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MaklerrechtBestandskauf: Müssen alte Verträge bei Übernahme eines Bestands aufbewahrt werden?
| Mit der Übernahme eines Maklerbestands werden nicht nur Kunden mit laufenden Versicherungsverträgen in die Betreuung übernommen, sondern auch Unterlagen von Ex-Kunden übertragen, bestehend aus einer Vielzahl von gekündigten bzw. stornierten Verträgen und sonstigen Willenserklärungen, wie Kündigungen und Widerrufe. Und das oft in Papierform. Dann stellt sich die Frage: Muss der übernehmende Makler diese Unterlagen aufbewahren oder kann er sie vernichten? VVP beantwortet dazu eine Frage aus dem Leserforum. |
Frage: Wir haben einen Versicherungsmaklerbestand hinzugekauft. Darin enthalten sind u. a. eine Vielzahl von stornierten Versicherungsverträgen in Papierform. Uns stellt sich nun die Frage, ob diese „Papierleichen“ aufbewahrt werden müssen. Wenn ja, wäre das digital möglich? Sind Aufbewahrungsfristen zu beachten?
Antwort: Sie müssen diese alten Versicherungsverträge nicht aufbewahren. Gleichwohl ist ihre Aufbewahrung ratsam.
Rechtsnachfolge als Folge der Bestandsübertragung
Zum besseren Verständnis Allgemeines vorab: Die Übertragung von Maklerbeständen und die daraus in der Regel resultierende (Gesamt)Rechtsnachfolge erfolgt entweder im Rahmen einer Unternehmensübertragung (gemäß Umwandlungsgesetz) oder davon losgelöst als bloßer rechtsgeschäftlicher Übertragungsakt (Vertragsübernahme). Die damit verbundenen Rechte und Pflichten aus dem übertragenen Maklerbestand bzw. übertragenen Kundenbeziehungen werden dabei auf den übernehmenden Makler bzw. die übernehmende Maklergesellschaft übertragen.
Aufbewahrungspflichten nach HGB und AO werden übertragen
Eine Bestandsübertragung hat in der Regel zur Folge, dass auch die gesetzlichen Aufbewahrungspflichten von bestimmten Dokumenten und Unterlagen übertragen werden. Das betrifft insbesondere Handels- und Geschäftsbriefe und damit die Geschäftskorrespondenz mit Kunden, Versicherern und sonstigen Kooperationspartnern, wie z. B. Untervermittlern, Tippgebern und Maklerverbünden/-pools.
Aufbewahrungsfristen sechs oder zehn Jahre
Diese Dokumente sind nach § 257 HGB und § 147 AO sechs Jahre, Buchungsbelege, wie Courtageabrechnungen und -gutschriften, zehn Jahre aufzubewahren. Ob die Kundenverbindung noch besteht oder das Versicherungsvertragsverhältnis bereits beendet wurde, spielt für die Aufbewahrungspflicht keine Rolle.
Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahrs, in dem der Handelsbrief/Geschäftsbrief empfangen oder abgesandt worden ist. Entsprechendes gilt für Courtageabrechnungen/-gutschriften.
Das versteht man unter Handels- und Geschäftsbriefen
Als Handelsbriefe gelten nach § 257 Abs. 2 HGB nur Schriftstücke, die ein Handelsgeschäft betreffen. Unter Handelsgeschäften versteht man nach § 343 HGB alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehören. Da auch einseitige Handelsgeschäfte nach § 345 HGB zu den Handelsgeschäften gehören, gehört auch die Korrespondenz mit geschäftlichem Inhalt an oder von Privatpersonen hierzu.
Geschäftsbriefe umfassen alle (nicht mündlichen) Mitteilungen des Kaufmanns über geschäftliche Angelegenheiten nach außen. Somit ist Geschäftsbrief gegenüber dem Handelsbrief der weitere Begriff. Ohne Rücksicht auf die äußere Form gelten als Geschäftsbriefe z. B. auch Faxe, E-Mails und Postkarten (Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl., München 2018, § 37a, Rz. 4).
Aufbewahrungspflichten nach GwG ebenfalls beachtlich
Auch die nach dem Geldwäschegesetz (GwG) Verpflichteten – dazu gehören Versicherungsvermittler (§ 59 VVG) gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 8 GwG – müssen Aufzeichnungen über die Identifizierung von Kunden aufbewahren (§ 8 GwG). Hiernach sind die Aufzeichnungen fünf Jahre aufzubewahren.
Da jedoch andere gesetzliche Bestimmungen – wie das HGB und die AO – längere Aufbewahrungsfristen regeln, gelten die längeren Fristen entsprechend, also sechs bzw. zehn Jahre (Zentes/Glaab [Hrsg.], GwG, 2. Aufl., Frankfurt a. M., 2020, § 8, Rz. 36 f.). Unterlagen nach dem GwG sind also mit Blick auf den übernommenen Maklerkundenbestand ebenfalls aufzubewahren.
Form der Aufbewahrung – digital möglich
Die Unterlagen können in Papierform, aber auch eingescannt und digital auf Bild- oder anderen Datenträgern aufbewahrt werden. Letztlich müssen sie während der Dauer der Aufbewahrungsfrist verfügbar sein und jederzeit innerhalb angemessener Frist lesbar gemacht werden können, z. B. durch Ausdrucken (§ 257 Abs. 3 HGB, § 147 Abs. 2 Nr. 1 AO, § 8 Abs. 3 GwG). Entscheidend ist die bildliche bzw. inhaltliche Übereinstimmung mit dem Original, um die besondere Beweisfunktion der Unterlagen zu gewährleisten. Nicht unbedingt erforderlich ist die formatgetreue Wiedergabe; wichtig ist allein die Lesbarkeit ohne weitere Hilfsmittel.
- Geeignete Bild- und Datenträger sind z. B. Fotokopien, Mikrofilm, Computer-Festplatten, CD-ROM, Disketten, USB-Sticks.
- Im Bereich des GwG gilt z. B. als Aufzeichnung die angefertigte Kopie des Ausweises des Kunden.
Alte Verträge aufbewahren – keine Pflicht, aber ratsam
Zurück zu Ihrer Frage: Versicherungsverträge werden zwischen Versicherern und ihren Kunden/VN vereinbart. Der Makler ist nur vermittelnd tätig.
Daher gelten Versicherungsverträge nicht als Handels- und Geschäftsbriefe des Maklers in Bezug auf seine Kunden gemäß HGB und AO. Daher treffen Sie als Makler auch keine entsprechenden Aufbewahrungspflichten bezüglich der gekündigten bzw. stornierten Versicherungsverträge.
Aber: Die Korrespondenz zwischen Makler und Kunden und zwischen Makler und Versicherer stellt Handels- bzw. Geschäftsbriefe dar. Sie ist somit nach den vorstehend erörterten Grundsätzen aufzubewahren.
Versicherungs-vertrag ist die Basis aller Handels- und Geschäftsbriefe Praxistipp | Vor diesem Hintergrund sollten Sie alle Versicherungsunterlagen für die Dauer der Aufbewahrungspflicht aufbewahren – und somit auch den Versicherungsvertrag selbst. Denn der Versicherungsvertrag ist vertragsrechtlicher Ausgangspunkt aller damit zusammenhängenden Handels- und Geschäftsbriefe, z. B. Kündigungen, Widerrufe, Änderungen, Beratungsprotokolle. Das gilt entsprechend für den Versicherungsschein und alle Nachträge, außerdem für Versicherungsbedingungen und Änderungsmitteilungen. |
Auch aus einem zweiten Grund sollten Sie dies tun: Die im Rahmen der Rechtsnachfolge übernommenen (Ex-)Kunden haben – wenn auch nur gegen Ersatz der entstandenen Aufwendungen – nach Beendigung des Maklermandats zumindest einen gesetzlichen Anspruch auf Herausgabe aller Unterlagen, die der seinerzeit beauftragte Makler zur Ausführung des Auftrags erhalten und aus der Geschäftsbesorgung, z. B. von den Versicherern, erlangt hat (§ 667 BGB).
Daneben muss dem (Ex-)Kunden auf Verlangen Rechenschaft erteilt werden, etwa über das Handeln der Auftragsausführung, und die notwendige Übersicht über das besorgte Geschäft verschafft werden (§ 666 BGB). Auch deshalb ist es ratsam, vermeintliche „Papierleichen“ gemäß den Aufbewahrungsfristen aufzubewahren.
Möglichst wenig Angriffsfläche bieten und Unterlagen digital bereitstellen Fazit | Sie müssen alte (übernommene) Versicherungsverträge nicht aufbewahren; dazu gehörende Handels- und Geschäftsbriefe allerdings schon. Daher sollten Sie auch die alten Versicherungsverträge aufbewahren – zumindest digital und so lange, wie die hierzu gehörenden aufzubewahrenden Unterlagen aufbewahrt werden müssen. Und auch wenn etwaige Verstöße gegen die Aufbewahrungspflicht in Bezug auf Handels- und Geschäftsbriefe in der Regel keine handels-, steuer- oder strafrechtlichen Konsequenzen haben werden und diese sich auch nicht etwa auf Ihre Zuverlässigkeit als Vermittler i. S. v. § 34d Abs. 5 GewO auswirken dürften, sollten Sie die Aufbewahrung ernst nehmen. Denn nach dem GWG sind Verstöße gegen die Aufbewahrungspflicht eine Ordnungswidrigkeit. Und Ex-Kunden könnten ggf. Schadenersatzansprüche gegen Sie geltend machen, wenn Sie mangels Aufbewahrung von Unterlagen gegen Ihre Pflicht zur Herausgabe von Unterlagen und zur Rechenschaftserteilung verstoßen. Ein Bestandskauf ändert daran wegen der (Gesamt-)Rechtsnachfolge nichts. |
- Beitrag „Ex-Kunde kann Schriftwechsel herausverlangen – Makler kann Aufwendungsersatz verlangen“ auf vvp.iww.de → Abruf-Nr. 47718269
AUSGABE: VVP 9/2022, S. 5 · ID: 48491213