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WirtschaftsvereineNeue OLG-Rechtsprechung: Wann sind Vereine mit wirtschaftlichen Zwecken eintragungsfähig?
| Mit den „Kita-Beschlüssen“ von 2017 hatte der BGH grundsätzlich auch nicht gemeinnützigen Vereinen mit wirtschaftlichen Zwecken die Möglichkeit zur Eintragung ins Vereinsregister eröffnet. Nach und nach werden entsprechende Fälle vor höheren Instanzen verhandelt. Während das OLG Celle einen Verein, der lt. Satzung eine „Dorfkneipe“ betreiben wollte, noch abschlägig beschied, haben mit den OLG Stuttgart und Brandenburg nun gleich zwei OLG zugunsten der Vereine entschieden. |
Die Kita-Rechtsprechung des BGH
Die beiden vereinsfreundlichen Urteile nehmen Bezug auf die Kita-Rechtsprechung des BGH. Die wesentliche Neuerung war hier, dass im Zentrum nicht mehr der Umfang der wirtschaftlichen Betätigung steht, sondern der Zweck des Vereins. Insbesondere bei gemeinnützigen Vereinen kann unterstellt werden, dass ideelle Zwecke im Vordergrund stehen (BGH, Beschlüsse vom 16.05.2017, Az. II ZB 7/16, Abruf-Nr. 194068, Az. II ZB 6/16, Abruf-Nr. 194898 und Az. II ZB 9/16, Abruf-Nr. 194899; VB 9/2017, Seite 16 → Abruf-Nr. 44803884).
Dabei geht der BGH davon aus, dass eine wirtschaftliche Betätigung unschädlich sein soll, wenn sie sich im Rahmen der ideellen Satzungszwecke bewegt. Als ausschlaggebendes Merkmal der Gemeinnützigkeit sieht der BGB dabei das Gewinnausschüttungsverbot (Vermögensbindung) an. Daraus ergibt sich seiner Auffassung nach eine Begrenzung der wirtschaftlichen Tätigkeit und damit ein Gläubigerschutz, weil Organisationen ohne Ausrichtung auf eine Gewinnerzielung zugunsten ihrer Mitglieder grundsätzlich weniger risikogeneigt operieren.
Verfügt ein Verein über einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, kommt es nach der Rechtsauffassung des BGH maßgeblich darauf an, ob er einen nichtwirtschaftlichen Zweck verfolgt, dem dieser Geschäftsbetrieb untergeordnet sein kann. Diese Unterordnung bedeutet dabei – anders als beim Nebenzweckprivileg – keineswegs, dass die wirtschaftliche Tätigkeit einen gegenüber den ideellen Tätigkeiten nur geringen Umfang hat.
Der Dorfladenvereins-Fall vor dem OLG Stuttgart
Im Fall, der vor dem OLG Stuttgart verhandelt wurde, ging es um einen Verein, dessen Zweck u. a. darin bestand, die Grundversorgung der Bevölkerung mit Dingen des täglichen Bedarfs zu verbessern, damit verbunden die Lebensqualität im Ort zu erhöhen und so Raum für weitere soziale Aktivitäten wie Tauschbörsen oder Austauschplattformen zu schaffen. Der Verein sollte lt. Satzung nicht gewinnorientiert arbeiten und daher nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i. S. v. § 22 BGB ausgerichtet sein.
OLG widerspricht Registergericht
Das Registergericht hatte die Eintragung erwartungsgemäß abgelehnt. Das OLG Stuttgart gab aber dem Verein Recht. Zwar betont auch das OLG, dass sich ein Verein, der Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs vertreibt, unternehmerisch betätigt, weil er damit Leistungen am Markt anbietet und am Wirtschafts- und Rechtsverkehr wie ein Unternehmer teilnimmt. Daran ändert sich nichts, wenn sich das Leistungsangebot nur an Vereinsmitglieder richtet (OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.01.2022, Az. 8 W 233/21, Abruf-Nr. 229361).
Unternehmerische Tätigkeit diente der Verfolgung ideeller Zweck
Das OLG verweist aber auf die „Kita-Rechtsprechung“ des BGH, nach der eine wirtschaftliche Betätigung eintragungsunschädlich ist, sofern und solange sie zur Verfolgung des ideellen Vereinszwecks eingesetzt wird. Dabei spielt der Umfang der wirtschaftlichen Tätigkeit keine Rolle. Unschädlich sei auch, wenn der ideelle Zweck des Vereins unmittelbar durch seine wirtschaftlichen Aktivitäten erfüllt wird. Das war nach Meinung des OLG bei dem Dorfladenverein der Fall.
Wirtschaftliche Tätigkeit darf im Zentrum des Tuns stehen
Diese Einordnung ist von besonderer Bedeutung, weil das OLG keine bloße wirtschaftliche Nebentätigkeit sah, die durch das Nebenzweckprivileg gedeckt ist. Auch wenn die wirtschaftliche Tätigkeit im Zentrum steht, kann der Verein unter den weiteren Maßgaben, die das Gericht herausstellt, eingetragen werden.
Nach Auffassung des OLG war der Betrieb des Dorfladens den ideellen Zwecken nämlich dennoch untergeordnet. Mit ihm sei gezielt sowohl die Umsetzung eines auf Nachhaltigkeit und regionale Versorgungsstrukturen ausgerichteten Konzepts als auch die Förderung sozialer Strukturen im Dorf verfolgt worden. Nicht zuletzt seien die erwirtschafteten Mittel für den Vereinszweck verwendet worden; es war also keine erkennbare Gewinnausschüttung erfolgt.
Verkauf von Waren des täglichen Lebens stand nicht im Vordergrund
In der vorliegenden Konstellation stand aus Sicht des OLG nicht der Verkauf von Waren des täglichen Lebens als Geschäftsbetrieb im Vordergrund. Vielmehr war der Betrieb des Ladens dem ideellen Hauptzweck einer auf diversen Ebenen nachhaltig gestalteten – dem sozialen Miteinander dienenden und fördernden – dörflichen Versorgungsform zugeordnet gewesen.
Der Mittelstandsförderungs-Fall vor dem OLG Brandenburg
Beim OLG Brandenburg ging es um einen Verein, der lt. Satzung die Förderung, Entwicklung und Zusammenarbeit der deutschen Wirtschaft, insbesondere des Mittelstands zum Ziel hatte. Für sich genommen wären solche Wirtschaftsverbandszwecke kein Eintragungshindernis. Der Verein wollte diesen Zweck aber u. a. verwirklichen durch die Veranstaltung von Workshops und Seminaren, die Herstellung von Kontakten, die Erschließung von Zugängen zu Förderprogrammen und von Möglichkeiten zur Steigerung der Kosteneffizienz in Zusammenarbeit mit den beratenden Berufen.
Das Amtsgericht hatte die Eintragung deswegen abgelehnt. Es hatte die Auffassung vertreten, die Mitglieder des Vereins erhielten als Gegenleistung für ihren Mitgliedsbeitrag Unterstützung für ihre Unternehmen, die sie auf dem Markt nur gegen Entgelt erwerben könnten. Damit habe der Verein eine wirtschaftliche, unternehmerische Tätigkeit auf einem inneren, nur seinen Mitgliedern zugänglichen Markt ausgegübt und dürfe nicht als Idealverein in das Vereinsregister eingetragen werden.
Das OLG gab der Beschwerde des Vereins Recht. Es betrachtete den Verein als Sonderfall eines Vereins, der nur für einen inneren Markt tätig ist (OLG Brandenburg, Beschluss vom 23.03.2022, Az. 7 W 37/22, Abruf-Nr. 229362).
Formen des Wirtschaftsvereins
Um als Wirtschaftsverein zu gelten, muss ein Verein nicht unbedingt nach außen als Anbieter auf dem Markt auftreten. Die herrschende Rechtsmeinung geht von drei Fällen aus, bei denen der Zweck des Vereins auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist (OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 06.08.2010, Az. 2 W 112/10, Abruf-Nr. 103586):
- Es handelt sich um einen unternehmerischen Verein, der an einem äußeren Markt Leistungen anbietet.
- Es handelt sich um einen Verein mit unternehmerischer Tätigkeit an einem inneren, aus den Mitgliedern bestehenden Markt.
- Es handelt sich um einen Verein in Form genossenschaftlicher Kooperationen, auf den die Mitglieder ihre unternehmerischen Tätigkeiten auslagern.
Leistungen an Mitglieder müssen zu keinem Wirtschaftsverein führen
Diese gängige Kategorisierung eignet sich nach Auffassung des OLG Brandenburg nur unzureichend, um einen wirtschaftlichen von einem nicht wirtschaftlichen Verein zu unterscheiden. Ideelle Zwecke werden nicht allein dadurch zu wirtschaftlichen, dass sie auch im Wettbewerb mit anderen zum Gegenstand gewinnorientierten Handelns gemacht werden könnten. Hier verweist das OLG auf die Kita-Beschlüsse des BFH.
Ein Verein betreibt nicht allein deshalb einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, weil er seinen Mitgliedern Leistungen anbietet, die diese gegen Entgelt auch bei Wirtschaftsunternehmen beziehen könnten, die am Wettbewerb teilnehmen. Andererseits wird der auf eine Leistung gerichtete Zweck nicht allein dadurch zu einem ideellen, dass der Verein sich mit seinem Angebot allein an seine Mitglieder wendet, sich so auf den inneren Markt beschränkt und evtl. in keinen marktüblichen Wettbewerb mit gewerblichen Anbietern gleichartiger Leistungen tritt.
Das Gericht sah dagegen im vorliegenden Fall Kriterien, die für ein auf Gewinnstreben ausgerichtetes Unternehmen untypisch sind. Für einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb kennzeichnend sei eher eine Anonymität der Leistungsbeziehung, in der das Mitglied dem Verein als Kunde wie ein anonymer Marktteilnehmer gegenübertritt. Hier werden die Vereinsleistungen an einzelne Mitglieder erbracht, ohne dass – abgesehen von der Mitgliedschaft – ein wesentlicher Unterschied zu externen Kunden besteht.
Anders dagegen wenn die Mitglieder unter Nutzung und Verwendung der vom Verein gebotenen Ressourcen eine gemeinschaftliche, aufeinander bezogene Tätigkeit ausüben, die über einen bloßen Leistungsbezug hinausgeht.
Ein ideeller Vereinszweck kann vorliegen, wenn die Mitglieder gemeinsam beschaffte Ressourcen gemeinsam nutzen und sich so von einer bloßen Beschaffungsgemeinschaft, Einkaufszentrale oder Konsumgenossenschaft mit unternehmerischem Charakter unterscheiden. Für einen solchen ideellen Zweck spricht auch, dass die Mitglieder nicht am etwaigen wirtschaftlichen Erfolg der Vereinsleistungen beteiligt sind. Hier verweist das OLG auf die Kita-Beschlüsse des BGH, wonach sich eine Begrenzung der wirtschaftlichen Tätigkeit und damit ein Gläubigerschutz daraus ergeben, dass Organisationen ohne Ausrichtung auf eine Gewinnerzielung zugunsten ihrer Mitglieder grundsätzlich weniger risikogeneigt operieren.
Gewinnausschüttungsverbot hat hohe Bedeutung
Wie im Dorfladenvereins-Fall des OLG Stuttgart sah das OLG Brandenburg das in der Satzung verankerte Gewinnausschüttungsverbot als ausschlaggebendes Kriterium an. Überschüsse dürfen dabei nur zur Förderung des Vereinszwecks verwendet oder Rücklagen zugeführt werden. Das weist zugleich auf ein dem Gläubigerschutz dienliches hohes Eigenkapital hin und auf das – für einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb untypisches – Vermeiden unternehmerischen Risikos.
Vage Abgrenzung zum Wirtschaftsverein
Bei der Abgrenzung zu einem Wirtschaftsverein, der auf einen inneren Markt ausgerichtet ist, ist die Argumentation des OLG aber recht unscharf. Zwar gleiche das Leistungsangebot des Vereins dem Angebot von Unternehmensberatern: Sie veranstalten Workshops und Seminare, leiten zu besserer Betriebsorganisation an und stellen Kontakte zu Kapitalgebern her. Wesentlich bei den hier in Rede stehenden Leistungen sei aber der Erfahrungsaustausch sowie das Verbinden und Vernetzen der Mitglieder. Die Mitglieder des Vereins – so das OLG – sollen die beschriebenen Leistungen nicht in Anspruch nehmen, um zu wirksamer Konkurrenz angeleitet zu werden, sondern um einen gegenseitigen Nutzen gemeinsamen Vorgehens zu erkennen. Der gemeinschaftstiftende Zweck weist ausreichend über eine bloße Beschaffungs- oder Vermittlungstätigkeit hinaus, um den Verein als Idealverein einordnen zu können.
Fazit | Beide Urteile zeigen, dass sich die Rechtsprechung mit der Umsetzung der durch die BGH-Beschlüsse eröffneten Erweiterung des Idealvereins schwer tut. Gemeinsam ist den Fällen, dass sich die wirtschaftliche Betätigung auf Angebote für Mitglieder beschränkt und keine Gewinnausschüttung erfolgt. Daraus allgemeine Kriterien für eine geänderte Abgrenzung von Wirtschafts- und Idealverein abzuleiten, ist schwierig. Der rechtliche Rahmen, den der BGH durch seine Kita-Beschlüsse eröffnet hat, wird jedenfalls nicht ausgeschöpft. Dennoch zeigt sich eine klare Tendenz, künftig auch Vereinen mit wesentlichen wirtschaftlichen Satzungstätigkeiten die Eintragung zu ermöglichen. |
AUSGABE: VB 6/2022, S. 16 · ID: 48365030