Logo IWW Institut für Wissen in der Wirtschaft
Login
FeedbackAbschluss-Umfrage

VersicherungsrechtAktuelles aus dem Versicherungsrecht von A bis Z

Abo-Inhalt04.08.20226270 Min. Lesedauer

| Jeden Monat entscheiden deutsche Gerichte Hunderte von Streitigkeiten zwischen Versicherern und Versicherungsnehmern (VN). Hier finden Sie die Quintessenz der wichtigsten Urteile und Beschlüsse von A bis Z – sortiert nach Personen- und Sachversicherung. |

Übersicht / Aktuelle Entscheidungen zur Personenversicherung

Krankenversicherung

BGH: Regelung in § 8b Abs. 1 MB/KK 2009 für die Prämienanpassung in der PKV wirksam

Die Regelung in § 8b Abs. 1 MB/KK 2009 in Verbindung mit den Tarifbedingungen des Versicherers enthält eine wirksame Grundlage für Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung. Dies betrifft Beitragserhöhungen, bei denen der Vergleich der erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen eine Abweichung über dem tariflich festgelegten Prozentsatz von fünf Prozent ergeben hat, der gesetzliche Schwellenwert von zehn Prozent aber nicht überschritten wird (BGH, Urteil vom 22.06.2022, Az. IV ZR 253/20, Abruf-Nr. 229895).

Anforderungen an Prämienanpassung im Beitragsentlastungstarif zur substitutiven Krankenversicherung

Die formellen und materiellen Anforderungen an die Prämienanpassung in einem ergänzend zur substitutiven Krankenversicherung abgeschlossenen Tarif zur Beitragsentlastung im Alter richten sich nach § 203 Abs. 2 und Abs. 5 VVG (OLG Karlsruhe, Urteil vom 02.06.2022, Az. 12 U 240/21, Abruf-Nr. 230084).

Transportkosten im Zusammenhang mit Dialysebehandlung nicht erstattungsfähig

Eine mehrmals pro Woche in einer Praxis niedergelassener Ärzte durchgeführte Dialysebehandlung stellt weder eine „ambulante Operation“ noch eine „stationäre Heilbehandlung“ im Sinne der maßgeblichen Tarifbedingungen einer privaten Krankenversicherung dar. Die mit einer solchen Dialysebehandlung verbundenen Transportkosten des VN sind im Rahmen dieser Tarifbedingungen daher nicht erstattungsfähig. Die mit einer Dialysebehandlung verbundenen Transportkosten des VN sind auch nicht als Rettungskosten nach §§ 82, 83 VVG erstattungsfähig (OLG Nürnberg, Urteil vom 28.02.2022, Az. 8 U 224/21, Abruf-Nr. 229472).

Lebensversicherung

OLG Stuttgart präzisiert Berechnung einer Überschussbeteiligung

  • § 6 der Mindestzuführungsverordnung (MindZV) ist dahingehend auszulegen, dass in der Lebensversicherung bei der Verteilung der Überschüsse die für die Bedienung der von Verträgen mit den jeweils vereinbarten rechnungsmäßigen Zinsen benötigten Kapitalerträge nicht vorab von den insgesamt erzielten Kapitalerträgen abzuziehen sind.
  • § 169 Abs. 3 VVG ist dahingehend auszulegen, dass die Abschluss- und Vertriebskosten nicht auch dann auf die ersten fünf Vertragsjahre zu verteilen sind, wenn die Prämie in einem Einmalbetrag geleistet wird oder die Beitragszahlungsdauer weniger als fünf Jahre beträgt.
  • Die über die Höchstzillmerung des § 4 DeckRV hinausgehende Verteilung von Abschluss- und Vertriebskosten über die gesamte Prämienzahlungsdauer ist zulässig. Wird die Lebensversicherung innerhalb der ersten fünf Jahre gekündigt, darf der VN bei der Ermittlung des Rückkaufswerts jedoch nur bis zur Grenze der Höchstzillmersätze mit Abschluss- und Vertriebskosten belastet werden (OLG Stuttgart, Urteil vom 03.02.2022, Az. 2 U 117/20, Abruf-Nr. 228091).

Auslegung der Bezugsrechtsbestimmung „Kinder zu gleichen Teilen“ – Ersatzbezugsberechtigung enthalten

Eine Bezugsrechtsbestimmung, die die vorhandenen Kinder zu gleichen Teilen als Bezugsberechtigte bestimmt, enthält für den Fall des Vorversterbens eines Kindes in der Regel die Bestimmung einer Ersatzbezugsberechtigung zugunsten der Abkömmlinge des vorverstorbenen Kindes (OLG Stuttgart, Urteil vom 27.01.2022, Az. 7 U 172/21, Abruf-Nr. 230040).

Übersicht / Aktuelle Entscheidungen zur Sachversicherung

Kfz-Versicherung

OLG Karlsruhe präzisiert Warteobliegenheit nach Verkehrsunfall

Es besteht zwar keine Pflicht, unmittelbar nach dem Unfall die Polizei herbeizurufen, wohl aber die Verpflichtung, eine angemessene Zeit zu warten. Wird ein Gartenzaun beschädigt, beträgt die Wartezeit mindestens 15 bis 30 Minuten.

Der Zweck der Warteobliegenheit besteht darin, dem Versicherer die sachgerechte Prüfung der Voraussetzungen seiner Leistungspflicht zu ermöglichen, wozu die Feststellung sämtlicher mit dem Schadenereignis zusammenhängender Tatsachen gehört, aus denen sich seine Leistungsfreiheit ergeben kann (OLG Karlsruhe, Urteil vom 20.01.2022, Az. 12 U 267/21, Abruf-Nr. 230041).

Mietwagenkosten und Nutzungsausfall nebeneinander

Nimmt der Unfallgeschädigte nur für Ausschnitte des Ausfallzeitraums einen Mietwagen und beansprucht er für den weiteren Zeitraum des Ausfalls seines Fahrzeugs Nutzungsausfallentschädigung, liegt darin ein legitimes Verhalten. Zwar kann der Geschädigte nicht Mietwagenkosten und abstrakten Nutzungsausfall für denselben Zeitraum geltend machen. Eine Differenzierung nach unterschiedlichen Zeiträumen ist indes vollkommen unbedenklich (LG Karlsruhe, Urteil vom 30.05.2022, Az. 10 O 243/19, Abruf-Nr. 229927).

Mietwagen angezweifelt: Kosten für Reparaturablaufplan erstatten

Auch wenn der Versicherer zwar nicht ausdrücklich einen Reparaturablaufplan anfordert, jedoch die Notwendigkeit der Mietwageninanspruchnahme anzweifelt und den Geschädigten auffordert, eine längere Dauer als 14 Tage nachzuweisen, muss er die Kosten für einen Reparaturablaufplan erstatten (AG Otterndorf, Urteil vom 13.06.2022, Az. 2 C 23/22, Abruf-Nr. 229780).

Kosten für Gutachter unterhalb der Bagatellgrenze

Dem Geschädigten sind bei einem Schaden in Höhe von ca. 680 Euro die Gutachterkosten für ein der niedrigen Schadenhöhe in Umfang und Preis angepasstes gutachterliches Produkt zu erstatten. Die Schadenminderungspflicht gebietet lediglich, dass kein umfangreiches Vollgutachten eingeholt wird (AG Hannover (Urteil vom 31.05.2022, Az. 524 C 1735/22, Abruf-Nr. 229701, eingesandt von Rechtsanwalt Henning Lange, Halle/Saale).

Wohngebäudeversicherung

Instandhaltungsobliegenheit betreffend Rückstausicherungen – Klausel unwirksam

Eine Klausel, die dem VN die Obliegenheit auferlegt, zur Vermeidung von Überschwemmungs- bzw. Rückstauschäden bei rückstaugefährdeten Räumen Rückstausicherungen „funktionsbereit“ zu halten, verstößt mangels Bestimmtheit gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (OLG Frankfurt, Urteil vom 13.05.2022, Az. 7 U 71/21, Abruf-Nr. 230401).

Keine eigene Reparaturpflicht des Versicherers bei Sanierung eines Leitungswasserschadens

Ein Wohngebäude- und Hausratversicherer, der für die Sanierung eines Leitungswasserschadens ein Fachunternehmen auswählt, übernimmt damit grundsätzlich keine eigene Reparaturpflicht gegenüber dem VN. Der Versicherer schuldet in einer solchen Konstellation nur die ordnungsgemäße Auswahl eines geeigneten Unternehmens. Er haftet hingegen nicht für behauptete weitere Schäden, die das ausgewählte Unternehmen bei Durchführung der Sanierungsarbeiten verursacht haben soll (OLG Nürnberg, Beschluss vom 21.03.2022, Az. 8 U 3825/21, Abruf-Nr. 229268).

OLG Frankfurt zur Zulässigkeit einer Feststellungsklage bei Wohngebäudeversicherung

Eine Feststellungsklage auf Gewährung bedingungsgemäßen Versicherungsschutzes ist jedenfalls grundsätzlich zulässig, solange der VN noch das bedingungsgemäße Sachverständigenverfahren (hier: in der Wohngebäudeversicherung) verlangen kann (OLG Frankfurt, Urteil vom 09.03.2022, Az. 7 U 133/20, Abruf-Nr. 230593).

Durch Dachlawine verursachter Schaden an einem Dachflächenfenster – Versicherungsfall „Schneedruck“

Definieren die Bedingungen einer Wohngebäudeversicherung den Versicherungsfall „Schneedruck“ als „die Wirkung des Gewichts von Schnee- oder Eismassen, so ist auch der durch eine Dachlawine verursachte Schaden an einem Dachflächenfenster vom Versicherungsschutz umfasst. Dabei ist es unerheblich, ob auch der allgemeine Sprachgebrauch „Dachlawinen“ oder „Dachschneebretter“ mit „Schneedruck“ gleichsetzt oder insoweit ein dynamisches Geschehen von einer rein statischen Wirkung unterscheidet, da es allein auf die eindeutige und unmissverständliche Definition in den AVB ankommt (LG Waldshut-Tiengen, Hinweisbeschluss vom 13.01.2022, Az. 2 S 28/21, Abruf-Nr. 229471).

Weiterführender Hinweis
  • Wer nach diesem ersten Überblick tiefer einsteigen möchte, findet alle Urteile im Volltext auf vvp.iww.de. Geben Sie dazu in den Suchschlitz (oben rechts auf der Website) die genannte sechsstellige Abruf-Nr. ein.

AUSGABE: VVP 9/2022, S. 27 · ID: 48403516

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2022

Bildrechte