheinland-Pfalz 17.11.21, 3A 10118/21.OVG). Der Beamte machte geltend, er habe lediglich sporadisch und unentgeltlich im Restaurantbetrieb seiner Familie mitgeholfen. Zudem sei ihm geraten worden, wegen einer Depression „unter die Leute zu gehen“.

Das OVG wies nach einer Beweisaufnahme, bei der u. a. Gäste des Lokals und die mit den Ermittlungsmaßnahmen betrauten Polizeibeamten vernommen wurden, die Berufung zurück. Der Beamte habe sich nicht lediglich bei seiner Familie im Lokal aufgehalten, sondern sei dort vielmehr auch einer Nebentätigkeit nachgegangen, obwohl er über Monate hinweg krankgeschrieben gewesen sei. Das sei ein schweres Dienstvergehen, welches seine Entfernung aus dem Dienst erfordere. Für einen Beamten, der sich über einen erheblichen Zeitraum hinweg kontinuierlich und bewusst über das Nebentätigkeitsrecht hinwegsetze, könne die Allgemeinheit berechtigterweise kein Verständnis aufbringen.

Bewerber mit zu viel „Clannähe“

Steht ein Bewerber für den Polizeivollzugsdienst im Verdacht der Nähe zu kriminalitätsbelasteten Milieus, darf seine Einstellung bis zur Klärung der Vorwürfe verweigert werden (VG Berlin 24.3.21, VG 5 L 78/21, Abruf-Nr. 221855). Der Polizeipräsident Berlin lehnte die Bewerbung ab, weil im Rahmen der Leumundsprüfung eine große räumliche, freundschaftliche und verwandtschaftliche Nähe des Mannes zu kriminalitätsbelasteten Milieus festgestellt worden sei. Auch wenn der Antragsteller strafrechtlich nicht vorbelastet sei, berge dies das erhebliche Risiko eines Interessenkonflikts, der im unauflösbaren Widerspruch zum Polizeiberuf stehe.

Ferner sei die Einflussnahme Dritter auf seine Dienstausführung zu befürchten. Es sei eine weitere Sachverhaltsaufklärung erforderlich, die erst im Klageverfahren erfolgen könne. Hier müsse die Frage beantwortet werden, ob es hinreichende Anhaltspunkte für einen Interessenkonflikt bzw. die Einflussnahme Dritter auf die Dienstausübung des Bewerbers geben könne.

Rechtsprechungsübersicht / Dienstliche Gefahren für Polizeibeamte im Check

Bewerber mit einem strafrechtlichen Verfahren

Gegen den Bewerber läuft Strafanzeige wegen sexueller Nötigung. Er hatte sich um die Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst beworben und bereits eine Zusage erhalten. Dann wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung eingeleitet hat. Daraufhin lehnte die Polizei die Einstellung ab, da Zweifel an seiner Eignung für den Polizeidienst bestünden. Der hiergegen eingelegte Eilantrag des Antragstellers blieb erfolglos.

Das VG Aachen (7.10.20, 1 L 677/20) kam zum Ergebnis, dass die Entscheidung der Polizei nicht zu beanstanden sei. Durch die Strafanzeige wegen sexueller Nötigung und die Angaben der Geschädigten sowie einer Zeugin im Ermittlungsverfahren bestehe zumindest der berechtigte Verdacht, dass der Antragsteller eine Straftat begangen habe. Sollte sich die Haltlosigkeit der Vorwürfe nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens herausstellen, dürfte dies Einfluss auf die derzeit aufgeschobene Entscheidung der Polizei über eine zukünftige Einstellung des Antragstellers haben. Schließlich sei die Polizei wegen der veränderten Sach- und Rechtslage auch nicht mehr an die Einstellungszusage gebunden.

Strafverfahren verschwiegen

Der Antragsteller verschwieg im Einstellungsverfahren ein gegen ihn wegen des Vorwurfs der Körperverletzung geführtes (zuletzt eingestelltes) Ermittlungsstrafverfahren. Die Einstellung eines Bewerbers in den Vorbereitungsdienst der Bundespolizei darf wegen Zweifeln an der charakterlichen Eignung versagt werden (VG Mainz 9.3.19, 4 L 105/19.MZ, Abruf-Nr. 208361). Berechtigte Zweifel hieran hätten sich bei ihm durch das Verschweigen ergeben. Mit der Nichtangabe habe er die Bedeutung der Pflicht zu wahrheitsgemäßen Angaben gegenüber seinem Dienstherrn verkannt und eigene Interessen in den Vordergrund gestellt. Dies lasse befürchten, dass auch künftig mit vergleichbarem Fehlverhalten zu rechnen sei. Auch der Vorwurf der Körperverletzung stehe im Widerspruch zur Tätigkeit eines Polizeivollzugsbeamten.

Immer wieder Alkohol

Ein Polizeibeamter machte sich durch den schuldhaften Rückfall in die „nasse Phase“ seiner Alkoholsuchterkrankung, seine unter Alkoholeinfluss begangenen Verkehrsstraftaten sowie durch sein anmaßendes Verhalten anlässlich eines Verkehrsunfalls eines Dienstvergehens schuldig. Das rechtfertigt seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (OVG Rheinland-Pfalz 7.3.18, 3 A 11721/17.OVG, Abruf-Nr. 200723).

Der Polizeibeamte wurde 2014 in einen Verkehrsunfall verwickelt. Dabei zog er eine Jacke mit der Aufschrift „Polizei“ an, um die besondere Autorität der Polizei für private Zwecke in Anspruch zu nehmen. Zudem versuchte er, durch ungebührliches, anmaßendes Verhalten die im Dienst befindlichen Kollegen in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Nachdem er 2015 in alkoholisiertem Zustand einen Verkehrsunfall verursacht und Unfallflucht begangen hatte, wurde er wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr, Gefährdung des Straßenverkehrs und unerlaubten Entfernen vom Unfallort rechtskräftig verurteilt. Außerdem wurde ihm der Führerschein entzogen. Dennoch führte er 2016 nach Dienstende im Verkehr ein Fahrzeug, obwohl er die dazu erforderliche Erlaubnis nicht hatte und er infolge bereits im Dienst konsumierten Alkohols nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen. Nach entsprechender Erweiterung des Disziplinarverfahrens entfernte das VG Trier den Polizeibeamten auf die Disziplinarklage des Landes aus dem Beamtenverhältnis. Das OVG bestätigte diese Entscheidung.

Reichsbürger 1

Ein Angestellter im Polizeidienst identifizierte sich mit der Reichsbürgerideologie. So entschied das LAG Hamburg (22.4.22, 7 Sa 49/21, Abruf-Nr. 231191), dass eine Kündigung durchaus möglich sei, wenn sich ein Angestellter im Polizeidienst mit der Reichsbürgerideologie identifiziere. Es fehle dann an dem für die Tätigkeit im öffentlichen Dienst erforderlichen Mindestmaß an Verfassungstreue. Der öffentliche ArbG müsse keine ArbN beschäftigen, die das ihnen abzuverlangende Maß an Verfassungstreue nicht jederzeit aufbringen. Der ArbG sei auch nicht gehalten gewesen, den ArbN auf einem anderen – weniger sicherheitsempfindlichen – Arbeitsplatz einzusetzen.

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Reichsbürger 2

In einem Verfahren vor dem VG Hannover (28.4.22, 18 A 3735/21, Abruf-Nr. 234878) ging es um einen 58-jährigen Polizeihauptkommissar. Ihm sei nach Auffassung der Disziplinarkammer zu Recht vorzuwerfen, der sogenannten Reichsbürgerbewegung anzugehören und auf verschiedenen öffentlichen Veranstaltungen unter anderem der „Querdenkerszene“ Verschwörungstheorien verbreitet sowie staatliche Institutionen und deren Organe verunglimpft zu haben. So habe er ohne Anlass einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt, im Antragsformular „Geburtsstaat“ Preußen angegeben und seinen Bundespersonalausweis abgegeben mit dem Hinweis, diesen nicht mehr zu benötigen. Für dieses für die Reichbürgerszene typische Verhalten habe er keine nachvollziehbaren Gründe benennen können.

Das Niedersächsische OVG (14.3.23, 3 LD 7/22, Abruf-Nr. 234879) wies seine Berufung zurück. Nach Auffassung des VG und auch des OVG seien die oben genannten Handlungen eine schuldhafte Verletzung der Verfassungstreuepflicht im Sinne des § 33 Abs. 1 S. 3 Beamtenstatusgesetz. Die in seiner Freizeit öffentlichen Redebeiträge hätten dabei die Grenze sachlicher Kritik überschritten.

Auch die Veröffentlichung eines Links in einem sozialen Netzwerk zu Webseiten der Reichsbürger- bzw. Selbstverwaltungsbewegung durch eine Soldatin stelle eine ernsthafte Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr und der militärischen Ordnung dar und rechtfertige die fristlose Entlassung der Soldatin. Dies entschied das VG Stuttgart (9.3.22, 14 K 5778/21, Abruf-Nr. 234880).

Kernpflichten durch YouTube-Video verletzt

Stellt ein Polizeianwärter Videos ins Internet, die den Eindruck betrügerischen Verhaltens vermitteln, rechtfertigt dies Zweifel an seiner charakterlichen Eignung für den Polizeidienst und damit seine Entlassung. Zu diesem Ergebnis kam das VG Berlin (11.6.19, VG 28 L 157.19, Abruf-Nr. 209877). Der Antragsteller wurde 2017 auf Widerruf zum Kriminalkommissaranwärter ernannt. 2018 stellte er ein Video bei YouTube ein. Darin führt er an der Kasse eines Cafés ein fingiertes Telefonat mit dem angeblichen Geschäftsführer und gibt unter dem Vorwand einer Absprache Bestellungen auf, ohne diese zu bezahlen. Wegen dieses Videos und weiterer Verfehlungen wurde der Antragsteller entlassen. Er habe durch sein Verhalten gegen seine Kernpflichten als Polizeibeamter verstoßen. Aufgabe der Polizei sei es, Straftaten zu verhindern und aufzuklären, nicht aber für vermeintliche Betrugsmaschen – selbst als Sketch – zu werben. Von einer „künstlerischen Tätigkeit“ beim Werben für eine solche Tat im Internet könne keine Rede sein. Die Polizei habe zu Recht Zweifel an der charakterlichen Eignung (Siehe auch Praxishinweis 4).

Hintergrund | Im Mai 2024 haben die „Reichsbürger-Prozesse“ begonnen. Vor Gericht steht auch ein Soldat des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr.

Praxishinweis | Im ersten Teil berichteten wir über den Polizeibeamten „Officer Denny“ und dem Verbot, seinen privaten TikTok-Account mit Polizeibezug (er berichtet über seinen Alltag, beantwortet Fragen und führt Interviews) zu betreiben. Das bestätigte zwischenzeitlich auch das VG Berlin (18.3.24, 36 K 389/22) im Hauptsacheverfahren. Der Polizeibeamte habe Grenzen überschritten, insbesondere durch das Interview mit Clan-Chef Abou-Chaker, den er im Rahmen des Livestreams geduzt hatte. Die Öffentlichkeitsarbeit falle in den Aufgabenbereich der Berliner Polizei und liege nicht in der Hand von Privaten. Auch dass er den Account in Dienstkleidung durchführe, erwecke den Eindruck, dass er öffentlich handele.

Weiterführender Hinweis
  • Teil 1 Cannabis, Tattoos, WhatsApp-Posts = Dienstliche Gefahren für Polizeibeamte im Check in AA 24, 83

AUSGABE: AA 7/2024, S. 123 · ID: 50066870

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