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ZR-Fachgespräch„Der Implantatausgang aus der Mukosa entscheidet über den Langzeiterfolg!“
| Optimales Weichgewebsmanagement ist der Schlüssel zum Langzeiterfolg von Implantatversorgungen. Es beginnt idealerweise bereits im Vorfeld der Implantatplanung. Was hier besonders wichtig ist, erläutert Zahnarzt, Buchautor, Wissenschaftler und Spezialist für Implantologie und Parodontologie Prof. Dr. med. dent. Stefan Fickl aus Fürth im ZR-Fachgespräch. Er verbindet dabei seine Erfahrungen aus Wissenschaft und Praxis mit praxisrelevanten Tipps und erläutert z. B., warum er Knochenersatzmaterial nicht mehr mit steriler Kochsalzlösung, sondern nur noch mit Hyaluronsäure anmischt. |
Redaktion: Herr Prof. Fickl, Sie sagen, dass Implantate ihren Ausgang in der Gingiva haben. Warum ist das so?
Fickl: Nun, wie bei Parodontitis beginnen die meisten Erkrankungen im Bereich der Weichgewebe. Das gilt um natürliche Zähne für die Gingivitis, die sich in manchen Fällen zu einer manifesten Parodontitis weiterentwickeln kann. Noch viel klarer ist der Zusammenhang zwischen peri-implantärer Mukositis (also der rein weichgeweblichen Entzündung um Implantate) und der Periimplantitis. Knöcherne Destruktionen durch eine Periimplantitis haben immer ihren Ausgang in einer lokalisierten Entzündung in den periimplantären Weichgeweben. Daher ist der Ausgang der Implantate aus der Mukosa einer der entscheidenden Punkte beim Langzeiterhalt von Implantaten.
Redaktion: Eine Sofortimplantation ist verführerisch und sie wird oft damit beworben, dass der Verzicht auf Aufklappung gut für die Ästhetik der Gingiva ist. Trotzdem setzen Sie in Ihrer Praxis in nur unter fünf Prozent der Fälle Sofortimplantate. Warum sind Sofortimplantate dem klassisch gestuften Verfahren aus Ihrer Sicht in den meisten Fällen noch unterlegen?
Fickl: Die Sofortimplantation kann nur bei bestimmten Voraussetzungen durchgeführt werden. Dazu zählen eine intakte Knochenwand der Extraktionsalveole sowie die Abwesenheit von akuten Entzündungen. Dies impliziert, dass viele Indikationen, in denen wir Zähne entfernen müssen, z. B. aufgrund einer manifesten und weit fortgeschrittenen Parodontitis, für dieses Verfahren nicht geeignet sind. Prinzipiell kann man aber schon sagen, dass, wenn die Indikationen gegeben sind, die Sofortimplantation ein Verfahren ist, das von der Tendenz her bessere ästhetische Ergebnisse erzielt und deutlich schonender für den Patienten ist. Die wissenschaftlichen Daten zeigen dies relativ klar.
Redaktion: Nach Explantation sollte man nicht einen gleichzeitigen Knochenaufbau machen, sondern mit der Weichgewebeaugmentation starten – warum ist das wichtig und richtig?
Fickl: Das kommt sicherlich ein wenig auf die Region an, in der ein Implantat entfernt werden muss. Ich persönlich – aber dazu gibt es keine wissenschaftlichen Untersuchungen – habe keine wirklich guten Erfahrungen mit der gleichzeitigen knöchernen Augmentation nach Implantatexplantation gemacht. Vermutlich liegt das daran, dass die Explantation doch relativ traumatisch für den benachbarten Knochen ist und diese „Schädigung“ die knöcherne Regeneration erschwert.
In der ästhetischen Zone bevorzuge ich daher die weichteilige Augmentation zur Verbesserung der Voraussetzungen für den implantologischen oder augmentativen Eingriff.
In der posterioren Zone wende ich in diesen Situationen gerne eine einfache Abheilung an und würde dann nach weichteiligem Verschluss die knöcherne Augmentation ggf. in Kombination mit der erneuten Implantation anstreben.
Redaktion: Was sind in der zahnärztlichen Praxis die drei häufigsten Fehler im Weichgewebemanagement?
Fickl: Der größte Fehler ist sicherlich das fehlende Weichgewebsmanagement. Implantate sollten eine adäquat dimensionierte Weichteilmanschette von ca. 3 mm supra-alveolärer Höhe haben. Zusätzlich sollte auch eine gewisse Menge an befestigter Mukosa vorhanden sein, die Zugbewegungen von Lippe und Wange verringern und vermeiden. Diese weichgeweblichen Aspekte sollten in vielen Fällen schon vor der eigentlichen Implantation bedacht und ggf. auch korrigiert werden.
Auch die Freilegung der dentalen Implantate ist ein ganz wichtiger Eingriff, der oft als „schnelles Öffnen“ der Implantate verschätzt wird. In diesem Eingriff versuche ich meist, diese Dimensionen um das Implantat so aufzubauen und zu konditionieren, dass das eine Implantat langfristig stabile Weichgewebssituation hat.
Redaktion: Welche Rolle spielt die aufstrebende Hyaluronsäure bei Ihnen in der Praxis, wann verwenden Sie diese?
Fickl: Hyaluronsäure hat in der Tat über die letzten zehn Jahre deutlich an Bedeutung gewonnen. Der Hintergrund ist, dass Hyaluronsäure ein potenter Wundheilungsbeschleuniger ist, der zudem auch noch regenerative Kapazitäten auf Hart- und Weichgewebe hat. Für uns ist dieser Vorteil ein ganz entscheidender. Ganz im Gegensatz zu Blutprodukten wie z. B. PRF, PRGF und PRP hat Hyaluronsäure nachweislich einen Effekt auf eine schnellere Knochenheilung und verbessert die mechanischen Eigenschaften des Knochenersatzmaterials. Unsere Forschungsgruppe konnte dies vor Kurzem anhand von Biopsien nach Knochenaugmentation wissenschaftlich zeigen. Daher wurde das Anmischen des Knochenersatzmaterials mit steriler Kochsalzlösung in unserem Hause komplett aufgegeben zugunsten der Anmischung eines Knochenersatzmaterials mit Hyaluronsäure. Hierbei entsteht ein teigiges, sehr gut zu handelndes Knochenersatzmaterial und die knöcherne Heilung wird auch noch verbessert!
Redaktion: Dass Provisorium spielt im Weichgewebsmanagement und für die abschließende Ästhetik eine entscheidende Rolle. Was gilt es hier aus Ihrer Sicht zu beachten, z. B. bezüglich der Kontur des Provisoriums oder hinsichtlich Pontics in komplexeren Fällen?
Fickl: Das Provisorium spielt aus zwei Aspekten eine Rolle. Erstens sollte ein Provisorium in der frühen Heilungsphase, z. B. nach umfangreichen Hart- und Weichgewebsaugmentationen, nicht die Wundheilung behindern. Dies kann z. B. bei herausnehmbaren Provisorien sehr leicht geschehen durch den ständigen und teilweise auch flächigen Druck auf die Wunde. Daher strebe ich in diesen Situationen trotz der höheren Kosten und des größeren Aufwandes fast immer ein festsitzendes Provisorium an. Und zweitens dient im Bereich von Sofortimplantationen das festsitzende Provisorium (z. B. als Sofortversorgung) sowohl zur Versiegelung der Extraktionswunde als gleichzeitig auch als Stütze für die umliegenden Weichgewebe.
Redaktion: Herr Prof. Fickl, vielen Dank für das Gespräch!
AUSGABE: ZR 5/2024, S. 7 · ID: 49989586