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Run-offSo wirkt sich der Run-off eines Versicherers auf Versicherungsmakler und ihre Kunden aus
| Immer wieder beendet ein Versicherungsunternehmen (VU) seine Geschäftstätigkeit in einer oder mehreren Sparten ganz oder teilweise, weil es schwierig geworden ist, die Mittel für Garantieversprechen und attraktive Überschüsse zu erwirtschaften. Das VU verwaltet dann den Versicherungsbestand entweder selbst (interner Run-off) oder überträgt ihn komplett oder zum Teil auf ein anderes VU bzw. eine Investorengruppe (externer Run-off). Lesen Sie, ob und ggf. welche Auswirkungen ein Run-off für Versicherungsmakler und die von Ihnen betreuten Kunden/Versicherungsnehmer (VN) hat. |
Inhaltsverzeichnis
- Gesamtrechtsnachfolge für VN
- Rechtsverhältnis zwischen Makler und Kunden bleibt
- Rechtsverhältnis zwischen Makler und Run-Off-Gesellschaft
- Interner Run-off: Keine Änderung bei Betreuungscourtage
- Externer Run-off: Auswirkung auf Courtage möglich
- Klausel-Problem ohne Übernahmevertrag
- Ist Betreuungscourtage-Vereinbarung kündbar?
- Korrespondenzpflicht – keine Änderung durch Run-off
Gesamtrechtsnachfolge für VN
Wird nur ein (Teil-)Versicherungsbestand von einem auf ein anderes VU übertragen, bekommt der VN einen neuen Vertragspartner. Anders ist es, wenn das gesamte VU an ein anderes VU verkauft wird; hier bleibt der Vertragspartner des VN trotz Eigentümerwechsels gleich, wenn das verkaufte VU als solches bestehen bleibt. Das veräußerte VU kann auch mit dem übernehmenden VU fusionieren. In all diesen Fällen wird der Versicherungsbestand im Wege der partiellen Universalsukzession bzw. Gesamtrechtsnachfolge übertragen.
Die übernehmenden Run-Off-Gesellschaften unterliegen auch nach der genehmigungsbedürftigen Bestandsübertragung bzw. dem genehmigungsbedürftigen Eigentümerwechsel durch die BaFin dem deutschen Versicherungsaufsichtsrecht. Die VN werden lediglich darüber informiert, sie müssen die Übertragung ihrer Versicherungsverträge selbst nicht genehmigen bzw. ihr nicht zustimmen (§ 415 BGB findet keine Anwendung). Letztlich ändert sich für sie versicherungsvertraglich nichts; ihre Belange bleiben vollständig gewahrt (§ 13 VAG). Daher haben sie bei einem Run-off auch kein außerordentliches Kündigungsrecht. Das übernehmende VU muss sich an die vereinbarten Rechte und Pflichten halten. So muss es etwa die versprochenen Garantien zahlen und die VN an den Überschüssen beteiligen.
Wichtig | Bei laufenden Zivilverfahren bleibt das abgebende VU Prozesspartei. Ein Urteil wirkt für und gegen das übernehmende VU (§ 325 Abs. 1 ZPO).
Rechtsverhältnis zwischen Makler und Kunden bleibt
Versicherungsmakler stehen bei jeglichem Run-off aufgrund ihrer treuhänderähnlichen Sachwalterstellung den Kunden gegenüber unverändert in der Pflicht. Maklerverträge und Maklervollmachten gelten uneingeschränkt fort.
Makler hat weiter Informations- und ggf. Beratungspflicht
Makler müssen ihre Kunden bei einem Dauerberatungsmandat rechtzeitig auf mögliche Änderungen hinweisen. Das gilt auch im Fall eines Run-offs.
Zwar bleiben die VN-Belange in Bezug auf die Versicherungsverträge im Grundsatz gewahrt, weswegen ein diesbezüglicher Hinweis ausreicht. Allerdings kann im Einzelfall, insbesondere bei einem externen Run-off, ein konkreter Beratungsanlass bestehen.
So kann es sein, dass ein Kunde z. B. bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung zu einem späteren Zeitpunkt eine Tarifänderung wünscht und die Run-Off-Gesellschaft diesem Wunsch nicht nachkommt, weil sie selbst solche Versicherungen nicht anbietet. Unterlässt es der Makler nun, seinen Kunden zu beraten und ggf. den Vertrag umzudecken und damit dem Wunsch und dem Bedürfnis des Kunden Rechnung zu tragen, haftet der Makler dem Kunden gegenüber für einen Schaden, den der aufgrund seiner Untätigkeit erleidet.
Keine Haftung des Maklers bei Nichterfüllung der Garantien
Erfüllt eine Run-Off-Gesellschaft die Garantien am Ende doch nicht im vereinbarten Umfang, kann der Kunde seinen Makler nicht in Regress nehmen. Denn bei einem externen Run-off überprüft die BaFin im Vorfeld, dass die Kapitalausstattung der aufnehmenden Gesellschaft ausreichend ist (vgl. §§ 13, 17, 18 VAG). Der Makler darf sich auf diese Prüfung verlassen.
Rechtsverhältnis zwischen Makler und Run-Off-Gesellschaft
Das Rechtsverhältnis zwischen VU und Makler wird im Wesentlichen durch Courtageregelungen bestimmt, insbesondere bzgl. der Zahlung von Bestandspflege- bzw. Betreuungscourtagen. Die Frage ist, ob ein Run-off in diesem Bereich Auswirkungen auf das Geschäfts- bzw. Rechtsverhältnis zwischen dem abgebenden bzw. übernehmenden VU und dem vom jeweiligen VN beauftragten Versicherungsmakler haben kann. Um das zu klären, muss die Art des Run-offs näher betrachtet werden.
Interner Run-off: Keine Änderung bei Betreuungscourtage
Bei einem internen Run-off gibt es keine Änderungen. Der Versicherungsbestand verbleibt beim VU, mit dem der Makler eine Betreuungscourtage-Vereinbarung geschlossen hat. Diese gilt unverändert fort.
Externer Run-off: Auswirkung auf Courtage möglich
Bei einem externen Run-off findet auf Seiten des VU ein Eigentümerwechsel statt. Hier ist im Hinblick auf die Betreuungscourtage zu unterscheiden:
Verkauf bzw. Fusion des VU: Keine Änderung bei Betreuungscourtage
Wird das VU verkauft, bleibt aber im Übrigen als solches bestehen, ändert sich für den VN wie auch für den Makler nichts. Gleiches gilt z. B. für den Fall, dass das VU mit einem weiteren VU fusioniert/verschmilzt (§ 14 VAG, § 2 UmwG). Durch die damit einhergehende Gesamtrechtsnachfolge (§ 20 UmwG) findet ein Übertrag sämtlicher Rechtsverhältnisse und Daten statt, also auch aller sich hierauf beziehenden Verträge. Umfasst sind neben den Versicherungsverträgen etwa auch die Verträge betreffend die Bestandspflege- bzw. Betreuungscourtage, die das fusionierte VU seinerzeit mit dem Makler vereinbart hat. Hier gelten sämtliche Vertragsregelungen unverändert fort.
Nur Bestandsverkauf – Übernahmevertrag für Courtage das A und O
Veräußert ein VU lediglich einen (Teil-)Versicherungsbestand an ein anderes VU, bleibt aber im Übrigen als VU bestehen, werden mit dem Versicherungsbestand nicht automatisch andere Verträge, wie z. B. Betreuungscourtage-Vereinbarungen, mit übertragen. Das ergibt sich implizit aus § 13 Abs. 5 VAG. Darin heißt es, dass die Rechte und Pflichten des übertragenden VU aus den Versicherungsverträgen mit der Bestandsübertragung auch im Verhältnis zu den VN auf das übernehmende VU übergehen. Die Verträge betreffend die Betreuungscourtage regeln aber keine Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag, sondern begründen Rechte und Pflichten aus einem eigenständigen Rechtsverhältnis zwischen VU und Makler.
Das bedeutet: Bei einem reinen Bestandsverkauf ist für die begleitende Übertragung von anderen Rechten und Pflichten aus sonstigen Verträgen eine explizite vertragliche Regelung (Übernahmevertrag) nötig. Für Courtagevereinbarungen mit Maklern hat dies das OLG Köln sogar ausdrücklich entschieden (OLG Köln, Urteil vom 20.01.2012, Az. 20 U 102/11, Abruf-Nr. 233987).
Kleiner Exkurs: Das OLG Köln bestätigt, dass auch Agenturverträge als Folge der bloßen Bestandsübertragung nicht auf das übernehmende VU mitübertragen werden. Auch hier wäre ein gesonderter Übernahmevertrag erforderlich. Das ist auch folgerichtig: Denn durch den Fortbestand des Agenturvertrags ohne Übernahmevertrag kann sich das den Versicherungsbestand verkaufende VU seinen Verpflichtungen aus § 89b HGB nicht entziehen.
Wichtig | Ein automatischer Anspruch des Maklers auf Betreuungscourtage gegen das lediglich den (Teil-)Versicherungsbestand übernehmende VU scheidet somit aus; auch deswegen, weil die Betreuung dem Kunden und nicht einem VU gegenüber geschuldet ist. Wird hingegen eine Übertragung auch z. B. der Betreuungscourtage-Vereinbarung zwischen dem abgebenden und übernehmenden VU vereinbart, bleibt für den Versicherungsmakler alles beim Alten. Lediglich der Courtageschuldner wechselt. Einigen sich beide VU diesbezüglich jedoch nicht, kann eine gängige Vertragsklausel für das abgebende VU zum Problem werden.
Klausel-Problem ohne Übernahmevertrag
Die meisten Betreuungscourtage-Vereinbarungen bzw. -Zusagen enthalten eine Klausel zur Bestandsübertragung, für die dann meist die Maklerusancen gelten. Allerdings wird hierbei davon ausgegangen, dass die Bestandsübertragung deshalb veranlasst wird, weil der Kunde für seine weitere Betreuung den Makler gewechselt hat. Die gängige Klausel lautet:
Die gängige Klausel für Bestandsübertragung |
Courtage bei Bestandsübertragung fortzuzahlen Der Makler hat so lange einen Anspruch auf die laufende Courtage, solange der Versicherungsvertrag besteht, der Kunde die Versicherungsprämie zahlt und dem VU kein anderer Betreuungswunsch des Kunden zur Kenntnis gebracht wird. Wünscht der Kunde den Wechsel der Betreuung, gelten die Maklerusancen als vereinbart. |
Nach der Klausel wären die aufgeführten Bedingungen auch bei einem externen Run-off erfüllt, bei dem ein VU lediglich einen (Teil-)Versicherungsbestand an ein anderes VU überträgt. Denn der Versicherungsvertrag bleibt bestehen, der VN zahlt weiter die Prämie und ein Maklerwechsel findet nicht statt, weswegen sich auch die Betreuungstätigkeit des Maklers gegenüber dem VN nicht ändert.
Zudem hat sich mit dem ursprünglichen Rechtsgrund für die Zahlung der Bestandspflege- bzw. Betreuungscourtage die damit einhergehende Entlastungstätigkeit des Maklers für ein VU – zumindest dem Grunde nach – nicht geändert. (Vgl. gutachterliche Stellungnahme des BAV vom 12.11.1992, auf die das OLG Frankfurt/M. mit Urteil vom 12.11.1993, Az. 10 U 29/91, Abruf-Nr. 98770 eingeht.)
Allerdings zahlt der VN die Versicherungsprämie nunmehr an das übernehmende Run-off-VU. Auch die Entlastungstätigkeit des Maklers erfolgt nunmehr nicht mehr gegenüber dem abgebenden, sondern gegenüber dem übernehmenden VU.
Ist Betreuungscourtage-Vereinbarung kündbar?
Hier stellt sich also folgende Frage: Kann sich das VU, das lediglich den (Teil-)Versicherungsbestand abgibt, wegen dieser besonderen Situation und trotz besagter Vertragsklausel darauf berufen, künftig keine Betreuungscourtage mehr an die Makler zahlen zu müssen? Dafür müsste sich das VU wirksam von der Betreuungscourtage-Vereinbarung durch Kündigung lösen können. Das dürfte jedoch nicht so ohne Weiteres gelingen; aus folgenden Gründen:
Keine Kündigung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage
Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB etwa mit der Folge, dass die Betreuungscourtage-Vereinbarung durch das abgebende VU gekündigt werden könnte, liegt bei der bloßen Bestandsübertragung nicht vor. Denn geht die Änderung der Geschäftsgrundlage auf das eigene Tun des Schuldners (abgebende VU) zurück bzw. liegt sie in seiner eigenen Risikosphäre, kann der Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht geltend gemacht werden (Grüneberg, BGB, 82. Aufl., München 2023, § 313, Rz. 22; BGH, Urteil vom 21.12.2010, Az. X ZR 122/07, Abruf-Nr. 110928).
Keine Kündigung aus wichtigem Grund
Mit derselben Begründung fällt auch eine außerordentliche, fristlose Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 BGB weg (vgl. Grüneberg, BGB, a.a.O., § 314, Rz. 9). Auf die gesetzliche Bedingung für das Vorliegen eines wichtigen Grundes, dass dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann, kommt es somit nicht mehr an.
Vertragsauslegung/Salvatorische Klausel kein Rettungsanker
Kaum weiterhelfen dürfte auch die meist in den Courtagevereinbarungen mit vereinbarte sog. Salvatorische Klausel, in der bei Regelungslücken eine Regelung unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben gefunden werden soll. Denn es ist bereits fraglich, ob überhaupt eine Regelungslücke vorliegt, weil die Betreuungscourtage-Vereinbarungen nebst besagter Klausel offenkundig keine „planwidrige Unvollständigkeit“ enthält. Allein der Umstand, dass ein Vertrag für eine bestimmte Fallgestaltung keine Regelung enthält, besagt nicht, dass es sich um eine planwidrige Unvollständigkeit handelt (BGH, Urteil vom 15.10.2014, Az. XII ZR 111/12, Abruf-Nr. 173163).
In diesem Zusammenhang stellt das OLG Köln in obiger Entscheidung auch klar: Es ist einem VU im Rahmen der Privatautonomie unbenommen, für den Fall einer eventuellen Übertragung des Versicherungsbestands auf ein anderes VU in Bezug auf Versicherungsmakler mit entsprechenden Kündigungsregelungen vertragliche Vorsorge zu treffen.
Ordentliche Kündigung der Betreuungscourtage-Vereinbarungen hilft nicht
Bliebe im Ergebnis also nur die ordentliche Kündigung der Betreuungscourtage-Vereinbarung. Diese würde aus Sicht des den (Teil-)Versicherungsbestand abgebenden VU aber wegen besagter Vertragsklausel nicht zum gewünschten Ergebnis führen.
Zudem gibt es Rechtsprechung, die im Grundsatz besagt, dass die Maklervergütung bei Bestandspflege für den VN trotz ordentlicher Kündigung durch das VU weitergezahlt werden muss, wenn der Makler die Bestandspflegetätigkeit im Einvernehmen mit dem VN fortsetzt. Hier wäre eine Kündigung mithin nur aus wichtigem Grund möglich (vgl. OLG Frankfurt/M., Urteil vom 12.11.1993, Az. 10 U 29/91, Abruf-Nr. 98770; LG Lüneburg, Beschluss vom 22.09.2008, Az. 7 O 72/08, Abruf-Nr. 083227; LG Hamburg, Urteil vom 05.09.2005, Az. 415 O 53/05, Abruf-Nr. 071488). Allerdings scheidet ein solcher wichtiger Kündigungsgrund aus (s. o.).
... wird das kaum ohne Übernahmevertrag hinnehmen Praxistipp | Aus all dem folgt: Ein VU, dass lediglich den (Teil-)Versicherungsbestand abgeben möchte, wird diesen höchstwahrscheinlich nur an ein VU veräußern bzw. übertragen, wenn dieses VU ebenfalls dazu bereit ist, die dazugehörenden Betreuungscourtage-Vereinbarungen zu übernehmen. Kündigt das abgebende VU die Betreuungscourtage-Vereinbarung, sollte sich der Versicherungsmakler dagegen wehren. Denn ein wichtiger Kündigungsgrund liegt – insbesondere bei Vorliegen besagter Vertragsklausel – mithin nicht vor. |
Korrespondenzpflicht – keine Änderung durch Run-off
Bei der Pflicht zur Korrespondenz ändert sich sowohl bei einem internen als auch externen Run-off für den Makler nichts. Das gilt auch für den Fall, dass das lediglich den (Teil-)Versicherungsbestand übernehmende VU die Betreuungscourtage-Vereinbarungen nicht mit übernehmen sollte. Denn es ist unabhängig davon verpflichtet, den Wunsch des Maklerkunden/VN – dokumentiert durch seine Maklervollmacht – zu respektieren, mit dem von ihm beauftragten Versicherungsmakler weiter zusammenzuarbeiten und zu korrespondieren. Das ergibt sich als Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) aus dem Versicherungsvertrag, für den nunmehr das den (Teil-)Versicherungsbestand übernehmende VU neuer Vertragspartner des VN ist.
AUSGABE: VVP 4/2023, S. 3 · ID: 49221186