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Betriebliche Altersversorgung/ElternzeitWelche Möglichkeiten bieten sich in der Elternzeit bei einer betrieblichen Altersversorgung?
| Wie wirkt sich die Elternzeit auf die betriebliche Altersversorgung aus? Welche Möglichkeiten bestehen, die betriebliche Altersversorgung in der Elternzeit fortzusetzen? Welche Alternativen bestehen, die Beiträge nachzuzahlen? VVP erklärt die Rahmenbedingungen und Gestaltungen. |
Ruhendes Arbeitsverhältnis in der Elternzeit
Ist ein Arbeitnehmer in Elternzeit, ruht das Arbeitsverhältnis. D. h. der Arbeitnehmer erbringt zwar keine Arbeitsleistung und erhält auch kein Entgelt, das Arbeitsverhältnis besteht aber fort. Folge: Die Zeiten der Elternzeit zählen für die gesetzliche Unverfallbarkeit nach § 1b Abs. 1 S. 1 BetrAVG mit.
Allerdings ist es möglich, Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis ruht, aus der Leistungsbemessung auszunehmen. Dies ergibt sich aus dem Charakter der bAV als Vergütung für erbrachte Betriebszugehörigkeit. Das muss aber ausdrücklich in der Versorgungszusage bzw. dem Versorgungsplan geregelt sein. In der Praxis ist das auch regelmäßig der Fall.
Da der Arbeitnehmer in der Elternzeit seine Arbeitsleistung nicht erbringt, wird eine arbeitgeberfinanzierte versicherungsförmige betriebliche Altersversorgung wie z. B. eine Direktversicherung für gewöhnlich während dieser Zeit beitragsfrei gestellt. Gleiches gilt für eine arbeitnehmerfinanzierte bAV. Denn Entgelt kann in der Elternzeit nicht in eine Anwartschaft auf bAV umgewandelt werden, weil während dieser Zeit kein Arbeitsentgelt bezogen wird.
bAV-Fortsetzung durch Arbeitnehmer während Elternzeit
Da trotz ruhendem Arbeitsverhältnis nach wie vor ein erstes Dienstverhältnis vorliegt, könnte der Arbeitgeber bei einer arbeitgeberfinanzierten Direktversicherung prinzipiell die Beiträge während der Elternzeit auch weiter gemäß § 3 Nr. 63 S. 1 EStG einzahlen; das wird in der Praxis aber meist nicht gemacht. Schließlich erbringt der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung, von daher sehen es Arbeitgeber in der Regel als sachgerecht an, auch die Beiträge zur bAV auszusetzen. Denn der Arbeitgeber weiß zu diesem Zeitpunkt regelmäßig auch noch nicht, ob der Arbeitnehmer nach dem Ende der Elternzeit wieder ins Unternehmen zurückkommt.
Gemäß § 1a Abs. 4 BetrAVG hat der Arbeitnehmer jedoch das Recht, während des ruhenden Arbeitsverhältnisses die Versicherung oder Versorgung in den versicherungsförmigen Durchführungswegen (Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds) mit eigenen Beiträgen fortzusetzen. Da allerdings kein Arbeitsentgelt bezogen wird, ist eine Entgeltumwandlung nicht mehr möglich. D. h. die Beiträge können aus privatem Vermögen weiter gezahlt werden. Dies kann sinnvoll sein, um den Versicherungsschutz, gerade bei vorzeitigen Risiken, aufrechtzuerhalten.
Alternativ: Nachzahlen der Beiträge nach Ende der Elternzeit
Es besteht auch die Möglichkeit, nach dem Ende der Elternzeit die während der Elternzeit nicht geleisteten Beiträge nachzuholen bzw. nachzuentrichten.
Voraussetzungen für Nachholungsregelung
Das Nachzahlen der Beiträge ist in § 3 Nr. 63 S. 4 EStG geregelt.
Beispiel 1: Über Entgeltumwandlung finanzierte Direktversicherung |
So funktioniert die Nachholung in der Praxis Arbeitnehmerin A war mit einem monatlichen Gehalt in Höhe von 4.000 Euro vom 01.07.2020 bis 31.03.2023 in Elternzeit. Während dieser Zeit wurde ihre über Entgeltumwandlung finanzierte Direktversicherung mit einem monatlichen Beitrag von 250 Euro beitragsfrei gestellt. Nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit im April 2023 möchte A Beiträge für die Direktversicherung nachentrichten. |
A kann 8.250 Euroin die Direktver-sicherung steuerfrei einzahlen Lösung: A kann 8.250 Euro in die Direktversicherung steuerfrei einzahlen:
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- Steuerfrei sind demnach Beiträge im Sinne des § 3 Nr. 63 S. 1 EStG, die für Kalenderjahre nachgezahlt werden, in denen das erste Dienstverhältnis ruhte, vom Arbeitgeber im Inland kein steuerpflichtiger Arbeitslohn bezogen wurde und in diesen Zeiten keine Beiträge im Sinne des § 3 Nr. 63 S. 1 EStG geleistet wurden.Nachholungs-regelung in § 3 Nr. 63 S. 4 EStG
- Für jedes Dienstjahr (maximal für zehn Jahre) können acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) in der allgemeinen Rentenversicherung (West) nachgezahlt werden (BBG West 2023: 87.600 Euro).
- Im Zeitraum des Ruhens und im Zeitpunkt der Nachzahlung muss ein erstes Dienstverhältnis vorliegen. Die Nachholung muss im Zusammenhang mit dem Ruhen des Dienstverhältnisses stehen. Von einem solchen Zusammenhang kann ausgegangen werden, wenn die Beiträge spätestens bis zum Ende des Kalenderjahrs nachgezahlt werden, das auf das Ende der Ruhensphase folgt.Vorliegen eines ersten Dienstverhältnisses (Lohnsteuerklasse I–V)
- Die Nachholung kann in einem Betrag oder in mehreren Teilbeträgen erfolgen. Bei Teilbeträgen gilt die Beitragsbemessungsgrenze des Jahres der ersten Teilzahlung.
- In dem Kalenderjahr, in dem die Ruhensphase endet und im darauffolgenden Jahr können die Steuerbefreiungen nach § 3 Nr. 63 S. 1 und 4 EStG nebeneinander beansprucht werden.
- Die Nachholungsregelung ist eine Jahres-Regelung, d. h., es sind nur solche Kalenderjahre zu berücksichtigen, in denen vom 01.01. bis zum 31.12. vom Arbeitgeber im Inland kein steuerpflichtiger Arbeitslohn bezogen wurde.
- Die Nachholungsregelung gilt für die arbeitnehmer- und arbeitgeberfinanzierte bAV.
Auch der Arbeitgeber kann bei einer arbeitgeberfinanzierten Direktversicherung die während der Elternzeit nicht geleisteten Beiträge nachholen. Dies kann für den Arbeitnehmer Anreiz sein, nach der Elternzeit ins Unternehmen zurückzukehren. Der Arbeitgeber hat dann durch die Nachholung nach Ende der Elternzeit entsprechend erhöhte Kosten, aber in Zeiten von Fachkräftemangel dürfte das Interesse groß sein, die eingearbeiteten Mitarbeiter auch nach der Elternzeit wieder ins Unternehmen zurückzuholen.
Beispiel 2: Arbeitgeberfinanzierte Direktversicherung |
Bei A handelt es sich um eine arbeitgeberfinanzierte Direktversicherung. Der Arbeitgeber nimmt die reguläre Beitragszahlung in Höhe von 250 Euro monatlich nach Rückkehr aus der Elternzeit wieder auf und holt die während der Elternzeit nicht entrichteten und nachholbaren Beiträge in Höhe von 6.000 Euro nach. Zu beachten ist jedoch, dass in diesem Fall für den Arbeitnehmer und den Arbeitgeber Sozialabgaben aus der Nachholung resultieren (mehr dazu unten). |
Nachzahlungen und Sozialversicherung
Nachzahlungen sind grundsätzlich nicht sozialversicherungsfrei (§ 1 Abs. 1 Nr. 9 SvEV; Spitzenverbände der Sozialversicherung, Gemeinsame Stellungnahme zur beitragsrechtlichen Beurteilung von Beiträgen und Zuwendungen zum Aufbau betrieblicher Altersversorgung vom 21.11.2018, S. 39 f, Abruf-Nr. 234969). Da sich bei Nachzahlungen in Form von Entgeltumwandlungen keine Sozialversicherungsersparnisse ergeben, besteht keine gesetzliche Zuschusspflicht zur Entgeltumwandlung gemäß § 1a Abs. 1a BetrAVG.
Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn die nach der Rückkehr geleisteten regulären Beiträge im Rahmen von § 3 Nr. 63 S. 1 EStG den sozialversicherungsfreien Rahmen von vier Prozent der BBG nicht voll ausschöpfen, d. h. noch ein Teil der Nachholung in den vier Prozent der BBG „Platz hat“. Bei Entgeltumwandlung wäre dieser Teil dann auch zuschusspflichtig.
Fortführung Beispiel 1 |
Vom nachgeholten Beitrag in Höhe von 6.000 Euro für die Jahre 2021 und 2022 sind bei A 1.254 Euro sozialabgabenfrei (4 % x 87.600 Euro ./. 250 Euro x 9). |
Das Thema Sozialabgabenersparnis ist natürlich nur für Arbeitnehmer relevant, deren Arbeitsentgelt unterhalb der jeweiligen BBG in den Zweigen der Sozialversicherung liegt.
AUSGABE: VVP 8/2023, S. 24 · ID: 49429556