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UnfallversicherungVR muss nicht darauf hinweisen, dass der Anspruch bei Fristversäumnis verloren geht

Abo-Inhalt14.07.20256204 Min. Lesedauer

| Das OLG Braunschweig hat entschieden, dass eine ausreichende Belehrung gem. § 186 S. 1 VVG über die einzuhaltenden Fristen keinen zusätzlichen Hinweis darauf enthalten muss, dass der Versicherte seinen Anspruch bei Fristversäumung verliert. |

1. Ärztliche Unterlagen werden zu spät vorgelegt

Nachdem der Versicherte von einer Leiter gestürzt war, meldete der VN das Unfallereignis dem VR. Der VR bestätigte den Eingang der Schadensmeldung. In dem Schreiben bat er um Übersendung der ärztlichen Unterlagen und wies auf Folgendes hin: „Der Anspruch auf Invaliditätsleistung muss innerhalb von 21 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und bei uns geltend gemacht werden.“

Der VN legte die Unterlagen erst nach Ablauf der Frist vor. Der VR lehnte daraufhin eine Leistung ab und verwies auf die verspätete Geltendmachung. Der VN ist der Ansicht, dass sich der VR nicht auf den Fristablauf berufen könne. Die Belehrung sei gem. § 186 VVG unzureichend, da nicht auf die Rechtsfolge einer Fristversäumung hingewiesen worden sei.

Das OLG Braunschweig wies die Klage des VN ab. Er habe keinen Anspruch, da weder die Invalidität fristgerecht schriftlich ärztlich festgestellt noch der Anspruch rechtzeitig gegenüber dem VR geltend gemacht wurde (12.2.25, 11 U 11/23, Abruf-Nr. 247648).

2. Auf Rechtsfolgen muss nicht hingewiesen werden

Dabei machte das OLG deutlich, dass der VR entgegen der Ansicht des VN auch nicht über die Rechtsfolgen einer versäumten Frist belehren musste.

Ob die Aufklärung über die Rechtsfolge der versäumten Frist erforderlich ist, ist in der Literatur allerdings umstritten.

a) Die Gegenstimmen

Teilweise wird dies mit Hinweis auf den Sinn und Zweck der Norm bejaht (Dörner, in: Langheid/Wandt, Münchener Kommentar zum VVG, 3. Aufl., § 186 Rn. 5; Rüffer, in: HK-VVG, 4. Aufl., VVG § 186 Rn. 5; Knappmann, in: Prölss/Martin, 31. Aufl., § 186 VVG, Rn. 2 (siehe aber dagegen Piontek, in: Prölss/Martin, 32. Aufl., § 186 VVG, Rn. 2); Leverenz in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2011, § 186, Rn. 23, juris; offengelassen: OLG Saarbrücken 27.4.16, 5 U 36/15, Rn. 44 sowie OLG Dresden 12.10.18, 4 U 1097/18, Rn. 8). Der VN müsse zutreffend beurteilen können, ob die Fristeinhaltung notwendig sei. Andernfalls sei der Hinweis auf einzuhaltende Fristen unvollständig (Rüffer, a. a. O., § 186 Rn. 5).

b) Die Ansicht des OLG Braunschweig

Dem hat sich das OLG Braunschweig nicht angeschlossen. Es argumentiert: „Dass der VR den VN über die Rechtsfolgen der Fristversäumung informieren muss, sieht der Wortlaut des § 186 S. 1 VVG nicht vor (vgl. auch Jacob, Unfallversicherung, 3. Aufl., Ziff. 2.1 AUB 2020 Rn. 110 c; Piontek, in: Prölss/Martin, 32. Aufl., § 186 VVG, Rn. 2; Kloth, Private Unfallversicherung, G.II. Rn. 53).

Auch die Gesetzesbegründung weist lediglich darauf hin, dass den VR eine Informationsobliegenheit treffen solle, den VN auf die speziellen Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen hinzuweisen, nennt aber keine Hinweispflicht bezüglich der Rechtsfolgen (BT-Drucks. 16/3945, S. 109). Da der Gesetzgeber an anderen Stellen ausdrücklich geregelt hat, dass nicht nur Informationen zu Verhaltensnormen, sondern auch zu den Rechtsfolgen der Missachtung dieser Vorgaben zu erteilen sind (vgl. z.B. § 19 Abs. 5 S. 1 VVG, § 28 Abs. 4 VVG oder auch § 12 Abs. 3 S. 2 VVG a. F.), spricht das Fehlen in § 186 S. 1 VVG gegen ein solches Erfordernis. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass in der Literatur bereits vor Inkrafttreten der VVG-Reform 2008 gefordert wurde, in der Belehrung deutlich zum Ausdruck zu bringen, dass bei Fristversäumnis ein Anspruchsverlust droht (Manthey, NVersZ 01, 55, 60; Knappmann, r+s 02, 485, 489). Der Gesetzgeber hätte die entsprechenden Vorgaben auch hier regeln können.“

Das OLG führt weiter aus: „Auch Sinn und Zweck der Vorschrift erfordern nicht, den Versicherten auf die Rechtsfolge des Fristablaufs hinzuweisen. Mit der Belehrung über die Fristen soll der Gefahr vorgebeugt werden, dass dem VN möglicherweise berechtigte Ansprüche allein wegen Ablaufs einer ihm nicht immer geläufigen Frist verloren gehen (BGH 22.5.19, IV ZR 73/18, Rn. 27; 14.1.15, IV ZR 43/14, VersR 15, 230 Rn. 12; BT-Drucks. 16/3945 S. 109). Wird ein VN aber dahin gehend belehrt, dass er innerhalb einer bestimmten, näher bezeichneten Frist bestimmte Handlungen vorzunehmen hat, muss ihm klar sein, dass die Missachtung von Fristen für ihn nachteilige Rechtsfolgen haben kann. Dies gilt insbesondere, wenn der VR darauf hinweist, dass die ärztliche Feststellung sowie die Geltendmachung der Invaliditätsleistung innerhalb der Frist erfolgen müsse.“

3. Hinweis muss gegenüber dem Begünstigten erfolgen

Dem VR ist es im Übrigen auch nicht deshalb verwehrt, sich auf den Fristablauf zu berufen, weil der Hinweis gem. § 186 S. 1 VVG gegenüber dem Begünstigten hätte erteilt werden müssen.

Auch wenn dies vorliegend nicht geschehen ist, kann sich der VR gleichwohl auf den Fristablauf berufen. Bei einer Versicherung für fremde Rechnung muss der Unfallversicherer grundsätzlich nicht die versicherte Person neben oder an Stelle des VN entsprechend § 186 S. 1 VVG informieren. Das gilt auch, wenn der Versicherte den Versicherungsfall anzeigt (BGH 22.5.19, IV ZR 73/18).

Weiterführender Hinweis
  • Invaliditätsfeststellung: Fristgerechter Eintritt der Invalidität muss nicht bescheinigt werden: OLG Saarbrücken, VK 23, 3

AUSGABE: VK 7/2025, S. 117 · ID: 50422181

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