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UrlaubsabgeltungKein Urlaubsanspruch für Zeiten der Kurzarbeit „null“ auch bei Arbeitsunfähigkeit

Abo-Inhalt22.03.2024431 Min. LesedauerVon RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FOM Hochschule Bremen

| Erkrankt der ArbN in einem Zeitraum, für den wirksam Kurzarbeit „null“ eingeführt worden ist, sind die ausgefallenen Arbeitstage bei der Berechnung des Urlaubsumfangs nicht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen. |

Sachverhalt

Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung. Streitentscheidend ist die Frage, wie die Urlaubsberechnung bei einer zeitlichen Überschneidung von Krankheit und Kurzarbeit „null“ zu erfolgen hat.

Der ArbN war beim ArbG bis zum 31.1.21 beschäftigt. Ab März 2020 war der ArbN durchgehend arbeitsunfähig erkrankt, sodass er bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen Urlaub mehr genommen hat. Im ersten Quartal 2020 hatte er den für diesen Zeitraum entstehenden Urlaub noch verbraucht. Die Parteien haben dann individualvertraglich eine coronabedingte Vereinbarung über die Durchführung von Kurzarbeit geschlossen. Die Arbeitszeit wurde mit Wirkung zum 1.4.20 auf null reduziert („Kurzarbeit null“).

Der ArbG meint, dass für diesen Zeitraum der Kurzarbeit null kein Urlaubsanspruch entstanden ist. Folglich könne auch kein Abgeltungsanspruch bestehen. Der ArbN begehrt dagegen die Abgeltung des restlichen Jahresurlaubs 2020, also den in die Kurzarbeit null fallenden Zeitraum. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab (LAG Schleswig-Holstein 29.9.22, 4 Sa 179/21).

Entscheidungsgründe

Das BAG (5.12.23, 9 AZR 364/22, Abruf-Nr. 239727) bestätigte die Entscheidung. Es bestehe kein Anspruch auf Abgeltung restlichen Urlaubs aus dem Jahr 2020. Voraussetzung dafür wäre das Bestehen noch offener Urlaubsansprüche zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das sei nicht der Fall. Vorliegend sei im Jahre 2020 nur ein Urlaubsanspruch für die ersten drei Monate entstanden. Dieser sei dem ArbN auch gewährt worden.

Der Umfang des Urlaubsanspruchs für das Jahr 2020 sei unter Berücksichtigung der kurzarbeitsbedingten Aufhebung der Arbeitspflicht zu berechnen gewesen. Dies folge aus dem Sinn und Zweck des Urlaubsrechts. Das Urlaubsrecht bestimme die Zahl der Urlaubstage ausgehend vom Erholungszweck des gesetzlichen Mindesturlaubs in Abhängigkeit von der Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht. Werde die Anzahl der Arbeitstage mit Arbeitspflicht verändert, sei der gesetzliche Urlaubsanspruch entsprechend neu zu berechnen. Für die Zeiten des vollständigen Entfallens der Arbeitspflicht aufgrund einer wirksam eingeführten Kurzarbeit entstehe folglich kein Urlaubsanspruch.

Daran ändere auch eine Erkrankung des ArbN nichts. Davon werde die durch die Kurzarbeit geänderte Verteilung der Arbeitszeit nicht berührt. Zwar könne grundsätzlich der – auch unionsrechtlich – gewährleistete Anspruch eines ArbN auf bezahlten Mindestjahresurlaub nicht dadurch eingeschränkt werden, dass der ArbN seiner Arbeitspflicht wegen einer Erkrankung im Bezugszeitraum nicht nachkommen konnte. Dies setze aber eine Arbeitspflicht voraus. Krankheitsbedingte Ausfallzeiten seien bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs nur dann wie Zeiten mit geleisteter Arbeit zu behandeln, wenn die Erkrankung auch kausal für den Wegfall der Arbeitspflicht gewesen sei. Dies gelte auch im Falle des Eintretens der Arbeitsunfähigkeit bereits vor der Einführung der Kurzarbeit unabhängig von Fragen der Entgeltfortzahlung oder des Krankengeldbezugs. Sozialversicherungsrechtliche Zuständigkeitsverteilungen zwischen Krankengeld- und Kurzarbeiteransprüchen würden sich nicht auf die Verbindlichkeit von Kurzarbeitsabreden auswirken. Entscheidend für das Entfallen des Urlaubsanspruchs sei einzig die wirksame Vereinbarung der Kurzarbeit „null.“

Relevanz für die Praxis

Die Entscheidung schafft nicht nur Rechtssicherheit, sondern kann auch inhaltlich überzeugen. Zwar setzt das jährlich erneute Entstehen des Urlaubsanspruchs nach den §§ 1, 3 BUrlG zunächst nur das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses als solches voraus. Dazu gehört jedoch auch das Bestehen einer Arbeitspflicht als solcher. Wird diese Pflicht suspendiert, kann der Sinn und Zweck des Erholungsurlaubs nicht verfolgt werden. Dies hat das BAG für die Fälle unbezahlten Sonderurlaubs (BAG 19.3.19, 9 AZR 315/17, Abruf-Nr. 207805) und den Fall der Passivphase einer Altersteilzeit im Blockmodell bereits entschieden (BAG 24.9.19, 9 AZR 481/18, Abruf-Nr. 211349). Die vorliegende Entscheidung bestätigt diese Linie.

Dem ist genauso beizupflichten wie der Feststellung, dass daran auch die Krankheit des ArbN nichts ändert. Auch ohne die Krankheit hätte aufgrund der Kurzarbeit „null“ keine Arbeitspflicht bestanden. Zudem ist ein erkrankter ArbN nicht von den arbeitsrechtlichen Folgen der Kurzarbeit ausgenommen, unabhängig vom Zeitpunkt der Erkrankung. Erkrankt der ArbN, bevor er die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld in seinem Betrieb erfüllt, erhält er neben dem Arbeitsentgelt als Krankengeld den Betrag des Kurzarbeitergelds gewährt, den er erhielte, wenn er nicht arbeitsunfähig wäre. Dies gilt, solange der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall besteht. Genau das ist auch von den Vertragsparteien gewünscht. Diese wollen durch die Einführung der Kurzarbeit das Ziel erreichen, dass dem ArbN staatliche Ersatzleistungen gewährt werden, unabhängig vom zuständigen Sozialversicherungsträger. Der 9. Senat bestätigt dies nunmehr auch im Ergebnis, sodass die Personalpraxis sich daran orientieren kann.

Weiterführende Hinweise
  • Rechtmäßige Kürzung von Urlaubsansprüchen für Zeiten der Elternzeit, Jesgarzewski in AA 19, 190
  • ArbN mit Altersteilzeitregel aus Sozialplan streichen = keine Altersdiskriminierung, Jesgarzewski in AA 22, 112

AUSGABE: AA 4/2024, S. 59 · ID: 49961584

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