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GestaltungsmodellBFH muss klären: Lässt sich Versicherungsvertrag geschickt unter Nießbrauch übertragen?

Abo-Inhalt02.03.20232698 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| Eine vermögende Frau überlegt, wie sie 2,5 Mio. Euro möglichst steuerneutral auf ihr Kind übertragen kann. Denn würde sie ihm einfach so die 2,5 Mio. Euro schenken, dann würde das rd. 400.000 Euro Schenkungsteuer auslösen. Gleiches gilt, wenn der Erbfall eintreten sollte. Deshalb möchte sie steuergestaltend eingreifen, eine fondsgebundene Rentenversicherung abschließen und diese unter Nießbrauch an das Kind übertragen. Eine Mutter hat die Gestaltung im Jahr 2017 gewählt. Nun liegt der Fall allerdings beim BFH. VVP macht Sie mit den Einzelheiten vertraut. |

Steuergestaltungsmodell mit Rentenversicherungsvertrag

Im konkreten Fall hatte die 1956 geborene Mutter (M) im Jahr 2017 eine fondsgebundene Rentenversicherung abgeschlossen. M war auch Versicherungsnehmerin (VN). Als versicherte Person wurde ihr 1981 geborener Sohn (S) angegeben. Der Vertrag sollte eine Laufzeit von 49 Jahren haben und sah eine einmalige Beitragszahlung in Höhe von 2,5 Mio. Euro vor.

Im Erlebensfall konnte zwischen einer lebenslangen Rente oder einer einmaligen Kapitalabfindung gewählt werden. Sollte die versicherte Person (S) vorab versterben, würde eine einmalige Todesfallleistung fällig werden. Begünstigte der Versicherung sowohl im Erlebensfall als auch im Falle des Versterbens der versicherten Person (S) war die VN (M). Zudem konnte der Vertrag zu jeder Zeit ganz oder teilweise gekündigt werden, wobei in dem Fall der Rückkaufswert der Rentenversicherung an die VN (M) ausgezahlt werden sollte.

Noch im selben Jahr (am 11.10.2017) übertrug M die Versicherung unentgeltlich im Wege der Vertragsübernahme auf ihren Sohn S. S wurde sofort von der Versicherung als VN eingetragen. Die Übertragung selbst wurde von M und S in einer privatschriftlichen Vereinbarung festgehalten. In diesem Vertrag wurde M als „Alt-Versicherungsnehmer“ bzw. „Nießbraucher“ und S als „Neu-Versicherungsnehmer“ bezeichnet.

M behielt sich an dem Versicherungsvertrag den Nießbrauch an der Rückkaufsleistung vor. Sollte die Versicherung also vorzeitig aufgelöst werden (egal ob durch M oder S), stünde die Nutzung des ausgezahlten Rückkaufswerts alleine M zu. Allerdings verpflichtete sich M parallel gegenüber S, ihm zum regulären Ablaufdatum der Kapitallebensversicherung (nach 49 Jahren) oder, falls M vorher versterben sollte, an ihrem Todestag, den Nominalwert des Stichtags-Rückkaufswerts zu ersetzen. Der Nießbrauch endet deshalb erst, wenn das versicherte Ereignis eintritt oder das vereinbarte Ablaufdatum des Versicherungsvertrags erreicht ist. Die Versicherung teilte den Gesamtwert auf den 11.10.2017 mit 2.460.093 Euro mit.

Die Ansicht des Beschenkten S

In der Schenkungsteuererklärung erklärte S den Wert der Bereicherung mit 630.820 Euro. Denn er minderte die Bereicherung um den zugunsten von M eingeräumten und kapitalisierten Nießbrauch. Die Schenkungsteuer sollte deshalb nach Abzug des persönlichen Freibetrags von 400.000 Euro (Kind → § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) nur 25.388 Euro betragen (§ 19 Abs. 1 ErbStG → elf Prozent von abgerundet 230.800 Euro).

Die Ansicht des Finanzamts

Das Finanzamt vertrat eine andere Ansicht. Nämlich die, dass der Nießbrauch nicht erwerbsmindernd zu berücksichtigen sei. Aus dem Vertrag ergebe sich, dass der Nießbrauch nur aufschiebend bedingt auf einen tatsächlichen Rückkauf des Versicherungsvertrags vereinbart worden sei. Das Finanzamt setzte deshalb den Wert des Erwerbs mit 2.460.093 Euro an (Wert laut Versicherung). Diesen Betrag minderte es um den persönlichen Freibetrag des S in Höhe von 400.000 Euro. Die Schenkungsteuer betrug deshalb 391.400 Euro (§ 19 Abs. 1 ErbStG → 19 Prozent von abgerundet 2.060.000 Euro). Die Steuerbelastung betrug damit 366.012 Euro mehr als von S erwartet.

FG Münster: Nießbrauch erwerbsmindernd zu berücksichtigen

S klagte dagegen vor dem FG Münster. Die Klage war erfolgreich (FG Münster, Urteil vom 23.06.2022, Az. 3 K 606/21 Erb, Abruf-Nr. 230270).

Zuwendungsgegenstand ist Versicherung

Nach Ansicht des FG Münster unterliegt die unentgeltliche Übertragung der Versicherungsnehmerstellung im Zeitpunkt der Zustimmung des Versicherers auf S der Schenkungsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Zuwendungsgegenstand ist dabei die Versicherung selbst. Die Schenkungssteuer entsteht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG in dem Zeitpunkt, an dem der Versicherer seine zivilrechtlich erforderliche Zustimmung zum Wechsel des Vertragspartners erklärt und der Zuwendungsempfänger S somit in die Versicherungsnehmerstellung einrückt. Das war im Streitfall der 11.10.2017.

Unerheblich ist nach Ansicht des FG, dass M aufgrund der weiteren vertraglichen Vereinbarung (Nießbrauch) die alleinige Bezugsberechtigte der im Falle der Kündigung der Versicherung fälligen Rückkaufsleistung ist.

Für das FG hat das Finanzamt den Erwerb der Versicherungsleistung nach § 12 Abs. 4 ErbStG zutreffend mit dem vom Versicherer für den Bewertungsstichtag (11.10.2017) mitgeteilten Rückkaufswert (2.460.093 Euro) bewertet.

Unbedingt vereinbarter Nießbrauch erwerbsmindernd abzuziehen

Allerdings war der zugunsten von M eingeräumte Nießbrauch erwerbsmindernd zu berücksichtigen. Denn hierbei handelt es sich nach Auffassung des FG nicht um einen aufschiebend bedingten Nießbrauch aus Anlass der Vertragskündigung, sondern um einen unbedingten Nießbrauch. Denn der Nießbrauch von M endet, sobald das versicherte Ereignis eintritt oder das vereinbarte Ablaufdatum des Versicherungsvertrags erreicht ist. Diese Ereignisse sind für den vorliegenden Versicherungsvertrag nur relevant, wenn der Vertrag nicht vorab gekündigt wurde. Die Regelung, dass der Nießbrauch der M mit dem Eintritt eines dieser – sich gegenseitig ausschließenden – Ereignisse enden soll, ist nur dann sinnvoll, wenn der Nießbrauch unabhängig von der Kündigung der Versicherung – die naturgemäß die anderen beiden Ereignisse ausschließt – vorab wirksam entstanden ist. Aus diesem Grund musste der Wert des M eingeräumten Nießbrauchs ermittelt und erwerbsmindernd in Abzug gebracht werden.

  • Gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 BewG ist der Kapitalwert von Nutzungen oder Leistungen, die auf bestimmte Zeit beschränkt sind, mit dem sich aus der Anlage 9a zum BewG zu entnehmenden Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen. Bei einer verbleibenden Vertragslaufzeit von 48 Jahren wäre das ein Vervielfältiger von 17,326.
  • Da die Dauer des Nießbrauchs jedoch auch durch das Leben von M bedingt ist, darf gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 BewG der nach § 14 BewG zu berechnende Kapitalwert bzw. der sich hierfür ergebende Vervielfältiger nicht überschritten werden. Die Nießbraucherin M war am Bewertungsstichtag 60 Jahre alt. Somit ergab sich für sie ein Vervielfältiger von 13,832 (§ 14 Abs. 1 S. 4 BewG i. V. m. dem BMF-Schreiben vom 04.11.2016). Da dieser niedriger als 17,326 war, war er für die weitere Ermittlung maßgebend.
  • Dieser Vervielfältiger war auf den Jahreswert der Nutzungen anzuwenden. Dies wären gemäß § 15 Abs. 1 BewG grundsätzlich 5,5 Prozent des Rückkaufswerts. Allerdings beläuft sich der Jahreswert gemäß § 16 Abs. 1 BewG höchstens auf den Wert, der sich ergibt, wenn der Rückkaufswert durch 18,6 geteilt wird. Damit ergab sich ein Jahreswert von 132.263,07 Euro (2.460.093 Euro : 18,6). Multipliziert mit dem Vervielfältiger von 13,832 ergab sich ein Kapitalwert von 1.829.463 Euro. Der Wert der Bereicherung reduzierte sich deshalb von 2.460.093 Euro auf 630.630 Euro und die Schenkungssteuer reduzierte sich von 391.400 Euro auf 25.366 Euro.

Konsequenzen für die Praxis

Ob die Ansicht des FG Münster zutreffend ist, wird der BFH entscheiden. Denn gegen das Urteil wurde die Revision zugelassen – und das Finanzamt hat sie eingelegt. Das Verfahren trägt beim BFH das Az. II R 27/22.

Praxistipps | Für Sie als Vermittler solcher Gestaltungsmodelle heißt das:

  • Warten Sie den Ausgang des Verfahrens ab, bevor Sie entsprechende Gestaltungen empfehlen. Denn das Risiko einer abweichenden Beurteilung durch den BFH besteht – und die dann eintretende Steuerbelastung für Ihre Kunden wäre erheblich.
  • Haben Ihre Kunden bereits entsprechend gestaltete Verträge abgeschlossen und will deren Finanzamt den Nießbrauch nicht abziehen, sollten Sie diese auf das Verfahren beim BFH hinweisen. Hier ist es ratsam, gegen etwaige Schenkungsteuerbescheide unter Hinweis auf das Revisionsverfahren Einspruch einzulegen und das Verfahren offenzuhalten.

AUSGABE: VVP 4/2023, S. 15 · ID: 49060254

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