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OWi-RechtDie Rechtsprechung in Verkehrs-OWi-Sachen zum Verfahrensrecht in 2023
| Der Beitrag stellt Ihnen im Anschluss an VA 22, 127 die wichtigsten Entscheidungen aus dem Jahr 2023 aus dem verfahrensrechtlichen Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten vor. Über das materielle Recht haben wir in VA 24, 52 berichtet. |
Rechtsprechungsübersicht / Verkehrs-OWi-Sachen zum Verfahrensrecht in 2023 |
Anwesenheit in der Hauptverhandlung, Abwesenheitsverhandlung Wird unter Verstoß gegen § 74 Abs. 1 OWiG in Abwesenheit des Betroffenen verhandelt, so liegt hierin kein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn der Vortrag des Betroffenen tatsächlich berücksichtigt wurde und die verfahrensrechtlich gebotene Entscheidung die Verwerfung des Einspruchs ohne Verhandlung zur Sache gemäß § 74 Abs. 2 OWiG gewesen wäre (OLG Zweibrücken 17.10.23, 1 ORbs 1 SsRs 37/23, Abruf-Nr. 238709). Anwesenheit in der Hauptverhandlung, Entbindungsantrag Zur neueren Rechtsprechung betreffend Entbindungsfragen haben wir in VA 23, 178 und 195 berichtet. Im Übrigen: Die Entbindung des Betroffenen nach § 73 Abs. 2 OWiG ist nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt. Dieses muss vielmehr dem Entbindungsantrag entsprechen, wenn feststeht, dass von der Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung kein Beitrag zur Sachaufklärung erwartet werden kann (OLG Hamm 8.3.23, 2 Orbs 22/23, Abruf-Nr. 238187, und 31.8.23, 2 ORBs 79/23, Abruf-Nr. 238188). Anwesenheit in der Hauptverhandlung, genügende Entschuldigung An das Vorliegen einer genügenden Entschuldigung für das Ausbleiben in der Hauptverhandlung dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Zu berücksichtigen sind stets die Umstände des Einzelfalls. Eine genügende Entschuldigung ist u. a. anzunehmen, wenn der Angeklagte die zu erwartenden Verhaltensweisen ergriffen hat, um für seine Anwesenheit in der Hauptverhandlung Sorge zu tragen, oder wenn das Verschulden gering ist (LG Freiburg 18.4.23, 2/23 10 NBs 520 Js 15836/22, Abruf-Nr. 235784). Auslagenerstattung, privates Gutachten Die Kosten für die Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens im Rahmen eines Bußgeldverfahrens sind als notwendige Kosten im Sinne der § 46 Abs. 1 OWiG, § 467 Abs. 1, § 464a Abs. 1 S. 2 StPO anzusehen, wenn ohne die Anbringung durch sachverständige Feststellungen unterlegte, konkrete Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Geschwindigkeitsmessung damit zu rechnen gewesen wäre, dass das Gericht in der Hauptverhandlung einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens unter den erleichterten Voraussetzungen des § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG sowie § 244 Abs. 4 S. 2 StPO ablehnen würde (LG Dessau-Roßlau 4.5.23, 6 Qs 56/23, VA 23, 212). Auslagenerstattung, Vollstreckungsverfahren War der Betroffene im vollstreckungsrechtlichen Bußgeldverfahren erfolgreich, kann er keine Auslagenerstattung verlangen. Die Kostengrundentscheidung des Erkenntnisverfahrens erfasst nicht das vollstreckungsrechtliche Bußgeldverfahren (AG Friedberg 29.9.23, 47a OWi 179/23, AGS 23, 510). beA/elektronisches Dokument Die sog. einfache Signatur, also die Wiedergabe des Namens am Ende des Textes, ist bei der Übermittlung von Dokumenten gemäß der zweiten Variante des § 32a Abs. 3 StPO auch dann zu verlangen, wenn im verwendeten Briefkopf der Rechtsanwaltskanzlei nur ein Rechtsanwalt ausgewiesen ist (OLG Braunschweig 9.6.23, 1 ORbs 22/23, VA 23, 211; so auch OLG Karlsruhe NJW 21, 3733; OVG Lüneburg 31.1.23, 13 ME 23/23; entgegen BAG NJW 22, 3028). Die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung der Rechtsmittel- und Begründungsschrift (§ 32d S. 2 StPO) gilt auch in dem Fall, in dem der übermittelnde Rechtsanwalt selbst Betroffener des Verfahrens ist (OLG Hamm 20.7.23, 4 ORs 62/23, VA 23, 194 für das Revisionsverfahren; ebenso für das Bußgeldverfahren OLG Brandenburg 13.6.22, 1 OLG 53 Ss-OWi 149/22, Abruf-Nr. 230218). |
Beschlussverfahren (§ 72 OWiG) Der Widerspruch nach § 72 Abs. 1 S. 1 OWiG kann bereits im Vorverfahren oder mit der Einlegung des Einspruchs erklärt werden. Mit dem Eingang der Akten beim Amtsgericht entfaltet er seine Sperrwirkung für das Beschlussverfahren. Ein auf diese Weise wirksam erklärter Widerspruch wird auch nicht dadurch unwirksam, dass das Amtsgericht im späteren Verfahren ankündigt, durch Beschluss entscheiden zu wollen, und der Betroffene dem nicht widerspricht. Vielmehr muss der zuvor erklärte Widerspruch in diesem Fall eindeutig zurückgenommen werden. Ob eine Äußerung als Widerspruch zu bewerten ist, ist auszulegen. Dabei ist der konkrete Fall und insbesondere der wirkliche Willen des Betroffenen sowie die Bedeutung seiner abgegebenen Erklärungen zu berücksichtigen. Zwar kann ein Widerspruch im Grundsatz auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden. Die Auffassung, dass ein – gegebenenfalls substanziiertes – Bestreiten das Beschlussverfahren schlechthin sperre und sogar einer späteren Zustimmung die Rechtswirkung nehmen könne, teilt der Senat aber nicht (KG 7.11.23, 3 ORbs 222/23 – 122 Ss 104/22). Nach der unmissverständlichen Formulierung des § 79 Abs. 1 S. 2 OWiG ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde nur gegen Urteile möglich. Gegen nach § 72 OWiG erlassene Beschlüsse ist eine Zulassungsrechtsbeschwerde ausgeschlossen (KG 31.1.23, 3 Orbs 23/23, Abruf-Nr. 234803). Beweisverwertungsverbot Die Frage, wer ggf. zum Vorfallszeitpunkt Fahrer des Pkw, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen worden ist, war, kann durch eine Anfrage beim Personalausweisregister und die Anforderung eines Lichtbildes geklärt werden (AG Frankfurt a. M. 11.4.23, 994 OWi – 359 Js 13613/23, VA 23, 192). Besorgnis der Befangenheit Nimmt der Richter, ohne den Betroffenen und seinen Verteidiger zu informieren, im Bußgeldverfahren unter Ausschluss des Betroffenen und seines Verteidigers die Messörtlichkeit in Augenschein und führt dort die Vernehmung/Befragung von Zeugen des Verfahrens durch, kann das beim Betroffenen zur Besorgnis der Befangenheit führen (AG Schwerin 25.10.23, 259 Js 17643/23 OWi, Abruf-Nr. 239090). Bußgeldbescheid, Wirksamkeit Ein Bußgeldbescheid ist nur dann wirksam und hat verjährungsunterbrechende Wirkung, wenn die Tat auch hinsichtlich des Begehungsorts so genau bezeichnet wird, dass sie sich als unverwechselbar mit anderen denkbaren Taten desselben Täters darstellt und ein Bewusstsein des Täters für den ihm vorgeworfenen Verstoß bilden kann (AG Rockhausen 3.4.23, 2a OWi 6070 Js 1673/23, VA 23, 121). Bei einfach und leicht verständlich gelagerten Sachverhalten ist es nicht zu beanstanden, wenn die Bußgeldbehörde den konkreten Tatvorwurf in einer Anlage zum Bußgeldbescheid erhebt und hierauf dann ausdrücklich Bezug nimmt („siehe Anlage“). Die „Anlage“ wird dann Bestandteil des Bußgeldbescheids, der wirksam ist (KG 18.9.23, 3 ORbs 184/23 – 122 Ss 86/23, Abruf-Nr. 238705). Bußgeldverfahren, Rückgabe der Sache an die Verwaltungsbehörde Aus der endgültigen Rückgabe des Verfahrens an die Verwaltungsbehörde (§ 69 Abs. 5 OWiG) folgt, dass die mutmaßliche Tat nicht mehr als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann. Insbesondere ist es der Verwaltungsbehörde verwehrt, den Bußgeldbescheid zurückzunehmen und wegen derselben prozessualen Tat einen neuen Bußgeldbescheid, ggf. auch unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt, gegen den Betroffenen zu erlassen (AG Landstuhl 10.7.23, 1 OWi 4396 Js 6726/23, VA 23, 192). |
Einsicht in Messunterlagen/Rohmessdaten Über Rechtsprechung zur Einsicht in Messunterlagen haben wir berichtet in VA 23, 69; 22, 54, (s. auch noch OLG Karlsruhe 22.8.23, 1 ORbs 34 Ss 468/23, DAR 23, 580; 11.7.23, 2 ORbs 35 Ss 334/23; OLG Köln 30.5.23, 1 RBs 288/22; OLG Oldenburg 9.11.23, 2 ORbs 188/23; AG Stadtroda 8.6.23, 1 OWi 529/23, VA 23, 155; AG Lippstadt 3.7.23, 7 OWi-32 Js 876/23-125/23, VA 23, 172). Beim BVerfG war eine Verfassungsbeschwerde hinsichtlich der Ahndung einer Geschwindigkeitsübertretung im Straßenverkehr aufgrund eines standardisierten Messverfahrens auch bei fehlenden „Rohmessdaten“ erfolglos, weil die Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren nicht hinreichend substanziiert dargelegt worden war (BVerfG 20.6.23, 2 BvR 1167/20, VA 23, 176). |
Der BGH hat die ihm vom OLG Koblenz vorgelegte Frage, ob bei einer Messung mit dem Messverfahren ES 3.0 das Messergebnis verwertet werden darf, wenn zuvor dem Antrag des Betroffenen, ihm die vorhandenen Rohmessdaten der Tagesmessreihe, die nicht zur Bußgeldakte gelangt sind, zur Einsicht zu überlassen, nicht stattgegeben worden ist (VA 22, 56), nicht beantwortet. Er hat die Sache an das OLG zurückgegeben. Nach Ansicht des BGH haben die Vorlegungsvoraussetzungen (§ 121 Abs. 2 GVG) nicht vorgelegen (BGH 16.3.23, 4 StR 84/22, VA 23, 158). Einstellung, Auslagenerstattung Zur Auslagenerstattung nach Verfahrenseinstellung (des Bußgeldverfahrens) haben im Berichtszeitraum verschiedene Gerichte Stellung genommen, und zwar für den Betroffenen positiv LG Trier 30.5.23, 1 Qs 24/23, VA 23, 175; AG Borna 23.5.23, 3 OWi 43/23, VA 23, 154; AG Büdingen 30.5.23, 60 OWi 48/23, VA 23, 175; AG Oranienburg 1.6.23, 13g OWi 243/13, VA 23, 154. Hauptverhandlung, Erklärungen des schweigenden Mandanten Häufig geben Verteidiger für ihre Mandanten, die selbst schweigen, in der Hauptverhandlung Erklärungen ab. Das KG hat zu der Frage Stellung genommen, ob das zulässig und wie mit solchen Erklärungen umzugehen ist (KG 5.12.22, 3 Ws (B) 310/22, VA 23, 108). Hauptverhandlung, rechtlicher Hinweis Ist der Betroffene bereits im „ersten Durchgang“ wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verurteilt worden, muss nach der Zurückverweisung der Sache in der neuen Hauptverhandlung der Hinweis auf die Möglichkeit einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Tatbegehung nicht wiederholt werden (OLG Düsseldorf 21.2.23, IV – 2 RBs 18/23, VA 23, 84). Das Gericht muss auf die Erhöhung der im Bußgeldbescheid ausgewiesenen Geldbuße nicht vorher entsprechend § 265 Abs. 1, Abs. 2 StPO i. V. m. § 71 Abs. 1 OWiG gerichtlich hinweisen, wenn es hinsichtlich der Rechtsfolgen keinen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (OLG Düsseldorf 31.7.23, 3 ORBs 93/23, VA 23, 211). Hauptverhandlung, Verlesung des Messprotokolls Unabhängig von einem in § 77a Abs. 1, 2 und 4 OWiG geregelten Zustimmungserfordernis kann das Messprotokoll auf Anordnung des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesen werden (KG 15.3.23, 3 ORbs 20/23, VA 23, 137). Pflichtverteidiger Einem Betroffenen, der Analphabet ist, ist für die Hauptverhandlung ein Verteidiger zu bestellen, wenn eine sachgerechte Verteidigung Aktenkenntnis erfordert oder eine umfangreiche Beweisaufnahme dem Betroffenen Anlass gibt, sich Notizen über den Verhandlungsablauf und den Inhalt von Aussagen zu machen, weil er sie als Gedächtnisstütze benötigt (BayObLG 21.11.22, 201 ObOWi 1363/22, NStZ 23, 360). Rechtsbeschwerde, Begründung Um eine Verfahrensrüge ordnungsgemäß zu erheben, genügt es nicht, zu den Verfahrenstatsachen nahezu den gesamten Akteninhalt in die Begründungsschrift einzukopieren, statt bezogen auf die konkrete Verfahrensrüge (lediglich) den insoweit relevanten Verfahrensstoff mitzuteilen (OLG Düsseldorf 21.2.23, IV – 2 RBs 18/23, VA 23, 84). Wird im Verfahren erlaubter Abwesenheit gemäß § 74 Abs. 1 OWiG als Versagung des rechtlichen Gehörs gerügt, das Tatgericht habe Unterlagen zur Urteilsgrundlage gemacht, ohne dass der Betroffene Kenntnis von diesen genommen habe, muss vorgetragen werden, um welche Unterlagen es sich hierbei im Einzelnen handelt (OLG Köln 27.12.22, III-1 RBs 409/22, NZV 23, 284). Zu Rechtsprechung zur Rechtsbeschwerde haben wir im Übrigen berichtet in VA 23, 215. Rechtsbeschwerde, Zulassungsverfahren Im Zulassungsverfahren nach § 80 OWiG ist die Übersendung der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft an den Betroffenen grundsätzlich nicht vorgesehen (KG 1.3.23, 3 ORBs 19/23, NZV 23, 516). |
Terminierungsfragen Hat der Versuch einer Terminsabsprache nicht stattgefunden, muss sich der Richter bei einem substanziierten Verlegungsantrag des Verteidigers ernsthaft bemühen, dessen nachvollziehbarem Begehren im Rahmen der zeitlichen Möglichkeiten des Spruchkörpers Rechnung zu tragen (LG Wuppertal 24.11.23, 23 Qs 130/23, Abruf-Nr. 238708). |
Verjährungsfragen Bei Fristen des materiellen Rechtes, wie den Verjährungsfristen, kommt eine Fristberechnung nach § 43 StPO nicht in Betracht. Diese Norm ist ausschließlich auf Fristen prozessualer Natur beschränkt (OLG Koblenz 8.2.23, 4 Orbs 31 SsBs 1/23, VA 23, 121). Mit der Bewilligung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid beginnt die Frist für die Verfolgungsverjährung neu zu laufen, wenn im Zeitpunkt des Ablaufs der Einspruchsfrist noch keine Verfolgungsverjährung eingetreten war. Mit der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen ein nach § 74 Abs. 2 OWiG den Einspruch verwerfendes Urteil gemäß § 74 Abs. 4 S. 1 OWiG ist der Verjährungsablauf gemäß § 32 Abs. 2 OWiG gehemmt (BayObLG 28.3.23. 202 ObOWi 314/23, VA 23, 174). Kürzel in einer Datenübersicht über Druckaufträge mit Namen „Anhoer“ und „AnhFErm“ sind nicht geeignet, um eine Unterbrechungshandlung im Hinblick auf die laufende Verfolgungsverjährung feststellen zu können (AG Dortmund 11.5.23, 729 OWi-265 Js 838/23-63/23, zfs 23, 651). Zwar kann alleine die getroffene Verfügung, an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit die Hauptverhandlung durchzuführen, bereits als wirksame Anberaumung der Hauptverhandlung im Sinne des § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 OWiG angesehen werden, durch welche die Verfolgungsverjährung unterbrochen wird, ohne dass es auf die erforderlichen Ladungen zum Hauptverhandlungstermin ankäme. Etwas anderes muss jedoch gelten, wenn die Terminsverfügung zu keinem Zeitpunkt ausgeführt wurde (AG Pirmasens 26.7.23, 2 OWi 4211 Js 9783/22, zfs 24, 51). Verwerfungsurteil Der Amtsrichter muss sich grundsätzlich mit möglichen Entschuldigungsgründen auseinandersetzen. Bei einem Terminsverlegungsantrag des Verteidigers muss er z. B. darlegen, warum er diesem Gesuch nicht entsprochen hat (BayObLG 2.2.23, 201 ObOWi 1555/22, Abruf-Nr. 234426). Zur neueren Rechtsprechung betreffend Entbindungsfragen haben wir in VA 23, 178 und 195 berichtet. Vollmachtsfragen Die Form des Nachweises der Bevollmächtigung durch Überreichung eines Dokuments zu den Akten ist nicht die einzig zulässige Form des Nachweises der Vollmacht. Es muss allerdings klar in den Akten dokumentiert werden oder aus ihnen ersichtlich sein, dass die Bevollmächtigung erfolgt ist (OLG Brandenburg 20.3.23, 1 ORbs 136/23, VA 23, 105). Wiedereinsetzung Beauftragt der Verurteilte einen Dritten, der nicht Verteidiger ist, ein fristgebundenes Rechtsmittel einzulegen, muss er überwachen, dass die Rechtsmitteleinlegungsfrist eingehalten wird. Andernfalls ist die verspätete Rechtsmitteleinlegung grundsätzlich nicht unverschuldet im Sinne von § 44 S. 1 StPO (OLG Hamm 15.6.23, 3 Ws 168/23, NStZ-RR 23, 380 [Ls.]; zur Wiedereinsetzung wegen unvollständiger/unrichtigen Rechtsmittelbelehrung AG Aschersleben 18.7.23, 6 OWi 139/23, Abruf-Nr. 237739 und AG Aschersleben 2.1.23, 6 OWi 301/22, Abruf-Nr. 233159). Zustellungsfragen § 145a Abs. 3 S. 2 StPO verlangt (nur), dass der Verteidiger von der Zustellung an den Betroffenen zu unterrichten ist. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung des Gerichts, insbesondere den Verteidiger über den Zeitpunkt der Zustellung an den Betroffenen zu unterrichten, beinhaltet die Vorschrift nicht (BayObLG 1.2.23, 201 ObOWi 49/23, VA 23, 103). |
Die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung durch Einlegen des zuzustellenden Schriftstücks in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten wird nicht durch einen offensichtlichen Schreibfehler in der Zustelladresse berührt. Eine offensichtliche Unrichtigkeit, die der Berichtigung zugänglich wäre, beeinträchtigt den Beweiswert der über den Zustellvorgang erstellten Urkunde auch dann nicht, wenn eine Berichtigung unterblieben ist (BayObLG 31.7.23, 102 AR 128/23 e, Abruf-Nr. 237197). An den gewählten Verteidiger kann gem. § 51 Abs. 3 S. 1 OWiG nur wirksam zugestellt werden, wenn dessen Bevollmächtigung nachgewiesen ist, und zwar mindestens durch die Übermittlung einer Kopie der Vollmacht durch den Verteidiger. Die reine Anzeige der Verteidigung ist nicht ausreichend. Daran hat sich durch die Neufassung des § 51 Abs. 4 OWiG nichts geändert (LG Meiningen 23.1.23, 6 Qs 240/22). |
AUSGABE: VA 4/2024, S. 69 · ID: 49905868