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BelehrungIn diesen Fällen ist eine „Doppelbelehrung“ durch den VR wirksam

Abo-Inhalt20.02.2024140 Min. Lesedauer

| Ein Rücktritt des VR vom Vertrag wegen der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht kann daran scheitern, dass die Belehrung den Anforderungen des § 19 Abs. 5 S. 1 VVG nicht genügt. Ob ein als sog. „Doppelbelehrung“ erteilter Hinweis auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung den formalen Anforderungen an die „gesonderte Mitteilung“ nach § 19 Abs. 5 VVG genügt, ist mittels einer Gesamtwürdigung und nicht aufgrund einer isolierten Betrachtung der einzelnen Elemente dieser Belehrung zu entscheiden. So entschied es das OLG Saarbrücken. |

1. Die Grundsätze

Der VR kann die Rechte nach § 19 Abs. 2 bis 4 VVG, mithin insbesondere das Rücktrittsrecht wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit, nur geltend machen, wenn er den VN durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat.

Dabei erfordert das Merkmal einer „gesonderten Mitteilung in Textform“ in diesen Fällen zwar – anders als möglicherweise bei den § 6 Abs. 3 S. 1, § 7 Abs. 1 S. 3, § 61 Abs. 2 S. 1 VVG – nicht zwingend die Erteilung in Form eines gesonderten Dokuments. Vielmehr kann der gebotene Hinweis auch zusammen mit schriftlichen Fragen des VR innerhalb eines Dokuments erteilt werden (vgl. BGH 27.4.16, IV ZR 372/15, BGHZ 210, 113).

Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung sind die Anforderungen des § 19 Abs. 5 S. 1 VVG in Fällen, in denen der VR den VN nicht in einer von sonstigen Erklärungen getrennten Urkunde auf die Folgen einer Anzeigeobliegenheitsverletzung hingewiesen hat, aber nur gewahrt, wenn die Belehrung drucktechnisch so gestaltet ist, dass sie sich deutlich vom übrigen Text abhebt und vom VN nicht übersehen werden kann (BGH 9.1.13, IV ZR 197/11, BGHZ 196, 67).

2. „Doppelbelehrungen“ sind grundsätzlich zulässig

Unter diesen Voraussetzungen sind auch sog. „Doppelbelehrungen“ zulässig, in denen der VR zunächst unmittelbar im räumlichen Zusammenhang mit den gestellten Gesundheitsfragen auf die möglichen Folgen der Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht allgemein hinweist und diese sodann an einer genau bezeichneten Stelle im Einzelnen erläutert (vgl. BGH 27.4.16, IV ZR 372/15, BGHZ 210, 113)

3. Voraussetzungen für Wirksamkeit der „Doppelbelehrung“

Zur Wirksamkeit der „Doppelbelehrung“ hat nur das OLG Saarbrücken Stellung genommen (6.9.23, 5 U 87/22, Abruf-Nr. 238787).

Das OLG stellte fest, dass eine „Doppelbelehrung“ den Anforderungen genügt, wenn sie einerseits aus einem klaren, prägnant gefassten und durch Fettdruck hervorgehobenen Hinweis unmittelbar vor den Antragsfragen besteht, der deutlich und unübersehbar auf die Notwendigkeit der vollständigen und wahrheitsgemäßen Beantwortung der Fragen, die Folgen eines Verstoßes sowie auf nähere Informationen in einer „gesonderten Mitteilung“ im „Anhang B“ hinweist, und anderseits dieser zusätzliche Hinweis, gleichwohl er sich auf der unteren Seitenhälfte nach einem optisch gleich gestalteten „Anhang A“ mit „weiteren Hinweisen für den Antragsteller und die zu versichernde(n) Person(en)“ befindet, angesichts dieses konkreten Verweises ohne Weiteres aufzufinden ist und dort durch seine in Fettdruck gehaltene Überschrift erkennbar hervorsticht.

Beispiel

Im vorliegenden Fall waren diese Voraussetzungen erfüllt.

Auf „Seite 2 von 14“ des Antragsformulars befand sich als letzter Absatz vor den Gesundheitsfragen folgender fett gedruckter Hinweis:

„Fragen an die zu versichernde Person

Sämtliche im Antrag gestellten Fragen müssen Sie vollständig und wahrheitsgemäß beantworten. Ansonsten kann die ... Lebensversicherung AG unter bestimmten Voraussetzungen den Vertrag kündigen, rückwirkend anpassen oder durch Rücktritt/Anfechtung aufheben. Bei rückwirkender Anpassung oder Aufhebung des Vertrags kann die ... Lebensversicherung AG außerdem berechtigt sein, Leistungen für eingetretene Versicherungsfälle zu verweigern. Lesen Sie dazu bitte die gesonderte Mitteilung über die Folgen einer Verletzung Ihrer gesetzlichen Anzeigepflicht in Anhang B.“

Auf „Seite 12 von 14“ des Antragsformulars befand sich im Anschluss an einen auf der oberen Hälfte abgedruckten „Anhang A – Weitere Hinweise für den Antragsteller und die zu versichernde(n) Person(en)“ auf der unteren Hälfte der Seite ein „Anhang B – Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht“, der Informationen über die vorvertragliche Anzeigepflicht und deren Folgen, insbesondere Rücktritt und Wegfall des Versicherungsschutzes, Kündigung und Vertragsanpassung sowie weitere Hinweise zur Ausübung der Rechte durch den VR enthielt. In beiden Anhängen sind die Überschriften sowie die Zwischenüberschriften in den Erläuterungen jeweils durch Fettdruck hervorgehoben; nach Behauptung der Beklagten sollen die Überschriften im seinerzeit verwendeten Originalformular außerdem durch Farbbalken unterlegt gewesen sein. Schließlich enthielt das Formular auf „Seite 10 von 14“ unmittelbar vor den Unterschriften als letzten Satz eines fett gedruckten Absatzes den Hinweis, dass „Anhang B“ den Unterzeichner „über die Folgen einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht“ informiere.

Das genügte dem OLG als rechtswirksamer Hinweis im Sinne des § 19 Abs. 5 S. 1 VVG. Durch den klaren, prägnant gefassten und durch Fettdruck auch ausreichend hervorgehobenen Hinweis unmittelbar vor den Antragsfragen wurde der Antragsteller bereits deutlich und unübersehbar auf die Notwendigkeit einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Beantwortung der nachfolgenden Fragen hingewiesen. Der Verweis auf die „gesonderte Mitteilung über die Folgen einer Verletzung Ihrer gesetzlichen Anzeigepflicht in Anhang B“ führte mühelos zu der konkreten Textstelle im Antragsformular, die weitere, ausführliche Erläuterungen zu diesen Rechtsfolgen enthielt.

AUSGABE: VK 3/2024, S. 47 · ID: 49784148

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