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CME-Beitrag Polypharmazie: Einfluss auf Nährstoffaufnahme und Zahngesundheit
| Ältere Menschen sind sehr anfällig für einen Mangel an Mikronährstoffen. Polypharmazie erhöht diese Anfälligkeit weiter. Ein Forscherteam aus Portugal und Griechenland hat die bisher bekannten Wechselwirkungen von Nährstoffmangel, Medikamenteneinnahme, Mundgesundheitsproblemen und dem Auftreten systemischer Erkrankungen in einem „narrativen Review“ zusammengestellt [1]. |
Polypharmazie, Mikrobiota und Arzneimittel
Bei einer Polypharmazie treten die verschiedenen Pharmaka nicht nur untereinander in Wechselwirkung, sondern auch mit Nahrungsmitteln, dem Mikrobiom und physiologischen Prozessen, wie z. B. der Nährstoffaufnahme. Die Darmmikrobiota beeinflussen die Wirkung von Medikamenten durch enzymatische Veränderungen, welche Bioverfügbarkeit, Toxizität und therapeutische Wirksamkeit modifizieren. Gleichzeitig wirken Medikamente auf die bakterielle Zusammensetzung der Mikrobiota zurück, was die metabolischen und immunologischen Prozesse des Wirts beeinflusst. Diese bidirektionalen Interaktionen werden komplexer durch die zusätzliche Einnahme von Präbiotika, Probiotika oder Antibiotika. Probiotika („nützliche Bakterien“) fördern die Gesundheit weniger durch Besiedlung, sondern durch metabolische und genetische Modulation der Mikrobiota. Präbiotika sind „das Futter“ für die Probiotika, z. B. unverdauliche Kohlenhydrate aus Pilzen wie Chitin und β-Glucane. Da Pilzpräparate häufig als Adjuvantien bei Chemotherapien eingesetzt werden, besteht für Kliniker und Wissenschaftler dringender Bedarf, sich mit den potenziellen Wechselwirkungen zwischen Pilzen und Arzneimitteln in der Onkologie zu befassen.
Arzneimittel und Mundgesundheit
Medikamente wie Kortikosteroide beeinflussen den Kalzium- und Vitamin-D-Stoffwechsel negativ, was zu einem erhöhten Risiko für Knochenschwund und Zahnverlust führen kann. Protonenpumpenhemmer (PPIs) beeinträchtigen die Aufnahme von Vitamin B12, was sich negativ auf die Zahngesundheit auswirken kann. Dysbiotische Verschiebungen der oralen Mikrobiota tragen wesentlich zur Entstehung von Karies und Parodontitis bei. Besonders eine Parodontitis beeinflusst wiederum systemische Erkrankungen wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Chronische Entzündungen fördern Dysbiosen, die diese Erkrankungen verstärken. Medikamente gegen systemische Krankheiten verändern zusätzlich die orale Mikrobiota und die Nährstoffverfügbarkeit, was eine integrative Betrachtung notwendig macht.
Nährstoffe und Arzneimittelwechselwirkungen
Ein Mangel an Vitamin D, Kalzium und anderen Mikronährstoffen, die für die Zahngesundheit essenziell sind, ist bei älteren Menschen weit verbreitet. Diese Nährstoffe sind entscheidend für die Prävention von Karies. Nährstoffe wie L-Arginin (viel in Kürbiskernen, Nüssen, Fisch und Fleisch) können immunstimulierende Effekte haben, interagieren jedoch auch mit Medikamenten wie Blutverdünnern oder Antihypertensiva. Doch auch Krebszellen brauchen Arginin.
Arzneimittel, die die Darmperistaltik anregen oder die gastrointestinale Sekretion beeinflussen, führen zu einer verringerten Nährstoffaufnahme [2]. Dies kann auch eine Folge der Nebenwirkungen der Arzneimittel sein. Bestimmte Arzneimittel können zu Appetitveränderungen und Geschmacksveränderungen führen und die Ausscheidung von Vitaminen und Mineralstoffen modulieren und dadurch den Mikronährstoffspiegel im Körper stören.
Die Einnahme von Phytotherapeutika und Nahrungsergänzungsmitteln spielen in der zahnärztlichen Praxis dann eine Rolle, wenn sie die Behandlungsplanung beeinflussen [3]. Das sind insbesondere jene, die sich auf die Blutgerinnung auswirken (Aloe vera, Angelikawurzel, Chiasamen, Cranberry, Gingseng, Ginkgo biloba, Ingwer, Kamille, Knoblauch, Kurkuma, Mutterkraut, Sägepalme (Früchte)). Diese sollten deshalb vor einem zahnärztlich chirurgischen Eingriff abgesetzt werden.
Das Wichtigste in Kürze |
Die Studie betont die Dringlichkeit, orale und systemische Gesundheit miteinander zu verknüpfen, um die Lebensqualität älterer Menschen zu verbessern. Der Zugang zu präventiver Zahnmedizin und eine ausgewogene Ernährung sind entscheidend, um u. a. die Wurzelkaries als typische Kariesform älterer und pflegebedürftiger Menschen einzudämmen. Zahnärzte sollten die Medikamentenanamnese wegen der Auswirkungen von Polypharmazie und Nährstoffmangel auf die Zahngesundheit sorgfältig berücksichtigen. |
- [1] Bell V, Rodrigues AR, Antoniadou M, Peponis M, Varzakas T, Fernandes T. An Update on Drug-Nutrient Interactions and Dental Decay in Older Adults. Nutrients. 2023 Nov 23;15(23):4900. doi.org/10.3390/nu15234900.
- [2] Farag MA, Hamouda S, Gomaa S, Agboluaje AA, Hariri MLM, Yousof SM. Dietary Micronutrients from Zygote to Senility: Updated Review of Minerals‘ Role and Orchestration in Human Nutrition throughout Life Cycle with Sex Differences. Nutrients. 2021 Oct 23;13(11):3740. doi.org/10.3390/nu13113740.
- [3] Halling F. Zahnärztlich relevante Interaktionen von Medikamenten, Nahrungsmittel und Phytotherapeutika. Die zahnärztliche Praxis 2021;65(9/10): 22-26; iww.de/s12067.
AUSGABE: ZR 1/2025, S. 14 · ID: 50243817