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AusgleichsanspruchAgenturbeauftragter nach Agenturaufgabe: Fünftel-Regelung für Ausgleichsanspruch nutzbar?

Top-BeitragAbo-Inhalt11.10.20229522 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| Immer wieder kommt es vor, dass ein Agenturinhaber seine Versicherungsagentur aufgibt, den Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB erhält und anschließend im Namen der den Bestand übernehmenden Agentur als Agenturbeauftragter selbstständig tätig wird. Hier stellt sich die Frage, ob er für die Besteuerung des Ausgleichsanspruchs die Fünftel-Regelung nutzen kann. VVP beantwortet die Frage nachfolgend. |

Die Fünftel-Regelung des § 34 Abs. 1 EStG

Der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB infolge der Aufgabe der Agentur stellt für den Agenturinhaber einen laufenden Gewinn dar. Damit unterliegt er der Einkommen- und Gewerbesteuer. Freibeträge im Sinne des § 16 Abs. 4 EStG können nicht abgezogen werden. Allerdings handelt es sich beim Ausgleichsanspruch um eine Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchst. c) EStG. Daraus folgt, dass der Ausgleichsanspruch sogenannte außerordentliche Einkünfte nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG darstellt.

Die positive Rechtsfolge für den ehemaligen Agenturinhaber: Der Ausgleichsanspruch ist nach § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt mit der Fünftel-Regelung zu versteuern, wenn die Zahlung durch den Versicherer in einem Betrag erfolgt und es dadurch bei dem ehemaligen Agenturinhaber zu einer Zusammenballung von Einkünften kommt. Daran ändert sich auch nichts, wenn der ehemalige Agenturinhaber im Anschluss an die Agenturaufgabe für die Agentur selbstständig tätig wird, die seinen Bestand übernimmt.

Der bis zum Zeitpunkt der Agenturaufgabe erzielte Gewinn stellt ebenfalls einen laufenden Gewinn dar. Dieser unterliegt der Einkommen- und Gewerbesteuer zum regulären Steuersatz. Eine ermäßigte Besteuerung mit der Fünftel-Regelung ist nicht möglich. Gleiches gilt für den zu ermittelnden Übergangsgewinn infolge der Agenturaufgabe sowie den laufenden Gewinn als nachfolgender Agenturbeauftragter.

Beispiel

Der verheiratete Versicherungsvermittler V hat in den letzten Jahren einen durchschnittlichen Gewinn von 80.000 Euro erwirtschaftet. Zum 30.06.2022 gibt er seine Agentur auf. Er erhält von dem Versicherer einen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB in Höhe von 50.000 Euro. Dieser wird am 15.08.2022 an V ausgezahlt. Ab dem 01.07.2022 wird V für den neuen Agenturinhaber als Agenturbeauftragter tätig. Sein laufender Gewinn für die Zeit vom 01.01.2022 bis zum 30.06.2022 als Agenturinhaber beträgt 40.000 Euro. In der Zeit vom 01.07.2022 bis zum 31.12.2022 erzielt V als Agenturbeauftragter einen Gewinn von 25.000 Euro.

Lösung: V erzielt im Jahr 2022 insgesamt einen laufenden Gewinn von 115.000 Euro (50.000 + 40.000 + 25.000 Euro). Dieser muss grundsätzlich zum regulären progressiven Einkommensteuersatz versteuert werden. Die Einkommensteuer würde sich deshalb auf 29.630 Euro belaufen. Allerdings stellt der Ausgleichsanspruch von 50.000 Euro eine Entschädigung nach § 24 Nr. 1 Buchst. c) EStG dar. Da sich durch den geballten Zufluss im Jahr 2022 und den weiteren Einkünften des V eine Zusammenballung von Einkünften ergibt, werden die 50.000 Euro ermäßigt mit der Fünftel-Regelung des § 34 Abs. 1 EStG versteuert. Dadurch reduziert sich die Einkommensteuer auf 27.568 Euro – eine Steuerersparnis von 2.062 Euro.

Wichtig | Bei dem Beispiel wurden zur Übersichtlichkeit abzugsfähige Sonderausgaben, die nach § 35 EStG anrechenbare Gewerbesteuer und andere steuermindernden Positionen außer Ansatz gelassen.

Gewinn aus Agenturaufgabe bei entgeltlicher Übertragung

Würde der Agenturinhaber seine Agentur entgeltlich auf seinen Nachfolger übertragen, müsste ermittelt werden, ob es sich dabei um eine begünstigte Betriebsveräußerung nach § 16 EStG handelt. Hier kommt es unter anderem darauf an, ob der bisherige Agenturinhaber die bisher in seinem Betrieb entfaltete Tätigkeit endgültig einstellt und er alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in sein Privatvermögen übernimmt oder an den Erwerber veräußert, sodass sein Betrieb als wirtschaftlicher Organismus zu bestehen aufhört.

Beispiel

Der Versicherungsvermittler V überträgt seine Agentur auf A. V erhält von dem Versicherer einen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB. Der Erwerber A zahlt an V für die Agentur zusätzlich einen Kaufpreis. Denn V überträgt auf A auch alle wesentlichen Betriebsgrundlagen seiner Agentur (z. B. die laufenden Verträge, das Bürogebäude usw.). Danach verbleiben bei V keine Wirtschaftsgüter mehr, welche mit seiner bisherigen Agentur im Zusammenhang stehen. Alles ist auf A übergegangen. V wird nach dem Übergang für A als selbstständiger Agenturbeauftragter tätig und wickelt Bestands- und Neukundenverträge im Namen und auf Rechnung des A ab. Eigene Kunden betreut V nicht mehr, er wird nur noch für A tätig.

Lösung: V hat seine Agentur veräußert und alle wesentlichen Betriebsgrundlagen auf A übertragen. Damit liegen die Voraussetzungen für eine begünstigte Betriebsveräußerung i. S. v. § 16 EStG vor. V hat einen Veräußerungsgewinn zu ermitteln. Von diesem kann er einmal im Leben einen Freibetrag von bis zu 45.000 Euro abziehen (§ 16 Abs. 4 EStG). Voraussetzung ist allerdings, dass V bereits das 55. Lebensjahr vollendet hat oder dauernd berufsunfähig im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ist. Zudem ermäßigt sich der Freibetrag, wenn der Veräußerungsgewinn mehr als 136.000 Euro betragen sollte. Für den nach Abzug des Freibetrags verbleibenden Veräußerungsgewinn kann V die Besteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG mit der Fünftel-Regelung nutzen. Alternativ kann V auf Antrag einmal im Leben den ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG anwenden, wenn er bereits das 55. Lebensjahr vollendet hat oder dauernd berufsunfähig im sozialversicherungsrechtlichen Sinne sein sollte.

Wichtig | Die Steuervorteile einer Betriebsveräußerung entfallen nicht automatisch, wenn der frühere Unternehmer weiter für seinen ehemaligen Betrieb tätig ist (BFH, Urteil vom 17.07.2008, Az. X R 40/07, Abruf-Nr. 083534).

AUSGABE: VVP 1/2023, S. 11 · ID: 48649157

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