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Wohngebäudeversicherung„Sommerfrost“ ist keine Erdsenkung
| Bei einem Schwinden des Bodens durch Austrocknen (sog. „Sommerfrost“) handelt es sich nicht um eine Erdsenkung. Eine Kündigung des Versicherungsvertrags durch den VR mit Rücksicht auf das Schadensereignis bedeutet kein Anerkenntnis des Versicherungsfalls. So entschied es das OLG Hamm. |
Sachverhalt
Der VN nimmt den VR auf Leistungen aus einer bei diesem bestehenden Wohngebäudeversicherung in Anspruch. Der VN erwarb im Jahr 2014 ein im Jahr 1963 errichtetes Mehrfamilienhaus von einer Wohnungsgesellschaft. Der Besitzübergang fand im Mai 2015 statt. Für das Gebäude bestand eine Wohngebäudeversicherung bei dem VR.
Ende Dezember 2017 stellte der VN Rissbildungen in dem von ihm erworbenen Mehrfamilienhaus fest und meldete den Schaden dem VR. Mit Schreiben von Ende Januar 2018, kündigte der VR den Versicherungsvertrag unter Hinweis auf den gemeldeten Schaden.
Im Mai 2018 lehnte der VR eine Einstandspflicht ab. Daraufhin leitete der VN ein selbstständiges Beweisverfahren zur Schadensursache ein. Die Sachverständigen R. und Z. gelangten darin zu dem Ergebnis, dass die Schäden durch sog. „Sommerfrost“ eingetreten seien. Durch anhaltende Trockenheit im Boden seien kleine Hohlräume entstanden. Wegen derer sei das Fundament abgesackt.
Der VN hat die Feststellung der Einstandspflicht des VR für die durch das Absacken des Fundaments entstandenen Schäden begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des VN hatte vor dem OLG Hamm keinen Erfolg (18.2.25, 20 U 122/24, Abruf-Nr. 248820). Die vom VN begehrte Feststellung einer Deckungspflicht des VR wegen der Schäden durch das Absacken des Fundaments seines Gebäudes ergibt sich weder aus einem Anerkenntnis des VR noch aus der bei dem VR genommenen Wohngebäudeversicherung.
- Zutreffend hat das LG Ansprüche des VN aus einem Anerkenntnisvertrag verneint, der sich nach Auffassung des VN daraus ergeben soll, dass der VR den bestehenden Versicherungsvertrag mit Rücksicht auf das hier in Rede stehende Schadensereignis gekündigt und damit das Bestehen eines Versicherungsfalls anerkannt habe. Ein Anerkenntnisvertrag setzt die übereinstimmende Erklärung der Vertragsparteien voraus, dass entweder – wie bei einem konstitutiven Schuldanerkenntnis – ein neues, von den zugrunde liegenden Rechtsbeziehungen losgelöstes Schuldverhältnis geschaffen wird oder – wie bei einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis –, dass ein bestehendes Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Punkten dem Streit oder der Ungewissheit entzogen wird. In beiden Fällen würde dies voraussetzen, dass sich der von dem VR erklärten Kündigung zumindest im Wege der Auslegung die Erklärung entnehmen lässt, dass der VR dem Grunde nach wegen des Schadensereignisses bedingungsgemäß einstehen wird.
- Für einen solchen Erklärungsinhalt der Kündigung bestehen indes keine Anhaltspunkte:
- Dagegen spricht wohl bereits, dass dem VN am Tag des Zugangs der Kündigung auch mitgeteilt wurde, dass der von dem VR beauftragte Gutachter erst im Januar 2018 vor Ort gewesen sei, um Feststellungen zur Ursache und ggf. zum Umfang des Schadens zu treffen. Unabhängig von der genauen Definition des Begriffs des Versicherungsfalls, der Voraussetzung einer Kündigung des Vertrags ist, war es für den VN erkennbar, dass der VR durch die Kündigung des Vertrags sicherlich keine Einstandspflicht bestätigen wollte, deren Voraussetzungen er durch die Beauftragung eines Gutachters gerade erst zu prüfen begonnen hatte.Auslegung der Kündigung
- Aber auch wenn dem VN die Kündigung zugegangen sein sollte, bevor ihn die Information über die noch nicht abgeschlossene Prüfung der Einstandspflicht erreichte, durfte er den in der Kündigung enthaltenen Verweis auf den „Versicherungsfall“ nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht dahin verstehen, dass der VR für den Schaden einstehen würde.
- Die Einstandspflicht des VR folgt auch nicht aus der bestehenden Wohngebäudeversicherung gemäß der Rahmenvereinbarung. Für die Geltung der Rahmenvereinbarung ist es unerheblich, dass sie nicht in dem Versicherungsschein genannt wird, der dem VN überlassen wurde. Zwar muss sich aus dem Versicherungsschein, den der VR dem VN gemäß § 3 Abs. 1 VVG auszustellen hat, grundsätzlich – sei es auch durch Verweisungen – der gesamte Inhalt des Versicherungsvertrags ergeben. Entsprechend müssen auch die dem Vertrag zugrunde liegenden AVB aufgeführt sein.Geltung der übernommenen Wohngebäude-versicherung
- Das besagt aber nicht, dass wirksam einbezogene Bedingungen oder andere Nebenabreden nicht gelten, wenn sie im Versicherungsschein ganz oder teilweise nicht genannt sind. Denn für den Versicherungsschein gilt allenfalls die widerlegbare Vermutung seiner Richtigkeit. Im Streitfall enthält der Versicherungsschein keinerlei Hinweise auf irgendwelche Bedingungswerke.
- Gegen die Wirksamkeit der Rahmenvereinbarung spricht nicht, dass die Vertragserklärungen außerhalb der regelmäßigen Annahmefrist abgegeben worden wären. Schon aus der Bezeichnung der vertragsschließenden Parteien im Eingang der von dem VR vorgelegten Rahmenvereinbarung ergibt sich, dass die Wohnungsgesellschaft, von der der VN das in Rede stehende Objekt übernommen hat, Vertragspartei der Rahmenvereinbarung ist und vertreten worden ist. Das Bestreiten der Vertretungsmacht der Q. für die VN sowie der zeichnenden Personen erfolgt ins Blaue hinein. Auch andere besondere Umstände, wegen derer es besonders treuwidrig wäre, dass sich der VR auf die Geltung der Rahmenvereinbarung beruft, sind nicht ersichtlich.Wirksamkeit der Rahmen-vereinbarung
- Hiernach hat das LG zutreffend festgestellt, dass der Versicherungsvertrag einschließlich der einbezogenen Rahmenvereinbarung auf den VN übergegangen ist. Nach deren Regelungen ist das Schadensereignis nicht versichert.Kein Versicherungsschutz nach der Rahmenvereinbarung
- Es liegt keine bedingungsgemäße Erdsenkung nach Nr. 4.6.4 der Rahmenvereinbarung vor. Erdsenkung ist nach dieser Klausel definiert als eine naturbedingte Absenkung des Erdbodens über natürlichen Hohlräumen. Diese Voraussetzungen sind bei einem Schwinden des Bodens durch das von den Sachverständigen im selbstständigen Beweisverfahren als Schadensursache ermittelten Phänomen des „Sommerfrosts“ nicht erfüllt. Die Sachverständigen haben ausgeführt, dass bei großer Trockenheit der Boden, in dem das Objekt des VN gegründet ist, nachgegeben hat. Durch das Austrocknen des Bodens konnten die zuvor mit Wasser gefüllten Poren durch das Gewicht des Hauses zusammengedrückt werden. In einem solchen Fall ist ein Absenken des Erdbodens über natürlichen Hohlräumen nicht gegeben.Es liegt keine Erdsenkung vor
- Auch wenn nach den Ausführungen der Sachverständigen die vor der Austrocknung mit Wasser gefüllten Räume einige Zentimeter groß sein können und deshalb vom Wortsinn her durch die Austrocknung durchaus eine Vielzahl von kleinen „natürlichen Hohlräumen“ entstanden sein mag, erfüllt dies nicht die Voraussetzungen der Klausel. Denn der durchschnittliche VN wird bei der Lektüre der Klausel erkennen, dass sich für eine bedingungsgemäße Erdsenkung der Erdboden absenken muss, und zwar über natürlichen Hohlräumen. Beim sog. Sommerfrost senkt sich indes nicht der Erdboden über einem darunter befindlichen Hohlraum. „Darunter“ muss sich der Hohlraum vor der Absenkung befinden, weil ansonsten sich der Erdboden nicht „über“ einem Hohlraum absenken kann. Der Boden bleibt – bildlich gesprochen – beim sog. „Sommerfrost“ dort, wo er schon immer war. Er ist durch die andere Zusammensetzung nur schrumpfungsfähig und daher weniger tragfähig geworden. Die tatsächlichen Angriffe des VN gegen die Feststellungen der Gutachter im selbstständigen Beweisverfahren hat das LG gemäß § 296a ZPO zu Recht zurückgewiesen. Im Berufungsrechtszug ist der VN mit diesem Vorbringen gemäß § 531 Abs. 1 ZPO daher ausgeschlossen.
- Versicherungsschutz besteht auch nicht nach Nr. 4.8 der Rahmenvereinbarung wegen einer dort näher definierten unbenannten Gefahr. Denn der geltend gemachte Schaden ist nach Nr. 4.8 (21. Spiegelstrich) der Rahmenvereinbarung vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Nach dieser Klausel sind nicht versichert „Schäden durch Reißen, Senken, Schrumpfen oder Dehnen von Gebäuden und Gebäudeteilen einschließlich Hof- und Gehsteigbefestigungen sowie Straßen.“ Die Rissbildung im Keller ist nach dem Vorbringen des VN und den Feststellungen der Sachverständigen dadurch entstanden, dass sich das Fundament des Hauses wegen des geschrumpften Bodens gesenkt hat. Das Fundament ist ein Teil des Gebäudes.Kein Versicherungsschutz wegen einer unbenannten Gefahr
- Ohne Erfolg führt die Berufungsbegründung aus, ein „Senken“ nach der Ausschlussklausel liege bei einem plötzlichen Schadenseintritt nicht vor. Das überzeugt schon deshalb nicht, weil die Berufungsbegründung an anderer Stelle – nämlich zur Frage des Eintritts des Versicherungsfalls eine Erdsenkung über einem natürlichen Hohlraum bejahen möchte. Warum der VN die Begriffe „Senkung“ und „Senken“ unterschiedlich verstehen möchte, erschließt sich nicht. Die Schäden sind daher vom Versicherungsschutz gegen unbenannte Gefahren ausgeschlossen.Kein Senken von Gebäuden und Gebäudeteilen
- Der Eintritt eines Versicherungsfalls steht nicht wegen der Kündigung und der hierzu getroffenen Feststellungen im Vorprozess um vermeintlich ausstehende Prämien fest. In dem Prozess, den die Parteien um vermeintlich ausstehende Prämien führten, ist der Eintritt eines Versicherungsfalls nicht für das hiesige Verfahren bindend festgestellt worden. Nach § 322 Abs. 1 ZPO reicht die Rechtskraft eines Urteils so weit, als über den erhobenen (prozessualen) Anspruch entschieden ist. Sie beschränkt sich auf den unmittelbaren Gegenstand des Urteils, das heißt auf die Rechtsfolge, die auf eine Klage oder Widerklage aufgrund eines bestimmten Sachverhalts bei Schluss der mündlichen Verhandlung den Entscheidungssatz bildet. Einzelne Urteilselemente, tatsächliche Feststellungen und rechtliche Folgerungen, auf denen die getroffene Entscheidung aufbaut, werden von der Rechtskraft nicht erfasst. Durch den Vorprozess ist das Vorliegen eines „Versicherungsfalls“ auch nicht in sonstiger Weise mit Bindungswirkung festgestellt. Denn wenn über einen Anspruch aus einem gegenseitigen Vertrag erkannt wird, wird damit nicht rechtskräftig über das Bestehen des Vertragsverhältnisses entschieden. Es ist schließlich auch nicht treuwidrig, dass der VR die Voraussetzungen seiner Eintrittspflicht bestreitet.Fehlende Bindungswirkung des Vorprozesses wegen der Prämien
- Der VR ist auch nicht wegen einer schuldhaften Verletzung seiner Beratungspflicht oder einer anderen Vertragspflicht nach den Grundsätzen der sog. Quasideckung verpflichtet, dem Grunde nach für das in Rede stehende Schadensereignis einzustehen. Aus den bereits genannten Gründen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der VN bis zum Schadensereignis im Dezember 2017 auf das Bestehen eines bestimmten Umfangs des Versicherungsschutzes eingestellt hatte. Schon gar keine Anhaltspunkte bestehen dafür, dass der VR einen konkreten Beratungsbedarf des VN im Hinblick auf den Umfang des übernommenen Schutzes aus der Gebäudeversicherung hatte. Denn der VN teilte dem VR mit, dass er mehrere Immobilien übernommen hatte. Er bat lediglich um Übersendung der Policen und Mitteilung etwaiger Schäden in den vergangenen fünf Jahren. Hieraus musste der VR nicht ablesen, dass der VN an weiteren Informationen über den Inhalt der übernommenen Versicherungsverträge interessiert war.Keine Verletzung der Beratungspflicht
- Dass der VR nach Schadenseintritt dem VN fehlerhaft nicht die Rahmenvereinbarung überließ, begründet keinen schadenersatzrechtlichen Deckungsanspruch. Denn die unzureichenden Informationen, die der VN durch die unterbliebene Übersendung der Rahmenvereinbarung erhielt, sind für die Ersatzpflicht nicht ursächlich geworden.
Relevanz für die Praxis
Zu den fehlenden Voraussetzungen eines Anerkenntnisses bezieht sich das Gericht auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (BGH NJW 00, 2501; BGH NJW 95, 960). Die Parteien haben vorliegend keinen Streit oder eine Unsicherheit über den Inhalt des zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisses beseitigen und eine klare Rechtslage als konstitutives Schuldanerkenntnis schaffen wollen, noch haben sie das Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Bestimmungen als deklaratorisches Schuldanerkenntnis dem Streit der Ungewissheit entziehen wollen. Beides ließ sich durch Auslegung der Kündigungserklärung des VR nicht entnehmen.
Rechtsprechungsübersicht: Abgrenzung der Erdsenkung |
Die Entscheidung nimmt Bezug auf obergerichtliche Rechtsprechung. Danach ist keine Erdsenkung und erst recht kein Erdfall anzunehmen, wenn der Boden sukzessive porös geworden ist und dadurch kleine Risse und Spalten entstanden sind. Auch die Senkung des Bodens infolge Austrocknung fällt mangels Hohlraums nicht unter Erdsenkung (OLG Köln 2.6.21, 9 U 248/20, juris, BeckRS, 21, 49380). Poren im lockeren Erdreich sind auch aus Sicht eines Laien keine Hohlräume, über welche im Rahmen eines Austrocknungs- und Schrumpfungsprozesses das Erdreich einstürzt (ebenso schon OLG Koblenz VK 12, 17 = VersR 12, 59; OLG Nürnberg r+s 07, 329; LG Köln VK 22, 58). Eine durch Austrocknung des Bodens erfolgte Bodenabsenkung ist weder als Erdfall noch als Erdrutsch anzusehen (OLG Dresden VK 23, 167). Der in verschiedenen Klauseln einer Wohngebäudeversicherung als „naturbedingtes Abgleiten oder Abstürzen von Gesteins- oder Erdmassen“ definierte Begriff „Erdrutsch“ erfasst auch allmähliche Erdbewegungen (BGH VK 23, 7). Damit hatte der BGH entschieden, dass der Erdrutsch keine sinnlich wahrnehmbare Bewegung des Erdreichs voraussetzt. Maßgebend für die Auslegung ist danach u. a. der Sprachgebrauch des täglichen Lebens und nicht eine Fachterminologie. |
- Das gilt zu den Voraussetzungen der Entschädigung bei Erdrutsch und Erdsenkung: VK 22, 58
- Eine Bodenabsenkung durch Austrocknung ist weder ein Erdfall noch ein Erdrutsch: VK 23, 167
AUSGABE: VK 7/2025, S. 112 · ID: 50460346