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VorstandDie Risiken der Vertretungsmacht: Wo setzt man Grenzen und wie kann man als Verein gestalten?

Top-BeitragAbo-Inhalt04.05.20225252 Min. Lesedauer

| Die Vertretungsmacht des Vorstands ist grundsätzlich unbeschränkt. Vereine setzen sich also einem gewissen Risiko aus, dass der Vorstand diese Vertretungsmacht missbraucht oder unangemessen weit auslegt. Vereinssatzungen sehen deswegen Kontrollmöglichkeiten (z. B. „Vier-Augen-Prinzip“) oder Beschränkungen der Vertretungsmacht vor. Das kann die Vorstandsarbeit aber wieder erheblich erschweren. Lernen Sie deshalb die gesetzlichen Grundlagen der Vertretungsmacht kennen und profitieren Sie von konkreten Empfehlungen zur Ausgestaltung in der Praxis. |

Mit der Vertretungsmacht des Vorstands verbundene Risiken

Hier muss man zunächst unterscheiden zwischen der Überschreitung der satzungsmäßigen Befugnisse und kriminellen Handlungen.

Vor dem Überschreiten der satzungsmäßigen Befugnisse des Vorstands kann sich der Verein schützen, indem er entsprechende Beschränkungen der Vertretungsmacht in die Satzung aufnimmt, die ins Vereinsregister eingetragen werden. Überschreitet der Vorstand diese Grenzen, haftet er persönlich, und der Verein kann nicht in Anspruch genommen werden.

Kriminelle Handlungen sind nur durch vereinsinterne Sicherheitsmaßnahmen zu verhindern.

Beispiel

So könnten die Zugangsberechtigungen zum Bankkonto (PIN) und die TAN-Verwaltung in getrennte Hände gelegt werden. Dann kann kein Vorstandsmitglied allein Transaktionen tätigen.

Das Beispiel zeigt aber ein grundsätzliches Problem: Vertrauen ist gut, Kontrollen erschweren die Arbeit. Hier wird gelten: Wenn ein Verein seinem Vorstand grundsätzlich misstraut, sollte er eher über die Personalauswahl nachdenken als über ausufernde Sicherheitsmaßnahmen.

Wie lassen sich Vertretungsbeschränkungen gestalten?

Der Verein kann, um einen Missbrauch vorzubeugen, die Vertretungsmacht des Vorstands sachlich und personell beschränken.

Sachliche und personelle Beschränkung

Personell bedeutet, dass die Vorstandsmitglieder im mehrgliedrigen Vorstand den Verein nur mit einem anderen Vorstandsmitglied zusammen vertreten dürfen. Sie kontrollieren sich also gegenseitig.

Sachlich bedeutet, dass der Vorstand bestimmte Rechtsgeschäfte nur mit Zustimmung anderer Vorstandsmitglieder, der Mitgliederversammlung, eines weiteren Organs (z. B. eines Beirats) oder gar nicht tätigen darf. Die Beschränkung kann sich dabei auf die Art der Geschäfte beziehen (z. B. Aufnahme von Darlehen oder Belastung von Grundstücken) oder auf die Höhe der Abschlüsse (betragsmäßige Begrenzung).

Vertretungsbeschränkungen im Außen- und Innenverhältnis

Unterschieden werden muss außerdem, ob die Einschränkungen nur im Innenverhältnis gelten sollen oder auch im Außenverhältnis. Im zweiten Fall muss die Vertretungsbeschränkung dann, um gegenüber Dritten zu wirken, ins Vereinsregister eingetragen werden. Verstöße gegen diese Vorgaben treffen dann nicht den Verein. Sprich: Der Vorstand hat dann nicht in Vertretung des Vereins gehandelt, der Verein ist durch die entsprechenden Rechtgeschäfte nicht verpflichtet.

Beschränkungen im Innenverhältnis berühren die Wirksamkeit der Rechtsgeschäfte, die der Vorstand für den Verein eingeht, nicht. Verstößt der Vorstand gegen entsprechende Vorgaben, macht er sich aber dem Verein gegenüber haftbar. Der Verein hat hier das Risiko, dass er eingegangene Verpflichtungen erfüllen muss, der Vorstand aber u. U. den Schaden nicht decken kann.

Die Beschränkungen der Außenvertretung

§ 26 Abs. 1 BGB bestimmt, dass der Vorstand den Verein gerichtlich und außergerichtlich vertritt. Bei Vereinen im Abwicklungsstadium kommt diese Aufgabe den Liquidatoren zu.

Ist die Vertretungsmacht durch die Satzung beschränkt?

Diese Vertretungsmacht gegenüber Dritten ist grundsätzlich unbeschränkt. Der Umfang der Vertretungsmacht kann aber durch die Satzung beschränkt werden. Eine solche Beschränkung wirkt, wenn sie im Vereinsregister eingetragen ist, nicht nur vereinsintern, sondern auch gegenüber Dritten. Überschreitet der Vorstand seine Vertretungsmacht, sind die dabei eingegangenen rechtlichen Verpflichtungen zwar nicht unwirksam. Sie binden aber nicht den Verein, sondern den Vorstand persönlich.

Die Folgen der Überschreitung der so geregelten Vertretungsmacht

Das bedeutet, der Vorstand überschreitet mit dem Abschluss solcher Verträge im Namen des Vereins seine Vertretungsmacht. Dann greifen die Regelungen des § 179 BGB (Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht). Der Vorstand ist dem Vertragspartner persönlich zum Schadenersatz verpflichtet, wenn der Verein die Genehmigung des Vertrags – mit Verweis auf die Satzung – verweigert.

Die Haftung greift aber nur, wenn der Vertragspartner die Vertretungsbeschränkung kannte oder kennen musste. Bei eingetragenen Vereinen muss sich der Vertragspartner deswegen regelmäßig über den Registereintrag in Kenntnis setzen.

Der Dritte ist nicht gutgläubig, wenn seine Unkenntnis auch auf Fahrlässigkeit beruht. Das ist nur dann nicht der Fall, wenn die Eintragung des geänderten Vorstands kurz vor dem Rechtsgeschäft erfolgt ist oder wenn der Dritte sich einen aktuellen Registerauszug vorlegen ließ.

Praxistipp | In den meisten Fällen ist der Verein also gut geschützt. Er sollte aber darauf achten, dass Änderungen im Vorstand oder bei dessen Vertretungsmacht möglichst schnell zum Vereinsregister angemeldet werden.

Wichtig | In der Regel werden Vertragspartner des Vereins (dazu gehören auch Zuwendungsgeber) die Vertretungsbefugnisse nur bei Rechtsgeschäften über größere Summen prüfen, sich also einen Registerauszug vorlegen lassen bzw. den Registereintrag einsehen.

Verein kann Geschäfte nachträglich genehmigen

Der Verein (d. h. die Mitgliederversammlung) kann die Geschäfte aber auch nachträglich genehmigen. Das kann auch stillschweigend geschehen, indem die Mitgliederversammlung keine Einwände erhebt, wenn ihr die entsprechenden Geschäfte (im Rahmen des Rechenschaftsberichts) bekannt gemacht worden sind.

Satzungszwecke beschränken Vertretungsmacht nicht

Die Satzungszwecke stellen für sich noch keine Beschränkung der Vertretungsmacht gegenüber Dritten dar. Das ergibt sich schon daraus, dass die Satzungszwecke auf dem Registerauszug gar nicht erscheinen. Da Dritte nur im Sonderfall ein Einsichtsrecht in beim Vereinsregister hinterlegte Urkunden haben, können sie also den Zweck des Vereins ohnehin nicht prüfen (BGH, Urteil vom 15.04.2021, Az. III ZR 139/20, Abruf-Nr. 222654).

Schutzunwürdiger Vollmachtsmissbrauchsfall ist selten gegeben

Zwar ist die Vertretungsmacht des Vorstands grundsätzlich unbeschränkt. Sie hat aber dort ihre Grenzen, wo sie missbräuchlich eingesetzt wird. Über einen solchen Fall musste jüngst das OLG Brandenburg entscheiden. Es hat – unter Verweis auf die BGH-Rechtsprechung – Folgendes verlautbart (OLG Brandenburg, Urteil vom 17.03.2022, Az. 10 U 16/21, Az. 228803):

Ein Vollmachtmissbrauchsfall liegt vor, wenn

  • Vertreter (Vorstand) und Geschäftspartner bewusst zum Nachteil des Vereins zusammenwirken,
  • der Missbrauch der Vertretungsmacht dem Geschäftsgegner bekannt ist oder
  • der Missbrauch offensichtlich war, d. h. ohne weitere Nachforschungen hätte bekannt sein müssen.

Das Vertrauen des Geschäftspartners auf den Bestand des Geschäfts ist dagegen nicht schutzwürdig, wenn er weiß oder wissen muss, dass der Vorstand seine Vertretungsmacht missbraucht. In einem solchen Fall des Missbrauchs der Vertretungsmacht kann der Geschäftspartner auch aus Geschäften, die formal durch die Vertretungsmacht gedeckt sind, keine vertraglichen Rechte herleiten.

Vertretungsbeschränkungen im Innenverhältnis

Als Beschränkungen im Innenverhältnis gelten alle Vorgaben, die nicht im Vereinsregister eingetragen sind.

Vertretungsbeschränkungen erfordern keine formellen Bedingungen

Dafür gibt es keine formellen Vorgaben. Sie müssen also nicht per Satzung geregelt sein. Ebenso wirksam sind entsprechende Beschlüsse der Mitgliederversammlungen oder Vereinsordnungen (z. B. eine Finanzordnung), die nicht Satzungsbestandteil ist.

Satzungszwecke beschränken Handlungsmacht

Auch die Satzungszwecke stellen eine Beschränkung der Handlungsmacht des Vorstands im Innenverhältnis dar. Verstößt der Vorstand dagegen, macht er sich haftbar. Nach außen wirken die Satzungszwecke aber nicht als Vertretungsbeschränkung (siehe oben).

Auch das Vereinsherkommen setzt dem Vorstand Grenzen

Beschränkungen der Vertretungsmacht bestehen sogar ohne ausdrückliche Vorgaben – im Rahmen des sog. Vereinsherkommens. Im Innenverhältnis gilt nämlich grundsätzlich, dass Verfügungen außerhalb des „gewöhnlichen Geschäftskreises“ erlaubnispflichtig sind.

Mit „gewöhnlichem Geschäftskreis“ sind alle Mittelverfügungen gemeint, die der Vorstand (nicht nur der amtierende) bisher der Art und Höhe nach gemacht hat, ohne dass die Mitgliederversammlung eingeschritten ist. Es handelt sich dabei um eine Duldungsvollmacht, die auch auf ähnliche künftige Fälle übertragen werden kann. Für den Vorstand bedeutet das: Er kann sich darauf berufen, dass die Mitgliederversammlung bei früheren vergleichbaren Fällen nicht eingeschritten ist, wenn sie aktuelle Fälle moniert und ihn in Haftung nehmen will.

Wichtig | Die Mitgliederversammlung kann das Vereinsherkommen durch entsprechende Vorgaben jederzeit durchbrechen. Darüber hinaus kann sie dem Vorstand grundsätzlich in allen Bereichen Weisungen erteilen, wenn die Satzung die entsprechenden Aufgaben nicht allein dem Vorstand zuweist.

Das Risiko, dass der Vorstand im Innenverhältnis gezogene Grenzen überschreitet, trägt grundsätzlich der Verein. In den meisten Fällen wird aber das ihm drohende Haftungsrisiko ausreichen, damit der Vorstand diese Vorgaben nicht verletzt.

Weiterführender Hinweis
  • In der Juni Ausgabe liefert VB Ihnen Vorschläge für persönliche und sachliche Vertretungsbeschränkungen und Empfehlungen für die Satzungsgestaltung

AUSGABE: VB 5/2022, S. 14 · ID: 48256573

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