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KostenrechtVorsicht: Kostenaufhebung ist ein Obliegenheitsverstoß nach den ARB
| Nach den ARB müssen in einem Vergleich die Kosten verhältnismäßig nach Obsiegen und Unterliegen verteilt werden. Werden die Kosten im Vergleich gegeneinander aufgehoben, liegt darin eine Obliegenheitsverletzung, die zum teilweisen Verlust des Versicherungsschutzes führen kann. Der folgende Beitrag erläutert, wann dies der Fall ist und zu einer Kürzung der Versicherungsleistungen führen kann. |
1. Das ist die verhältnismäßige Teilung nach den ARB
In den ARB wird ausdrücklich geregelt, dass die Kosten eines Rechtsstreits verhältnismäßig zu teilen sind. Als Maßstab der Verteilung gilt allein das Obsiegen und Unterliegen – andere Umstände müssen außer Betracht bleiben. Dabei orientieren sich die ARB an § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, wonach bei beiderseitigem Obsiegen bzw. Unterliegen die Kosten des Rechtsstreits verhältnismäßig aufzuteilen sind.
Nach den jeweiligen ARB trägt der VR bei Abschluss eines Vergleichs die entstandenen Kosten nur, soweit die vergleichsweise getroffene Kostenregelung dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen entspricht (ausführlich: VK 24, 69).
Verstößt der VN gegen diese Obliegenheit, ist der Rechtsschutzversicherer nur verpflichtet, die Kosten der Gegenseite nach der verhältnismäßigen Quote zu tragen, die dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen entsprochen hätte. Darüber hinaus ist er zur Übernahme der Gerichtskosten und der eigenen Kosten des VN nur insoweit verpflichtet, als dieser bei der zutreffenden Kostenregelung keine Erstattung der Gegenseite erhalten hätte.
2. Nach den ARB ist Kostenaufhebung im Vergleich nicht zulässig
Von der verhältnismäßigen Teilung ist die Kostenaufhebung zu unterscheiden. Zwar ist es nach § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO auch möglich, die Kosten bei beiderseitigem Obsiegen und Unterliegen gegeneinander aufzuheben. Es handelt sich jedoch nicht um eine verhältnismäßige Teilung. Bei der Kostenaufhebung trägt nämlich jede Partei ihre eigenen Kosten selbst – lediglich die Gerichtskosten werden verhältnismäßig (= hälftig) geteilt nach § 92 Abs. 1 S. 2 ZPO.
Die Folge ist: Eine vergleichsweise Kostenaufhebung ist nach den ARB nicht zulässig, weil es sich dabei nicht um eine verhältnismäßige Teilung handelt. Wird in einem Vergleich vereinbart, die Kosten gegeneinander aufzuheben, liegt darin folglich eine Obliegenheitsverletzung.
3. Bei gleich hohen/höheren Kosten des Gegners passiert nichts
Die Vereinbarung der Kostenaufhebung als Obliegenheitsverletzung führt jedoch bei gleichem Obsiegen und Unterliegen beider Parteien nur dann zu einer Kürzung der Versicherungsleistungen, wenn sich diese Obliegenheitsverletzung im konkreten Fall auch ausgewirkt hat. Das ist nicht der Fall, wenn die Kosten des Gegners gleich hoch (wie die eigenen) oder sogar höher waren. Dem VR entstehen hier keine Nachteile.
Beispiel 1: Vergleich mit Kostenaufhebung | |
Kosten von Rechtsstreit + Vergleich werden gegeneinander aufgehoben Der bei V rechtsschutzversicherte Kläger K klagt gegen den Beklagten B auf Zahlung von 10.000 EUR. Die Parteien schließen einen schriftlichen Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO, wonach sich B verpflichtet, 5.000 EUR an K zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs werden im Vergleich gegeneinander aufgehoben. K und B sind nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Lösung | |
V übernimmt die Kosten des K in folgender Höhe: | |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG | 798,20 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG | 736,80 EUR |
1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV RVG | 614,00 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG | 412,11 EUR |
2.581,11 EUR | |
1,0-Gerichtsgebühr | 339,00 EUR |
2.920,11 EUR | |
Darüber hinaus geht auf V der Kostenerstattungsanspruch des K gegen B auf Zahlung einer halben Gerichtsgebühr i. H. v. 169,50 EUR gemäß § 86 Abs. 1 S. 1 VVG über, sodass er letztlich mit insgesamt 2.750,61 EUR belastet wird. Wenn Gesamtkosten halbiert werden Wären die Gesamtkosten hälftig geteilt worden, hätte sich kein Unterschied ergeben. V hätte wiederum die Kosten des K übernommen und hätte wiederum einen Kostenerstattungsanspruch erhalten in folgender Höhe: | |
Kosten K | 2.581,11 EUR |
Kosten B | 2.581,11 EUR |
1,0-Gerichtsgebühr | 339,00 EUR |
5.501,22 EUR | |
hiervon 1/2 = | 2.750,61 EUR |
./. eigene Kosten K | - 2.920,11 EUR |
Erstattungsanspruch | 169,50 EUR |
4. Nur bei Nachteilen wird Versicherungsleistung gekürzt
Unterschiede ergeben sich, wenn die eigenen Kosten höher sind als die des Gegners. Dann ergibt sich bei Kostenaufhebung ein ungünstigeres Ergebnis als bei verhältnismäßiger Teilung. Solche Mehrkosten aufseiten der eigenen Partei können sich aufgrund der verschiedensten Umstände ergeben.
So kann es z. B. sein, dass der Gegner vorsteuerabzugsberechtigt ist, die eigene Partei jedoch nicht. Dann ergeben sich aufseiten des VN schon allein dadurch Kosten, die um 19 % höher liegen als die des Gegners.
Abwandlung von Beispiel 1 | |
Wenn nur eine Partei vorsteuerabzugsberechtigt ist B ist vorsteuerabzugsberechtigt, K dagegen nicht. So hätte sich bei einer hälftigen Kostenverteilung in Beispiel 1 an den zu übernehmenden Kosten des K kein Unterschied ergeben. Auf den V wäre jetzt jedoch ein höherer Kostenerstattungsanspruch übergegangen: | |
Kosten K | 2.581,11 EUR |
Kosten B | 2.169,00 EUR |
1,0-Gerichtsgebühr | 339,00 EUR |
5.089,11 EUR | |
hiervon 1/2 = | 2.544,56 EUR |
./. eigene Kosten (s. o.) | - 2.920,11 EUR |
Erstattungsanspruch | - 375,55 EUR |
Des Weiteren können aufseiten der eigenen Partei mehrere Auftraggeber gegeben sein, sodass bei der Verfahrensgebühr eine Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG eintritt und sich dadurch ein höheres eigenes Gebührenaufkommen ergibt. Möglich ist auch, dass die Gegenseite anwaltlich nicht vertreten ist und dadurch bei ihr geringere oder gar keine auszugleichenden Kosten anfallen. Schließlich können aufseiten der eigenen Partei versicherte Kosten eines Verkehrsanwalts oder Reisekosten des Anwalts bis zur Höhe der Verkehrsanwaltskosten entstehen, während die Gegenseite keine Reisekosten hat.
Beispiel 2: Vergleich mit Kostenaufhebung bei Reisekosten | |
Die in München wohnenden rechtsschutzversicherten Eheleute E werden vom Kläger K vor dem LG Hamburg auf Zahlung eines Betrags i. H. v. 10.000 EUR in Anspruch genommen. Sie beauftragen den Münchener Anwalt A, der zu insgesamt zwei Terminen nach Hamburg reist. Im zweiten Termin wird ein Vergleich geschlossen, wonach sich E verpflichten, zum Ausgleich der Klageforderung 5.000 EUR an K zu zahlen. Im Vergleich wird vereinbart, die Kosten gegeneinander aufzuheben. Beide Parteien sind nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Lösung Nach der Vereinbarung müsste V jetzt zunächst die Anwalts- und Gerichtskosten der E tragen, und zwar in folgender Höhe: | |
1,6-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 1008 VV RVG | 982,40 EUR |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG | 736,80 EUR |
1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV RVG | 614,00 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
Reisekosten (2 x München–Hamburg und zurück) bis zur Höhe von: | |
1,3-Verfahrensgebühr, Nrn. 3400, 3100 VV RVG | 798,20 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG | 20,00 EUR |
818,20 EUR | |
Zwischensumme | 3.171,40 EUR |
19 % USt., Nr. 7008 VV RVG | 602,57 EUR |
3.773,97 EUR | |
1,0-Gerichtsgebühr | 339,00 EUR |
4.112,97 EUR | |
Im Gegenzug wäre der Anspruch auf Erstattung der Gerichtskosten von 169,50 EUR auf V übergegangen. Bei der verhältnismäßigen Teilung (50 : 50) wäre auf den V dagegen ein Kostenerstattungsanspruch übergegangen in Höhe von: | |
Anwaltskosten E | 3.773,97 EUR |
Anwaltskosten K (s. o. wie in Beispiel 1) | 2.581,11 EUR |
1,0-Gerichtsgebühr | 339,00 EUR |
6.694,08 EUR | |
hiervon 1/2 | 3.347,04 EUR |
./. eigene Kosten E | - 4.112,97 EUR |
- 765,93 EUR | |
Insoweit würde sich also die Obliegenheitsverletzung auswirken, weil V anstelle eines Kostenerstattungsanspruchs von 765,93 EUR nur 169,50 EUR erhalten würde. Er würde damit einen Verlust in Höhe von 596,43 EUR erleiden. Der V könnte daher von den zu übernehmenden Kosten der E (4.112,97 EUR) den Verlust von 596,43 EUR einbehalten bzw. zurückfordern. Achtung: Hier muss der Anwalt Schadenersatz leisten Dafür würde der Anwalt A einstehen müssen, da die Vereinbarung einer nachteiligen Kostenregelung eine Verletzung des Anwaltsvertrags darstellt, die zum Schadenersatz führt (vgl. LG Landshut NJW 11, 2063). |
5. Handlungsempfehlung
Eine Vereinbarung, dass die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben werden, ist nach den ARB stets eine Obliegenheitsverletzung. Diese kann in zahlreichen Fällen zu Mehrkosten führen. Sie sollten daher grundsätzlich immer auf eine verhältnismäßige Verteilung hinwirken.
Eine Kostenaufhebung sollten Sie zudem nur mit Zustimmung des Rechtsschutzversicherers vereinbaren oder wenn Sie sich sicher sind, dass die eigenen Kosten Ihrer Mandanten die der Gegenseite nicht übersteigen.
Will sich die Gegenseite auf eine verhältnismäßige Teilung nicht einlassen, bleibt nur die Möglichkeit, den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt zu erklären und eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO zu beantragen. Beschließt das Gericht in diesem Fall eine Kostenaufhebung, ist dies für den VN jedenfalls unschädlich. Denn der Rechtsschutzversicherer ist an eine Entscheidung des Gerichts nach § 91a ZPO stets gebunden (vgl. OLG Hamm NJW-RR 05, 331).
AUSGABE: VK 7/2025, S. 123 · ID: 49856484