FeedbackAbschluss-Umfrage

GebäudeversicherungAnsprüche nach Herabstürzen einzelner Teile eines Baums nach Sturm

Abo-Inhalt12.06.20258 Min. LesedauerVon RiOLG a. D. und RA Dr. Dirk Halbach, Bonn

| Das Herabstürzen einzelner Teile eines Baums nach einem Sturmereignis stellt kein Umstürzen dar. Rettungskostenersatz kann nur verlangt werden, wenn der Versicherungsfall unmittelbar bevorsteht, also ohne Rettungsmaßnahmen der versicherte Schaden unabwendbar wäre oder doch mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb kurzer Zeit eintreten würde. So entschied es das LG Oldenburg. |

Sachverhalt

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Wohngebäudeversicherung nach einem vom VN behaupteten Sturmereignis. Der VN unterhält bei dem VR eine Wohngebäudeversicherung für das auf seinem Grundstück befindliche Gebäude. Versichert sind insbesondere Sturmschäden. Dem Versicherungsvertrag liegen die VGB 2014 des VR zugrunde. Darin findet sich zu Sturmschäden die folgende Regelung:

Auszug aus den VGB

„§ 7 Was ist Sturm, Hagel? Was gehört nicht hierzu?
  • 1. Sturm ist eine wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8 nach Beaufort (Windgeschwindigkeit mind. 62 km/Stunde). Ist diese Windstärke für das Versicherungsgrundstück (siehe § 1 Nr. 1 c) nicht feststellbar, so wird ein versichertes Sturmereignis unterstellt, wenn der VN nachweist, dass
    • a) eine wetterbedingte Luftbewegung in der Umgebung des Versicherungsgrundstücks Schäden an anderen Gebäuden in einwandfreiem Zustand oder an ebenso widerstandsfähigen anderen Sachen angerichtet hat oder
    • b) der Schaden wegen des einwandfreien Zustands des versicherten Gebäudes nur durch Sturm entstanden sein kann.

Als ein mit Ziffer 4.8 nummeriertes „Spezialpaket“ sind diverse Vertragsergänzungen vereinbart, unter anderem die Folgende:

Vertragsergänzung: 26. Aufräumungskosten für Bäume

  • a) Der VR ersetzt die notwendigen Kosten für das Entfernen durch Sturm oder Blitz umgestürzter Bäume vom Versicherungsgrundstück (siehe § 1 Nr. 1 c VGB), den Abtransport zum nächsten Ablagerungsplatz und für das Ablagern oder Vernichten.
  • b) Der VR ersetzt außerdem die infolge eines Ereignisses gemäß a) entstehenden Kosten für das Entfernen der Wurzeln bis 0,5 m3, für eine ersatzweise Bepflanzung mit Jungpflanzen in Hochstammqualität bis 14/16 cm Stammumfang, für die Verfüllung mit Erdreich und für die Angleichung an das übrige Geländeniveau.
  • c) Abgebrochene Äste, Sträucher und bereits abgestorbene Bäume fallen nicht unter den Versicherungsschutz.
  • d) Die Entschädigung ist je Versicherungsfall (siehe § 4 VGB) begrenzt auf 10 Prozent der Versicherungssumme (§ 11 Nr. 8 VGB).

Am 5.7.23 zog ein Sturmtief mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 146 km/h über die Stadt. Auch am 12.7.23 war es zumindest windig. Die Hälfte der Baumkrone einer mehr als 20 m hohen Rosskastanie brach ab und stürzte in den Garten des versicherten Grundstücks. Dabei brachen auch Teile des Baumstamms heraus. Die zwei Abbruchstellen wiesen eine Fläche von ca. 80 x 160 cm bzw. von ca. 70 x 100 cm auf. Der verbliebene Rest des Baums hatte keine ausreichende Standfestigkeit mehr und drohte umzustürzen. Noch am 12.7.23 zeigte der VN gegenüber dem VR den Schadensfall an. Er beauftragte einen Baumsachverständigen, der aufgrund von Sicherheitsbedenken die Beseitigung des Restbaums empfahl. Der VN ließ ihn entfernen und abtransportieren. Er ist der Auffassung, der VR sei zur Zahlung der vom Gutachter und der mit der Baumfällung beauftragten Firma berechneten Beträge von insgesamt 8.160,84 EUR verpflichtet.

Entscheidungsgründe

Die Klage hatte vor dem LG Oldenburg keinen Erfolg (21.10.24, 13 O 671/24, Abruf-Nr. 248290). Der VN hat keinen Anspruch auf eine Entschädigung im Hinblick auf die geltend gemachten Kosten für das Fällen des Restbaums und den Abtransport der Baumteile. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus dem Versicherungsvertrag. Dabei kann offenbleiben, ob ein Sturm im Sinne von § 7 Nr. 1 VGB 2014 vorgelegen hat und ob dieser für die Beschädigung des Baums ursächlich war. Ebenso kann dahinstehen, ob der streitgegenständliche Baum auf dem Versichertengrundstück stand. Jedenfalls sind die geltend gemachten Kosten nicht versichert. Der Baum gehört zunächst nicht zu den nach § 1 VGB 2014 versicherten Sachen.

Die Kosten für die Entfernung des Baums sind aber auch nicht über Nr. 26 des Spezialpakets versichert. Nach Nr. 26 Buchst. a des Spezialpakets hat der VR die notwendigen Kosten für das Entfernen durch Sturm umgestürzter Bäume zu ersetzen, während nach Buchst. c abgebrochene Äste nicht unter den Versicherungsschutz fallen. Vorliegend fehlt es am versicherten Umstürzen eines Baums im Sinne von Nr. 26 Buchst. a des Spezialpakets.

Ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter VN, wird eine Versicherungsdeckung ausgehend vom Wortlaut der Klausel und unter Berücksichtigung des Zwecks und Sinnzusammenhangs nur annehmen, wenn ein Baum umgestürzt ist. Dafür wird es der VN für erforderlich halten, dass ein Baum ganz oder teilweise entwurzelt und seitlich zu Boden gegangen ist. „Umstürzen“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch als „zu Boden, zur Seite stürzen“, also wie „umfallen“ „aus einer aufrechten, senkrechten Stellung heraus zur Seite fallen“ verstanden. Sonstige Beschädigungen eines Baums wie das Abknicken bzw. Abbrechen einer Baumkrone sind jedenfalls dann nicht mit dem Umstürzen eines Baums gleichzusetzen, wenn der wesentliche Teil des Baumstamms stehen bleibt. Ein Herabstürzen einzelner Baumteile ist begrifflich etwas anderes als das Umstürzen des Baums. Der Baum ist nicht entwurzelt und nicht zur Seite umgefallen. Wesentliche Teile einschließlich Teile der Baumkrone sind stehen geblieben. Der Stamm hat sich nicht einmal zur Seite geneigt. Vor diesem Hintergrund kann der Baum im Sinne der Klauseln nicht als umgestürzt betrachtet werden. Auch aus dem Zweck oder Sinnzusammenhang der Klausel lässt sich keine andere Auslegung ableiten.

Im Streitfall kommt hinzu, dass nach Nr. 26 Buchst. c des Spezialpakets abgebrochene Äste explizit nicht versichert sein sollen. Wie schon aus den Lichtbildern im Baumgutachten zu ersehen ist, handelt es sich vorliegend um Astabbrüche, mögen auch Teile des Baumstamms mit herausgebrochen sein und die abgebrochenen Äste Stammstärke gehabt haben. Auch der Gutachter spricht in der Zusammenfassung von gebrochenen Starkästen und einem Abbrechen der Äste. Ein solches ist aber ausdrücklich nicht versichert.

Nichts anderes ergibt sich aus Nr. 26 b) des Spezialpakets, wonach der VR die Kosten für das Entfernen der Wurzeln ersetzt. Entgegen der Ansicht des VN ist diese Regelung nicht überflüssig, wenn man ein Entwurzeln des Baums für die Annahme eines Umstürzens für erforderlich hält. Wenn ein Baum zur Seite fällt, führt dies grundsätzlich dazu, dass Wurzelwerk abreißt oder aus dem Boden gerissen wird. Es werden aber in aller Regel Teile des Wurzelwerks im Boden verbleiben. Nr. 26 Buchst. b des Spezialpakets regelt für diesen Fall, dass und in welchem Umfang (nämlich nur bis zu 0,5 m³) der VR die Kosten für die Beseitigung des im Boden verbliebenen Wurzelwerks zu tragen hat. Die Regelung ist mithin keineswegs überflüssig.

Der VN kann die Kosten auch nicht als Rettungskosten nach § 90 i. V. m. § 83 Abs. 1 S. 1 VVG ersetzt verlangen. Die Aufwendungen waren nicht erforderlich, um einen unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfall abzuwenden oder in seinen Auswirkungen zu mindern. Zwar wäre ein Versicherungsfall nach Nr. 26 des Spezialpakets eingetreten, wenn der verbliebene Baum infolge eines Sturms umgestürzt wäre. Erst recht wäre ein Versicherungsfall eingetreten, wenn der Baum sturmbedingt auf das versicherte Gebäude gefallen wäre und dieses beschädigt hätte. Der Eintritt eines solchen Versicherungsfalls stand indes nicht unmittelbar bevor. Unmittelbar bevor steht der Eintritt eines Versicherungsfalls, wenn ohne Rettungsmaßnahmen versicherter Schaden unabwendbar wäre oder doch mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb kurzer Zeit eintreten würde Die Gefahrenlage muss sich dabei soweit verdichtet haben, dass ein konkreter Versicherungsfall, also ein nach Art und Auswirkungen schon näher zu beschreibender Schadensfall, in kürzester Zeit und ohne die Rettungsmaßnahme unabwendbar eintreten wird. Solches kann zwar insbesondere gegeben sein, wenn ein Baum durch einen Sturm entwurzelt wurde und beim nächsten Windstoß auf ein sturmversichertes Gebäude zu fallen droht. Eine derartige unmittelbare Gefahr lag hier aber ausweislich des Privatgutachtens, auf das sich der VN beruft, nicht vor.

Der Gutachter hat zwar einen dringenden Handlungsbedarf gesehen und empfohlen, den Baum zu fällen. Die erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Versicherungsfalls lässt sich daraus indes nicht entnehmen. Jedenfalls aber ergibt sich daraus kein ohne Rettungsmaßnahme in kürzester Zeit eintretender Schaden. Der Privatgutachter hat die Gefahr weiterer Abbrüche maßgeblich auf eine zu erwartende Fäulnis des Stamms aufgrund der ungeschützten Schadstellen gestützt. Das wird aber ein schleichender Prozess sein. Der Gutachter hat im Einklang damit erklärt, dass der Baum möglichst umgehend, am besten innerhalb der nächsten Woche gefällt werden sollte. Eine sofortige Fällung hat der Privatgutachter damit nicht als erforderlich erachtet. Es erscheint zwar nachvollziehbar, dass der VN mit der Fällung nicht zugewartet, sondern diese sofort in Auftrag gegeben habe, um die latente Gefahr drohender Schäden zu beseitigen. Dies führt aber nicht zu einer Ersatzfähigkeit der Kosten, da ein Versicherungsfall eben nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit unmittelbar bevorstand. Allgemeine Schadensverhütungskosten sind nicht vom Aufwendungsersatzanspruch umfasst, sondern vom VN selbst zu tragen.

Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Kosten für die Einholung des Baumgutachtens. Aus den Versicherungsbedingungen ergibt sich keine Grundlage für einen Ersatz dieser Kosten.

Entgegen der Auffassung des VN sind die Kosten auch nicht als Schadensermittlungskosten nach § 85 Abs. 1 VVG von dem VR zu tragen. Zum einen liegt kein versicherter Schaden an dem Baum vor. Zum anderen bestehen auch die Voraussetzungen nicht, unter denen Kosten für die Hinzuziehung eines Sachverständigen nach § 85 Abs. 2 VVG ausnahmsweise zu erstatten sind. Der VN war weder vertraglich verpflichtet, den Privatgutachter hinzuzuziehen, noch hatte ihn der VR dazu aufgefordert.

Relevanz für die Praxis

Das LG bezieht sich zur Abgrenzung des sturmbedingten Umstürzens eines Baums zu anderen Baumschäden auf Urteile des LG Bremen VersR 05, 356; LG Wiesbaden ZfS 07, 640; AG Köln VersR 09, 1622 und AG Emmendingen r+s 21, 338. Diese Rechtsprechung verlangt für die Annahme eines „Umstürzens“, dass eine Entwurzelung oder zumindest ein Abbrechen des Baumstamms insgesamt erforderlich ist. Teilweise wird vorausgesetzt, dass der Baum „vollständig umfällt“ (AG Köln, a. a. O). Jedenfalls dürfen danach keine Teile der Krone verblieben sein. Demgegenüber hat das OLG München (VK 19, 115) in einem etwas anders gelagerten Fall zur Erstattung von Aufräumkosten Zweifel geäußert, dass zwischen abgetrenntem „Teilbaum“ und nicht mehr standsicherem „Restbaum“ zu unterscheiden ist. Auf jeden Fall wird man die vereinbarte Fassung des Bedingungswerks berücksichtigen müssen.

Im Hinblick auf die Voraussetzungen des Rettungskostenersatzes (§ 90, § 83 Abs. 1 S. 1 VVG) folgt das LG der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH VersR 94, 1118). Danach muss sich die Gefahrenlage so weit verdichtet haben, dass ein Versicherungsfall in kürzester Zeit und ohne Rettungsmaßnahme unabwendbar eingetreten wäre (vgl. auch OLG Saarbrücken Zfs 08, 460). Diese Voraussetzungen waren hier nicht erfüllt.

Weiterführender Hinweis
  • zu Aufräumkosten nach Sturm: OLG München VK 19, 115

AUSGABE: VK 6/2025, S. 94 · ID: 50430373

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2025

Bildrechte