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BilanzRückstellungen (Teil 4): So ermitteln Vermittler die Urlaubsrückstellung „Bp-sicher“
| Viele Vermittler stehen vor Bilanzierungsfragen. Sind Rückstellungen zu bilden? Wofür? In welcher Höhe? Und worin besteht eigentlich der Vorteil? VVP nimmt das zum Anlass, die wichtigsten Rückstellungen für Vermittler in einer Serie grundlegend zu analysieren und praxisgerecht mit Berechnungsbeispielen aufzubereiten. In Teil 4 zeigt VVP anhand eines Musterbeispiels, wie für den nicht genommenen Urlaub der bei Ihnen beschäftigten Mitarbeiter bereits jetzt eine gewinnmindernde Rückstellung gebildet wird. |
Inhaltsverzeichnis
- Urlaubstage in das Folgejahr übertragen
- Schritt 1: Ermittlung des Urlaubsentgelts (Jahresarbeitsentgelt)
- Schritt 2: Ermittlung der Arbeitstage je Jahr
- Schritt 3: Ermittlung der Resturlaubstage
- Schritt 4: Ermittlung der Urlaubsrückstellung
- Vereinfachung: Die Durchschnittsmethode
- Exkurs: Überstunden und Rückstellung
Urlaubstage in das Folgejahr übertragen
Das Bundesurlaubsgesetz legt fest, dass der den Arbeitnehmern zustehende Urlaub grundsätzlich in dem Kalenderjahr genommen werden muss, in welchem der Anspruch darauf erworben wurde. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, den Urlaub in das Folgejahr zu übertragen: Entweder weil Sie als Arbeitgeber diesem zustimmen, oder weil dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe (z. B. Krankheit) es verhindern, den Urlaub schon im laufenden Jahr zu nehmen. Immer dann, wenn der Urlaub in das Folgejahr übertragen wird, besteht für Sie ein Erfüllungsrückstand. Dieser verpflichtet Sie dazu, für den noch nicht genommenen Urlaub eine gewinnmindernde Urlaubsrückstellung zu bilden.
Musterbeispiel für die Ermittlung einer Urlaubsrückstellung |
Bei Vermittler V haben die zwei in Vollzeit beschäftigte Backoffice-Mitarbeiter S und F zum 31.12.2022 ihren Urlaub nicht vollständig genommen. V hat folgende Zahlen für die Arbeitnehmer ermittelt. Zudem hat V den Arbeitnehmern im Januar 2023 eine Gehaltserhöhung von fünf Prozent gewährt. |
Wichtig | Damit Sie in der Praxis eine „Bp-sichere“ Urlaubsrückstellung ermitteln, ist es unerlässlich, im Vorfeld die im Beispiel aufgeführte Daten zusammenstellen. Bei der auf Basis dieser Zahlen möglichen konkreten Be-rechnung der Rückstellung ist jedoch zu beachten, dass die Rückstellung für Zwecke der Steuer- und Handelsbilanz unterschiedlich zu ermitteln ist. Das Prozedere zeigen folgende Berechnungsschemata, die Sie als Muster übernehmen können.
Schritt 1: Ermittlung des Urlaubsentgelts (Jahresarbeitsentgelt)
Das Urlaubsentgelt ermittelt sich für Zwecke der Steuer- und Handelsbilanz wie folgt:
Steuerbilanz
Maßgebend sind die jährlichen Bruttoarbeitslöhne bzw. Gehälter, welche zum Bilanzstichtag vereinbart sind. Damit scheidet die Berücksichtigung künftiger Gehaltserhöhungen aus. Ebenfalls bleiben z. B. vermögenswirksame Leistungen außer Ansatz, weil es sich um keinen Bestandteil vom Lohn bzw. Gehalt handelt. Daneben sind die Arbeitgeberbeiträge zu den Sozialversicherungen sowie die Beiträge zur Berufsgenossenschaft mit den jeweiligen Jahreswerten anzusetzen.
Sollten den Mitarbeitern Sonderzahlungen zustehen (z. B. Weihnachtsgeld), ist zu differenzieren: Soweit sich die Sonderzahlungen aus dem jeweiligen Tarif- oder Anstellungsvertrag ergeben und ohne weitere Vereinbarung jährlich gezahlt werden, sind sie in die Berechnung einzubeziehen. Sollte es sich um jährlich neu zu vereinbarende Sonderzahlungen handeln (z. B. ein freiwilliges Weihnachtsgeld), darf dieses in der Berechnung nicht berücksichtigt werden. Die Berechnung kann deshalb wie folgt vorgenommen werden (BFH, Urteil vom 10.03.1993, Az. I R 70/91):
Ermittlung des Urlaubsentgelts in der Steuerbilanz | |
Jährlich neu zuvereinbarendeSonderzahlungbleibt außen vor Vereinbartes Bruttoarbeitsentgelt p. a. (ohne Gehaltssteigerungen) | |
./. | Anteile die kein Lohnbestandteil sind (z. B. vermögenswirksame Leistungen) |
./. | Freiwillige Sonderzahlung (z. B. freiwilliges Weihnachts-/Urlaubsgeld) |
+ | Arbeitgeberanteile zu den Sozialversicherungen (KV, PV, RV, AV) |
+ | Beiträge zur Berufsgenossenschaft |
+ | Urlaubsgeld, sofern dieses noch nicht ausgezahlt wurde |
+ | sonstige lohnabhängige Nebenkosten |
= | Maßgebendes jährliches Urlaubsentgelt |
Handelsbilanz
In der Handelsbilanz sind als Ausfluss des handelsrechtlich gebotenen Vorsichtsprinzips bereits die im Folgejahr voraussichtlich anfallenden Kosten für die noch nicht genommenen Urlaubstage maßgebend. Deshalb beziehen sich sämtliche dargestellten Berechnungspositionen auf die Werte des Folgejahres. Das bedeutet, das z. B. Gehaltssteigerungen und Erhöhungen bei den Sozialversicherungen in die Rückstellungsberechnung einzubeziehen sind. Ferner werden auch vermögenswirksame Leistungen sowie regelmäßig freiwillig gewährte Einmalzahlungen wie ein freiwilliges Weihnachtsgeld berücksichtigt.
Ermittlung des Urlaubsentgelts für Handelsbilanz und Steuerbilanz | ||||
Handelsbilanz | Steuerbilanz | |||
Mitarbeiter | S | F | S | F |
Bruttojahresgehalt | 40.000 Euro | 45.000 Euro | 40.000 Euro | 45.000 Euro |
./. Weihnachtsgeld | – | – | ./. 3.000 Euro | ./. 3.200 Euro |
Zwischensumme | 40.000 Euro | 45.000 Euro | 37.000 Euro | 41.800 Euro |
+ AG-Anteil SV (20 %) | 8.000 Euro | 9.000 Euro | 7.400 Euro | 8.360 Euro |
Zwischensumme | 48.000 Euro | 54.000 Euro | 44.400 Euro | 50.160 Euro |
+ Gehaltserhöhung | 2.400 Euro | 2.700 Euro | – | – |
Urlaubsentgelt | 50.400 Euro | 56.700 Euro | 44.400 Euro | 50.160 Euro |
Schritt 2: Ermittlung der Arbeitstage je Jahr
Im zweiten Schritt werden die Arbeitstage je Jahr ermittelt:
Steuerbilanz
Da es sich bei dem im ersten Schritt ermittelten Urlaubsentgelt um einen Jahresbetrag handelt, muss dieses für die Steuerbilanz durch die Anzahl der jährlichen Arbeitstage geteilt werden. So ergibt sich das Urlaubsentgelt je Urlaubstag. Für die Steuerbilanz ist die Zahl der regulären Arbeitstage maßgebend. Bei einer Fünf-Tage-Woche (Mo. – Fr.) sind das also die Werktage im Kalenderjahr abzüglich der auf Werktage entfallenden Feiertage. Abzüge für Urlaubstage und durchschnittliche Krankheitstage sind nicht vorzunehmen.
Handelsbilanz
Für die Handelsbilanz sind dagegen die im kommenden Jahr tatsächlich erwarteten Arbeitstage maßgebend. Folglich ist von den regulären Arbeitstagen je Kalenderjahr (z. B. 52 Wochen x 5 Tage) auszugehen abzgl. der auf diese Arbeitstage entfallenden Feiertage, der dem Arbeitnehmer zustehenden Urlaubstage sowie der durchschnittlich zu erwartenden Krankheitstage (nach dem Durchschnitt der letzten Jahre). Die Anzahl der maßgebenden Tage ist folglich erheblich geringer als die ermittelte Anzahl für die Steuerbilanz.
Ermittlung der Arbeitstage je Jahr für Handelsbilanz und Steuerbilanz | ||||
Handelsbilanz | Steuerbilanz | |||
Mitarbeiter | S | F | S | F |
Jährliche Arbeitstage (52 W x 5 T) | 260 Tage | 260 Tage | 260 Tage | 260 Tage |
./. Feiertage auf Werktage | ./. 9 Tage | ./. 9 Tage | ./. 9 Tage | ./. 9 Tage |
./. Urlaubstage | ./. 25 Tage | ./. 30 Tage | - | - |
./. Krankheitstage | ./. 3 Tage | ./. 7 Tage | - | - |
Maßgebende Arbeitstage | 223 Tage | 214 Tage | 251 Tage | 251 Tage |
Wichtig | Für die Steuerbilanz gestattet der BFH zur Vereinfachung, dass bei einer Fünf-Tage-Woche pauschal 250 Arbeitstage angesetzt werden können (BFH, Beschluss vom 29.01.2008, Az. I B 100/07). Entsprechend sind bei einer Vier-Tage-Woche z. B. nur 200 Tage (250 Tage : 5 Tage x 4 Tage) oder bei einer Drei-Tage-Woche nur 150 Tage (250 Tage : 5 Tage x 3 Tage) anzusetzen.
Schritt 3: Ermittlung der Resturlaubstage
Die Ermittlung der Resturlaubstage ist für die Steuer- und Handelsbilanz identisch. Es wird die Summe der zum Bilanzstichtag noch nicht genommenen Urlaubstage des Arbeitnehmers ermittelt. Dabei sind nur noch wirklich zustehende Urlaubstage anzusetzen. Sind Urlaubstage aus Altjahren bereits verfallen oder verjährt, dürfen diese nicht berücksichtigt werden.
Ermittlung der Resturlaubstage für Handelsbilanz und Steuerbilanz | ||||
Handelsbilanz | Steuerbilanz | |||
Mitarbeiter | S | F | S | F |
Resturlaubstage | 10 | 22 | 10 | 22 |
Schritt 4: Ermittlung der Urlaubsrückstellung
Nachdem die obigen drei Faktoren ermittelt wurden, lässt sich aus diesen die Höhe der Rückstellung sowohl für die Steuer- als auch für die Handelsbilanz berechnen. Es wird das Ergebnis aus Schritt 1 (Urlaubsentgelt) genommen, durch das Ergebnis aus Schritt 2 (Arbeitstage je Jahr) geteilt und dann mit dem Ergebnis aus Schritt 3 (Resturlaubstage) multipliziert. Da die Urlaubstage regelmäßig im kommenden Jahr genommen werden und die Rückstellung damit weniger als zwölf Monate läuft, unterbleibt sowohl in der Steuer- als auch in der Handelsbilanz eine Abzinsung der Rückstellung (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e EStG bzw. § 253 Abs. 2 S. 1 HGB).
Ermittlung der Urlaubsrückstellung in Handelsbilanz und Steuerbilanz | ||||
Handelsbilanz | Steuerbilanz | |||
Mitarbeiter | S | F | S | F |
Urlaubsentgelt | 50.400 Euro | 56.700 Euro | 44.400 Euro | 50.160 Euro |
: Arbeitstage | 223 Tage | 214 Tage | 251 Tage | 251 Tage |
Urlaubsentgelt je Tag | 226,01 Euro | 264,95 Euro | 176,89 Euro | 199,84 Euro |
x Resturlaub | 10 Tage | 22 Tage | 10 Tage | 22 Tage |
Rückstellungsbetrag | 2.260,10 Euro | 5.828,90 Euro | 1.768,90 Euro | 4.396,48 Euro |
Summe Rückstellung | 8.089,00 Euro | 6.165,38 Euro |
Vereinfachung: Die Durchschnittsmethode
Alternativ zu der bereits oben dargestellten Individualmethode (die Rückstellung wird individuell für jeden Arbeitnehmer ermittelt) kann zur Verein- fachung auch die Durchschnittsmethode angewandt werden. Bei dieser werden zunächst sämtliche Arbeitnehmer in Gruppen aufgeteilt, z. B.
- a) nach der beruflichen Tätigkeit (Bürokräfte /Außendienstler),
- b) der beruflichen Stellung (Lohn-/Gehaltsempfänger) oder
- c) dem Umfang der Arbeitszeit (Vollzeitkräfte/Teilzeitkräfte).
Im zweiten Schritt wird mit Durchschnittswerten weitergerechnet und die Rückstellung auf dieser Basis für alle Arbeitnehmer hochgerechnet. Für die Praxis bietet es sich an, gleich mehrere Kriterien für die Gruppenbildung miteinander zu kombinieren. Der Vorteil bei der Durchschnittsmethode im Vergleich zur Individualmethode liegt darin, dass die Berechnung insgesamt vereinfacht und verkürzt wird, was insbesondere bei Beschäftigung einer Vielzahl von Arbeitnehmern zu einer deutlichen Arbeitsersparnis führt. Nachteilig ist, dass die Rückstellung der Höhe nach nicht mehr so exakt wie bei der Individualmethode berechnet wird.
Wichtig | Haben Sie sich für eine der Methoden entschieden (Individualmethode oder Durchschnittsmethode), dann müssen Sie die Rückstellung auch in den Folgejahren nach der gewählten Methode ermitteln. Ein Methodenwechsel ist nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig und kann nicht willkürlich – zur Aufwandsverschiebung – vorgenommen werden.
Musterbeispiel für die Ermittlung einer Urlaubsrückstellung nach der Durchschnittsmethode |
Vermittler V möchte die Urlaubsrückstellung zum 31.12.2022 nach der Durchschnittsmethode ermitteln. Er hat seine Arbeitnehmer in Bürokräfte und Außendienstler unterteilt und folgende Daten ermittelt. Zudem hat V im Januar 2023 eine Gehaltserhöhung von fünf Prozent gewährt. |
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Exkurs: Überstunden und Rückstellung
Hat ein Mitarbeiter zum Bilanzstichtag neben seinem Resturlaub auch vergütungsfähige Überstunden angesammelt, können Sie für diese im kommenden Jahr noch zu vergütenden Überstunden keine Rückstellung bilden. Denn: Es handelt sich um keine ungewisse Verbindlichkeit, da der Lohn bzw. die Überstundenvergütung feststehen. Allerdings sind Überstundenvergütungen und noch nicht ausgezahlte Arbeitslöhne als Verbindlichkeit in der Bilanz auszuweisen und wirken sich gewinntechnisch wie Rückstellungen aus.
Sammelt Ihr Mitarbeiter aber Überstunden in Arbeitszeitkonten an, liegt für zum Bilanzstichtag noch nicht ausgeglichene Überstunden ein Erfüllungsrückstand vor. Denn der Mitarbeiter wird in künftigen Jahren die Überstunden abbauen und das Arbeitszeitkonto zurückführen. In diesem Fall ist doch eine Rückstellung zu bilden. Es gelten die bereits aufgezeigten Grundsätze der Ermittlung einer Urlaubsrückstellung sinngemäß, allerdings ist das Entgelt nicht auf Tage, sondern auf Stunden zu berechnen. Dabei dürfen aufgrund der vorzunehmenden Einzelbewertung eventuell vorhandene negative Arbeitszeitkonten einzelner Arbeitnehmer nicht mit positiven Beständen von Arbeitszeitkonten anderer Arbeitnehmer verrechnet werden.
AUSGABE: VVP 8/2023, S. 9 · ID: 49575964