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PraxisfallFristloser Austritt bei Wechsel der Sportstätte
| Ändern sich die Verhältnisse bei den Angeboten eines Vereins wesentlich, kann sich daraus ein Sonderkündigungsrecht für das Mitglied ergeben. |
Frage: Der Eishockeyverein meines Sohnes hat seine Spielstätte in eine andere Stadt verlegt. Statt 20 Minuten Fahrzeit zum Training bedeutet das jetzt gut 40 Minuten. Ich habe deswegen die Mitgliedschaft fristlos gekündigt. Der Verein akzeptiert das aber nicht und verweigert die Herausgabe der Spielberechtigung.
Antwort: Grundsätzlich besteht in solchen Fällen ein Recht zur fristlosen Kündigung. Es muss aber im Einzelfall geprüft werden, ob die Änderung der Umstände für das Mitglied unzumutbar ist.
Austritt aus wichtigem Grund grundsätzlich möglich
Nach § 314 BGB können Dauerschuldverhältnisse aus wichtigem Grund ohne Rücksicht auf die vertraglichen (satzungsmäßigen) Fristen gekündigt werden. Dass diese Vorschrift auch für die Vereinsmitgliedschaft gilt, ist in der Rechtsprechung anerkannt.
Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Mitglied wegen Änderung der Umstände der weitere Verbleib im Verein unzumutbar ist. Es spielt keine Rolle, ob ein Verschulden des Vereins vorliegt. Er kann also nicht argumentieren, die Verlegung der Sportstätte wäre unvermeidbar. Ein Grund für eine fristlose Kündigung ergibt sich insbesondere dann, wenn die Änderung der Verhältnisse dem Einfluss des einzelnen Mitglieds völlig entzogen ist, was hier ja der Fall ist.
Die Frage ist, ob tatsächlich eine unzumutbare Veränderung der Umstände vorliegt. Um das zu klären, müssen die Interessen des Mitglieds und des Vereins gegeneinander abgewogen werden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Mitglieder eine besondere Treuepflicht gegenüber dem Verein haben.
Wirtschaftliche Belastung des Mitglieds
Ein besonderes Gewicht hat es, wenn das Mitglied durch die Änderung der Umstände in einer Weise wirtschaftlich belastet wird, die bei Vereinseintritt nicht vorhersehbar war. Das wird hier der Fall sein. Eine Verdopplung der ohnehin nicht kurzen Fahrtstrecke wird – gerade bei den aktuellen Spritkosten – ein starkes Argument sein. Das wird zusammen mit der Tatsache, dass die Änderung der Verhältnisse allein in der Sphäre des Vereins liegt, den Ausschlag geben und eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Kann das Mitglied dann tatsächlich nicht mehr am Training teilnehmen, kommt die Belastung durch die Beiträge erschwerend dazu. Je höher diese sind, umso eher ist eine Kündigung gerechtfertigt. Dabei müssen auch die konkreten Lebensumstände einbezogen werden. So kann das Zumutbare bei einem Rentner anders aussehen als bei Erwerbstätigen oder Schülern mit engem Zeitplan.
Fazit | Natürlich kann ein Gericht bei der Abwägung der Umstände zu einem anderen Ergebnis kommen. Es spricht aber sehr viel für das Recht auf eine sofortige Kündigung. |
AUSGABE: VB 7/2022, S. 20 · ID: 48422368