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Kirchliche ArbeitgeberKirche und Kündigung: Eine Rechtsprechungsübersicht

Abo-Inhalt26.03.20241632 Min. Lesedauer

| Darf ein der katholischen Kirche zugeordneter ArbG das Arbeitsverhältnis allein aufgrund der Beendigung der Mitgliedschaft zur katholischen Kirche kündigen, wenn der ArbN während des Arbeitsverhältnisses aus der katholischen Kirche austritt? Und das, obwohl er von den ArbN im Übrigen nicht verlangt, dass sie der katholischen Kirche angehören? Diese Frage legte das BAG dem EuGH vor. |

Sachverhalt

Der beklagte Verein ist ein Frauen- und Fachverband in der katholischen Kirche in Deutschland, der sich der Hilfe für Kinder, Jugendliche, Frauen und ihren Familien in besonderen Lebenslagen widmet. Zu seinen Aufgaben gehört die Beratung von schwangeren Frauen. Die ArbN ist dort seit 18 Jahren in der Schwangerschaftsberatung beschäftigt. Von 2013 bis 2019 befand sie sich in Elternzeit.

Die ArbN erklärte 2013 ihren Austritt aus der katholischen Kirche. Der ArbG kündigte das Arbeitsverhältnis nach Beendigung der Elternzeit 2019 außerordentlich ohne Einhaltung einer Frist, hilfsweise ordentlich. Zuvor hatte der ArbG erfolglos versucht, die ArbN zum Wiedereintritt in die katholische Kirche zu bewegen. Zum Zeitpunkt der Kündigung beschäftigte der ArbG in der Schwangerschaftsberatung vier ArbN, die der katholischen Kirche und zwei ArbN, die der evangelischen Kirche angehörten.

Die Vorinstanzen (unter anderem Hessisches LAG 1.3.22, 8 Sa 1092/20) hielten beide Kündigungen für unwirksam.

Entscheidungsgründe

Der 2. Senat des BAG (1.2.24, 2 AZR 196/22 (A), Abruf-Nr. 240428) setzte das Verfahren über die Revision des ArbG aus. Er ersucht den EuGH, Fragen zur Auslegung des Unionsrechts zu beantworten. Es muss geklärt werden, ob die Ungleichbehandlung der ArbN mit ArbN, die niemals Mitglied der katholischen Kirche waren, vor dem Hintergrund des durch Art. 10 Abs. 1, Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.00 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf gewährleisteten Schutzes vor Diskriminierungen unter anderem wegen der Religion gerechtfertigt sein kann.

Relevanz für die Praxis

Die Vorlagefrage ist gerade im Hinblick auf die Besonderheiten von Arbeitsverhältnissen in Religionsgemeinschaften von hoher praktischer Relevanz (sogenannter 3. Weg). Die folgende Rechtsprechungsübersicht gibt einen Überblick über die kündigungsrechtlichen Besonderheiten in diesem Bereich.

Rechtsprechungsübersicht / 11 wichtige Entscheidungen zur Kirche und Kündigung

BAG Anerkenntnisurteil vom 14.12.23, 2 AZR 130/21, Vorlagebeschluss vom 21.7.22, Abruf-Nr. 230793

Kündigung einer Hebamme wegen Austritt aus Kirche vor dem Arbeitsverhältnis

BAG legte EuGH Frage vor, ob ein der katholischen Kirche zugeordnetes Krankenhaus eine ArbN allein deshalb als ungeeignet ansehen darf, weil sie vor Beginn des Arbeitsverhältnisses aus der katholischen Kirche ausgetreten ist. ArbG erkannte nach mündlicher Verhandlung vor EuGH die Revisionsanträge der ArbN an, wonach das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Mit Zustellung des auf Antrag der ArbN ergangenen Anerkenntnisurteils ist das Verfahren vor dem BAG abgeschlossen. Der EuGH (C-630/22) hob den Termin für den Vortrag der Schlussanträge am 11.1.24 auf.

BAG 20.2.19, 2 AZR 746/14, Abruf-Nr. 211802

Kündigung des Chefarztes eines katholischen Krankenhauses wegen Wiederheirat

Die Kündigung eines Chefarztes eines katholischen Krankenhauses nach Wiederheirat ist unwirksam, denn der Chefarzt hat keine wirksam vereinbarte Loyalitätspflicht oder berechtigte Loyalitätserwartung verletzt.

LAG Düsseldorf 12.9.18, 12 Sa 757/17, Abruf-Nr. 205990

Kirchenmusiker: Schadenersatz durchbricht Rechtskraft nicht

LAG wies Klage des ehemaligen Chorleiters einer katholischen Kirchengemeinde auf Schadenersatz in Höhe von 275.067 EUR ab. Klage war erfolglos, da das Arbeitsverhältnis durch Kündigung aufgrund neuer Partnerschaft nach Trennung von Ehefrau endete.

Arbeitsgericht Braunschweig 15.9.22, 7 Ca 87/22, Abruf-Nr. 231852 (auch: LAG Niedersachsen 27.6.23, 10 Sa 762/22, Abruf-Nr. 236355)

Kündigung, weil ArbN Leihmutterschaft überlegt?

Indem ein ArbN gegenüber dem kirchlichen ArbG erklärt, sich die Leihmutterschaft offenzuhalten, verstößt er nicht gegen eine konkrete Loyalitätsanforderung, die zu einer außerordentlichen bzw. ordentlichen Kündigung berechtigt.

BAG 25.10.18, 8 AZR 501/14, Abruf-Nr. 205679; 20.2.19, 2 AZR 746/14, Abruf-Nr. 211802

Ordentliche Kündigung – Ungleichbehandlung wegen der Religion

Ist sie nach der Art der Tätigkeit nicht gerechtfertigt, wird man davon ausgehen müssen, dass eine Ungleichbehandlung wegen der Religion vorliegt und eine Kündigung wegen der Verletzung der besonderen Loyalitätsanforderungen unwirksam ist.

BAG 25.4.13, 2 AZR 579/12, Abruf-Nr. 132392

Kündigung wegen Kirchenaustritts

Der Kirchenaustritt eines im verkündigungsnahen Bereich beschäftigten ArbN der katholischen Kirche rechtfertigt i. d. R. die außerordentliche Kündigung.

LAG Baden-Württemberg 10.2.21, 4 Sa 27/20, Abruf-Nr. 221214

Kündigung eines Kochs in einer evangelischen Kita wegen Kirchenaustritts

Die Tätigkeit eines Kochs in einer evangelischen Kita ist nicht mit dem Verkündigungsauftrag der Kirche verbunden. Sein Kirchenaustritt rechtfertigt keine Kündigung, da der Verbleib auch unter Beachtung des Ethos keine „wesentliche“ Anforderung an die Tätigkeit darstellt.

BAG 16.9.04, 2 AZR 447/03, Abruf-Nr. 042545

Kündigung während der Probezeit

Fristgemäße Kündigung in den ersten 6 Monaten der Beschäftigung kann nach § 242 BGB unwirksam sein, wenn sie gegen Treu und Glauben verstößt. Dann muss der ArbN die Tatsachen darlegen und ggf. beweisen, aus denen die Rechtsverletzung folgt.

LAG Hamm 25.3.21, 18 Sa 1197/20, Abruf-Nr. 223164

Kopftuch und Kirche

Krankenpflegerin muslimischen Glaubens, die im evangelischen Krankenhaus tätig ist und trotz wiederholter Abmahnung darauf beharrt, ihr Kopftuch zu tragen, verletzt ihre Neutralitätspflicht. Das kann eine außerordentlichen Kündigung rechtfertigen.

BAG 25.10.01, 2 AZR 216/00

Außerordentliche Änderungskündigung zur Tarifanpassung

Die Weigerung eines kirchlichen ArbN, einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zuzustimmen, die von allen anderen ArbN akzeptiert wurde, ist kein Verstoß gegen die Loyalitätspflichten und rechtfertigt keine Kündigung.

BAG 21.2.01, 2 AZR 139/00

Außerordentliche Kündigung einer kirchlichen ArbN wegen Loyalitätspflichtverletzung

Fristlose Kündigung ist ggü. ArbN im evangelischen Kindergarten gerechtfertigt, wenn diese in der Öffentlichkeit die abweichende Lehre der „Universalen Kirche“ verbreitet.

AUSGABE: AA 4/2024, S. 61 · ID: 49967113

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