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CME-BeitragRezessionsbehandlung: subepitheliales Bindegewebstransplantat vs. Weichgewebeersatzmaterial
| Was ist besser zur Behandlung von Rezessionen? Ein subepitheliales Bindegewebstransplantat plus koronalem Verschiebelappen oder Alternativen aus nicht autogenem Gewebe plus diesem Lappen? |
Vorgaben und Techniken
Transplantationen von Weichgewebe zur Vergrößerung der Breite des keratinisierten Gewebes spielen eine wichtige Rolle in der parodontalen Behandlung und auch bei Deckungen von Weichgewebsdefekten anderer Ursachen (klassische Putzdefekte, singuläre Defekte in der UK-Front, die mit einer KFO-Behandlung assoziiert sind etc.). Bei optimaler Plaquekontrolle kann eine parodontale Stabilität unabhängig von der Breite des keratinisierten Gewebes (Gingiva) erreicht werden. Bei suboptimaler Plaquekontrolle sind dagegen 2 mm an keratinisiertem Gewebe notwendig, wovon 1 mm befestigt sein sollte. Ein vorhersehbarer Gewinn von keratinisiertem Gewebe ist mit einer Zahnfleischtransplantation möglich [1,2].
Für die Deckung der gingivalen Rezession gibt es zahlreiche chirurgische Techniken, die über Jahrzehnte hinweg beschrieben wurden. Bei der Abdeckung werden eingesetzt:
- Lappentechniken (u. a. koronaler oder lateraler Verschiebelappen)Chirurgische Techniken zur Deckung der gingivalen Rezession
- freie Weichgewebstransplantate (u.a. freies Schleimhauttransplantat (FST) / ein- oder zweizeitig oder Bindegewebstransplantat (BGT) + koronaler Verschiebelappen (KVL) oder BGT + lateraler Verschiebelappen)
- Additive Behandlungen (u. a. Schmelz-Matrix-Proteine oder azelluläre dermale Matrix) [1].
Der Goldstandard
Während das in den frühen 1970er-Jahren aufkommende FST aufgrund seiner suboptimalen Integration in das umliegende Weichgewebe heute nicht mehr empfohlen wird, ist der KVL plus Unterlegung mit einem autogenen BGT heute Goldstandard bei der Behandlung von singulären und multiplen Rezessionen. Diese Weiterentwicklung des FST hat den Vorteil der marginalen Weichgewebsverdickung, der optimalen Integration in das umliegende Weichgewebe sowie der Deckung der exponierten Wurzeloberflächen. Was das Design des Lappens angeht, gab es im Laufe der Jahre viele Modifikationen des KVLs.
Die Wirksamkeit der verschiedenen Verfahren bei der Behandlung einzelner und mehrerer gingivaler Rezessionen wurde in der Literatur vielfach untersucht und zeigt seit Jahren die gleichen Ergebnisse: Das subepitheliale BGT in Verbindung mit dem KVL funktioniert am besten, gleich welche Parameter zugrunde gelegt werden (mittlere und vollständige Wurzeldeckung, Ästhetik, marginale Weichgewebsverdickung, Langzeitstabilität) [1,3]. Geeignet sind weiter (Nennung in absteigender Reihenfolge) azelluläre dermale Matrixtransplantate (ADMG) + KVL, Schmelzmatrixdrivate (EMD) + KVL, xenogene Kollagenmatrix (CM) + KVL und KVL allein.
Nr. 1 der Alternativen
Der wesentliche Nachteil eines BGT ist zweifelsohne die Entnahmemorbidität. Eine Studie zum Wundverschluss der Donorstelle nach FST-Entnahme [4] berichtet über die aus Sicht des Patienten nicht angenehme Transplantatentnahme, die u. a. zu hoher postoperativer Schmerzmitteleinnahme und einer geringeren Bereitschaft zur erneuten Behandlung führte, auch wenn verschiedene Wundauflagemodalitäten wie z. B. der zusätzliche Einsatz von plättchenreichem Fibrin (PRF) den Analgetikaverbrauch reduzierte und eine höhere Bereitschaft für eine erneute Behandlung induzierte. Darüber hinaus wird berichtet, dass die Entnahme des BGT zwar komplikationsarm, aber nicht komplikationsfrei ist, wie z. B. im Fall einer Einblutung am Gaumen [1].
An Nummer 1 der Alternativen zu autogenem Gewebe steht die azelluläre dermale Matrix porcinen Ursprungs (ADMG). Während sich das intraoperative Vorgehen nicht von der Handhabung autogenen Gewebes unterscheidet, dauern Heilung und die Remodellierungsphase länger. Darüber hinaus ist eine ADMG techniksensitiver im Vergleich zur Anwendung von Eigengewebe [1]. Eine Metaanalyse [5] bestätigte, wie die schon genannte Studie um Chambrone et al. [3], dass eine ADMG – obwohl sie mehr Vor- als Nachteile hat – noch nicht an den Goldstandard BGT herankommt: Bei Verwendung von BGTs wurden bessere Ergebnisse in Bezug auf mittlere und vollständige Wurzeldeckung sowie auf den Gewinn an keratinisiertem Gewebe erzielt. Allerdings konnte mit der ADMG-Anwendung die OP-Zeit signifikant verkürzt und die postoperativen Beschwerden gesenkt werden. Unterschiede hinsichtlich der ästhetischen Parameter traten keine auf [1].
Praxistipp | Ein spannungsfreier primärer Wundverschluss über der Kollagenmatrix verhindert die frühzeitige Exposition und Resorption der Matrix. Außerdem sollte die Matrix nach der Rehydrierung flexibel, aber ausreichend stabil sein [1]. |
Unterstützung von ADMG durch Schmelzmatrixderivate klinisch sinnvoll?
Könnte die Anwendung eines Schmelzmatrixderivates (EMD) zusätzlich zu einer xenogenen Kollagenmatrix (CM) bei Behandlung mit einem KVL die klinischen Ergebnisse der Rezessionsdeckung verbessern? Diese Frage stellten sich brasilianische Forscher in ihrer klinischen Studie [6] und kamen zu dem Ergebnis, dass aufgrund der gemessenen Vergleichswerte zu Rezessionshöhe, Sondierungstiefe, klinischer Attachmentlevel sowie Breite und Dicke des keratinisierten Gewebes nach der Behandlung mit einem KVL allein, einem KVL + CM, einem KVL + EMD und einem KVL + CM + EMD eine Kombinationstherapie von CM und EMD bei einem KVL nicht gerechtfertigt ist.
Fazit | Autologe Transplantate werden nach wie vor gebraucht, aber auch die Ersatzmaterialien werden weiterentwickelt, um möglichst nahe an die Ergebnisse von autologen Transplantaten zu kommen. |
Das Wichtigste in Kürze |
Bindegewebstransplantat + Verschiebelappen nach wie vor Goldstandard Für die Rezessionsdeckung ist das subepitheliale Bindegewebstransplantat + koronaler Verschiebelappen nach wie vor Goldstandard. Exogene Kollagenmatrizes kommen an diesen Goldstandard nach wie vor nicht heran, sind aber in der täglichen Praxis eine mögliche Alternative zu autogenem Gewebe und können heute erfolgreich für die Behandlung singulärer und multipler Rezessionen eingesetzt werden. Ihr größter Vorteil ist, dass die Gewebeentnahme entfällt, gleichzeitig ist in der Anwendung ihre Techniksensitivität zu beachten. Eine Kombinationstherapie von xenogenen Kollagenmatrizes mit Schmelzmatrixderivaten in der Rezessionsdeckung ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht gerechtfertigt. |
- [1] Kasaj A. Moderne Verfahren zur Rezessionsdeckung: Wann, wie und womit? Vortrag auf dem 71. Winterfortbildungskongress der ZKN, 01.-03.2024
- [2] Scheyer ET, Sanz M, Dibart S, Greenwell H, John V, Kim DM, Langer L, Neiva R, Rasperini G. Periodontal soft tissue non-root coverage procedures: a consensus report from the AAP Regeneration Workshop. J Periodontol. 2015 Feb;86(2 Suppl):S73-6. doi.org/10.1902/jop.2015.140377.
- [3] Chambrone L, Ortega MAS, Sukekava F, Rotundo R, Kalemaj Z, Buti J, Prato GPP. Root coverage procedures for treating single and multiple recession-type defects: An updated Cochrane systematic review. J Periodontol. 2019 Dec;90(12):1399-1422. doi.org/10.1002/JPER.19-0079.
- [4] Basma HS, Saleh MHA, Abou-Arraj RV, Imbrogno M, Ravida A, Wang HL, Li P, Geurs N. Patient-reported outcomes of palatal donor site healing using four different wound dressing modalities following free epithelialized mucosal grafts: A four-arm randomized controlled clinical trial. J Periodontol. 2023 Jan;94(1):88-97. doi.org/10.1002/JPER.22-0172.
- [5] Xu C, Wang Q, Chen J, Wu Y, Zhao L. Collagen Matrix for Periodontal Plastic Surgery Procedures: A Meta-analysis Update. Int J Periodontics Restorative Dent. 2019 Jul/Aug;39(4):e129-e155. iww.de/s10694.
- [6] Sangiorgio JPM, Neves FLDS, Rocha Dos Santos M, França-Grohmann IL, Casarin RCV, Casati MZ, Santamaria MP, Sallum EA. Xenogenous Collagen Matrix and/or Enamel Matrix Derivative for Treatment of Localized Gingival Recessions: A Randomized Clinical Trial. Part I: Clinical Outcomes. J Periodontol. 2017 Dec;88(12):1309-1318. doi.org/10.1902/jop.2017.170126.
AUSGABE: ZR 5/2024, S. 17 · ID: 49989598