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UmsatzsteuerDas sind die umsatzsteuerlichen Spielregeln beim Einsatz von Untervermittlern
| In der Praxis wirft die Betätigung als Versicherungsvermittler immer wieder umsatzsteuerrechtliche Fragen auf. VVP greift diese in einer dreiteiligen Beitragsreihe auf. In diesem ersten Beitrag steht die Einschaltung eines Untervermittlers durch einen Obervermittler im Vordergrund. Denn setzen Versicherungsmakler oder -vertreter Untervermittler ein, besteht die Gefahr, dass die Tätigkeit der Versicherungsagentur bzw. des -maklers nicht mehr den Anforderungen entspricht, um in den Genuss der Steuerbefreiung für Vermittlungsleistungen zu gelangen. |
Umsatzsteuerrechtliche Basics für Versicherungsvermittler
Das Umsatzsteuerrecht kennt mehrere Steuerbefreiungen für Vermittlungsleistungen. Neben der Vermittlung von Krediten (§ 4 Nr. 8 Buchst. a UStG) ist vor allem die Vermittlung von Versicherungsleistungen über § 4 Nr. 11 UStG begünstigt. Befreit ist nach § 4 Nr. 11 UStG die Tätigkeit als Versicherungsmakler oder -vertreter. Die Befreiung umfasst damit schon sprachlich weitere Leistungen als nur die reine Vermittlung. Allerdings bedeutet das nicht, dass alle Tätigkeiten, die nur irgendeinen Zusammenhang zu Versicherungsleistungen aufweisen, unter die Befreiung fallen. Erfasst sind nur die berufstypischen Tätigkeiten eines Versicherungsmaklers oder -vertreters.
Wann eine solche berufstypische Leistung vorliegt, hat die Rechtsprechung bereits abstrakt umrissen: Entscheidend für die Einschlägigkeit der Steuerbefreiung ist, ob die Dienstleistungen zu Versicherungs- und Rückversicherungsumsätzen gehören, wie sie von Versicherungsmaklern oder Versicherungsvertretern erbracht werden (EuGH, Urteil vom 03.04.2008, Rs. C-124/07, Abruf-Nr. 081747, Beheer). Maßgeblich ist nicht die Berufsbezeichnung, sondern das Tätigkeitsbild. Der wesentliche Aspekt der Versicherungsvermittlungstätigkeit ist es, Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen. Dem typischen Bild entsprechen folgende Tätigkeiten:
- Abschluss von VersicherungenDas sind typische Vermittlertätigkeiten
- Policierung
- Bestandspflegeleistungen (vgl. Abschn. 4.11.1 Abs. 3 UStAE; z. B. Vornahme von Policenänderungen, Erteilung von Auskünften gegenüber Versicherern und Versicherungsnehmern)
- Akquisition von Versicherungsanträgen für neue Versicherungen
- Annahme von Anträgen für neue Versicherungen
Bloße Backoffice-Tätigkeiten unterfallen nicht der Steuerbefreiung. Sie weisen keinen spezifischen und wesentlichen Bezug zu einzelnen Vermittlungsgeschäften auf (BFH, Urteil vom 28.05.2009, Az. V R 7/08, Abruf-Nr. 092809).
Einschaltung von Untervermittlern
Häufig schaltet ein Versicherungsmakler/-vertreter einen selbstständigen Untervermittler ein. Zumeist unterhält dabei nur der Obervermittler unmittelbare Vertragsbeziehungen zu den Anbietern der Versicherungsprodukte. Die Hauptaufgabe des Untervermittlers besteht in der Regel darin, den unmittelbaren Kontakt zu den potenziellen Kunden zu suchen.
Die Tätigkeiten des Obervermittlers sowie jene des Untervermittlers können nur dann nach § 4 Nr. 11 UStG umsatzsteuerfrei sein, wenn sie jeweils als „Versicherungsvermittlungstätigkeiten“ zu qualifizieren sind.
Umsatzsteuerfreie Betätigung des Untervermittlers
Nach Ansicht des EuGH gehören zu den umsatzsteuerbefreiten Dienstleistungen von Versicherungsmaklern und -vertretern auch die Leistungen der für Versicherungsmakler oder -vertreter tätigen Untervermittler (EuGH, Urteil vom 03.04.2008, Rs. C-124/07, Abruf-Nr. 081747, Beheer). Dies gilt nach dem EuGH selbst dann, wenn der Untervermittler zu den Parteien des Versicherungsvertrags, zu dessen Abschluss er beiträgt, keine unmittelbare Verbindung unterhält, sondern nur eine mittelbare Verbindung über den Obervermittler, z. B. indem er im Namen und auf Rechnung des Obervermittlers tätig wird. Maßgebend ist allein, dass der Untervermittler (wenigstens mittelbar) sowohl mit dem Versicherer als auch mit dem Versicherten in Verbindung steht und Kunden sucht und diese mit dem Versicherer zusammenbringt.
Auch der BFH ordnet die Betätigung als Untervermittler als steuerfreie Vermittlungsleistung i. S. v. § 4 Nr. 11 UStG ein (BFH, Urteil vom 28.05.2009, Az. V R 7/08, Abruf-Nr. 092809, BStBl. 2010 II, 80).
PRAXIStipps |
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Umsatzsteuerfreiheit der Betätigung des Obervermittlers
Weder die MwStSystRL noch das UStG schließen es aus, dass sich die Tätigkeit eines Versicherungsmaklers oder -vertreters in verschiedene Dienstleistungen aufteilen lassen und diese isoliert erbracht werden. Sie können auch einzeln unter den Begriff der umsatzsteuerfreien Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze fallen. Die Wahl des Organisationsmodells steht den Beteiligten frei und unterliegt dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität.
Damit ist es grundsätzlich möglich, dass auch die Betätigung des Obervermittlers als umsatzsteuerfrei zu qualifizieren ist. Hier kommt es maßgeblich darauf an, wie die Gesamttätigkeit zwischen Ober- und Untervermittler aufgeteilt ist. Letztlich ist auch insoweit entscheidend, dass die beim Obervermittler verbleibende Tätigkeit dem Tätigkeitsprofil eines Versicherungsmaklers oder -vertreters entspricht (Abschn. 411.1 Abs. 2 S. 5 UStAE).
Arbeitsteilige Vermittlung durch Ober- und Untervermittler
Sind beide, Obervermittler und Untervermittler, aktiv in die Vermittlung des jeweiligen Vertrags einbezogen, so erfüllen auch beide die gesetzlichen Voraussetzungen. Die Umsatzsteuerfreiheit greift dann für beide.
Beispiele |
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Keine aktive Vermittlung durch Obervermittler
Ist der Obervermittler nicht direkt in den Vermittlungsvorgang involviert, kann in besonderen Konstellationen dennoch die Steuerbefreiung greifen. Denn auch die Betreuung, Überwachung oder Schulung von Untervermittlern kann zur steuerbefreiten Vermittlung gehören (Abschn. 4.11.1 Abs. 2 S. 6 UStAE).
Voraussetzung hierfür ist, dass der Obervermittler durch Prüfung eines jeden Vertragsangebots mittelbar auf eine der Vertragsparteien einwirken kann. Entscheidend ist dabei nicht die tatsächliche Prüfung eines jeden Vertragsangebots, sondern dass der Obervermittler die bloße Möglichkeit dazu hat (Abschn. 4.11.1 Abs. 2 S. 7 UStAE). Dies erfordert
- 1. neben dem reinen Dürfen (rechtliche Komponente)
- 2. auch ein tatsächliches Können (faktische Komponente).
Folglich muss bei einem solchen Zusammenwirken von Ober- und Untervermittler eine Ablauforganisation bestehen, bei der der Obervermittler über jede einzelne Vermittlung vor Vertragsabschluss Kenntnis erlangt und zumindest theoretisch den Fortgang beeinflussen kann (vgl. dazu auch BFH, Urteil vom 30.10.2008, Az. V R 44/07, Abruf-Nr. 083941).
Einfluss auf einen Vertragspartner sicherstellen Fazit | Durch die Einschaltung eines Untervermittlers rücken Versicherungsmakler oder -vertreter in die Position eines Obervermittlers. Damit riskieren sie, ggf. selbst nur mehr umsatzsteuerpflichtige Leistungen zu erbringen. Um dies zu vermeiden, empfiehlt sich ein arbeitsteiliges Vorgehen bei der Vermittlung von Versicherungen, das es dem Obervermittler ermöglicht, wenigstens auf eine der Vertragsparteien des konkreten Versicherungsvertrags einwirken zu können. |
- In den nächsten beiden Beiträgen der Serie geht es um Extra-Vergütungen für die Schadensregulierung, Büro- und Organisations-Bonus, etc.
AUSGABE: VVP 4/2023, S. 12 · ID: 49223221