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PV-AnlagenPV-Anlage aus 2022 zuordnen, entnehmen und so Umsatzsteuer umgehen – FG Köln machts möglich

Abo-Inhalt29.02.20247 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| Sollen im Jahr 2022 angeschaffte Wirtschaftsgüter dem Unternehmen zugeordnet werden, um den Vorsteuerabzug zu bekommen, war die Frist bislang der 02.10.2023. Diese Frist hat das FG Köln jetzt rechtskräftig ausgehebelt – und damit eine rückwirkende Zuordnung zum Unternehmen bis zum 31.07.2024 zulässig gemacht. Das bietet insbesondere für Betreiber von PV-Anlagen, die im Jahr 2022 angeschafft worden sind, enormes Gestaltungs- und Steuersparpotenzial. Wie Sie rückwirkend für 2022 steuerlich noch alle Register ziehen, zeigt SSP anhand eines Musterfalls. |

Der Musterfall: 2022 angeschaffte PV-Anlage auf EFH

Musterfall: A betreibt zehn kWp-Anlage mit Batteriespeicher

Herr A hat am 01.12.2022 auf seinem privaten Einfamilienhaus (EFH) eine PV-Anlage mit zehn kWp und Batteriespeicher in Betrieb genommen, um seine privaten Stromkosten (0,40 Euro brutto je kWh) zu reduzieren. Die Rechnung des Installateurs belief sich auf 20.000 Euro zzgl. 3.800 Euro Umsatzsteuer. A hat die PV-Anlage nicht dem Unternehmen zugeordnet. Dementsprechend hat er – richtigerweise – auch bis heute (Stand 31.01.2024) keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben. Beim Netzbetreiber hatte A die PV-Anlage angemeldet und bis zum 31.01.2024 insgesamt 600 Euro Einspeisevergütungen erhalten (Abschläge plus Jahresabrechnungen). Im Einspeisevertrag hatte er angegeben, dass die Einspeisevergütung ohne Umsatzsteuer ausgezahlt werden soll. Bis zum 31.01.2024 ergaben sich aus den Zählerständen folgende Stromnutzungen:
Erzeugt und privat verbrauchtErzeugt undeingespeist
Jahr 2022 (ein Monat)
300 kWh100 kWh
Jahr 2023 (zwölf Monate)
4.000 kWh6.000 kWh
Jahr 2024 (ein Monat)
400 kWh200 kWh

Das Problem: Ertragsteuerfreiheit ja, Vorsteuerabzug nein

Der Betrieb der PV-Anlage ist ertragsteuerlich nach § 3 Nr. 72 S. 1 Buchst. a) EStG steuerfrei. Weil A die PV-Anlage aber nicht dem Unternehmen zugeordnet hat, entgeht ihm umsatzsteuerlich der Vorsteuerabzug. Ein weiteres Manko der unterlassenen Zuordnung: A kann das durch § 12 Abs. 3 Nr. 1 UStG und die BMF-Schreiben vom 27.02.2023 und 30.11.2023 (Az. III C 2 – S 7220/22/10002 :010, Abruf-Nr. 234002 und Az. II C 2 – S 7220/22/10002 :013, Abruf-Nr. 238819) eröffnete Gestaltungsmodell der zeitnahen Entnahme aus dem Unternehmen nicht nutzen. Daraus ergeben sich zwei Fragen:

  • 1. Kann A die PV-Anlage rückwirkend dem Unternehmen zuordnen?
  • 2. Wie hoch wäre die Steuerersparnis für ihn, wenn die rückwirkende Zuordnung noch gelingt?

Step 1: PV-Anlage bis 31.07.2024 dem Unternehmen zuordnen

Damit A seine im Jahr 2022 angeschaffte PV-Anlage dem Unternehmensvermögen zuordnen und den Vorsteuerabzug erhalten kann, muss er zwei Voraussetzungen erfüllen:

  • Er muss beim Erwerb der PV-Anlage beabsichtigt haben, den erzeugten Strom zu mindestens zehn Prozent an den Netzbetreiber zu veräußern (§ 15 Abs. 1 S. 2 UStG). Nur dann besteht nämlich das Wahlrecht, die PV-Anlage vollumfänglich dem Unternehmen zuzuordnen (Abschn. 15.2c UStAE).
  • Wichtig | Die 90-Prozent-Grenze wird bei PV-Anlagen regelmäßig überschritten, sodass eine Zuordnung zum Unternehmensvermögen unproblematisch ist. Das gilt auch, wenn ein Batteriespeicher installiert ist. Die Fiktion einer über 90-prozentigen Privatnutzung der PV-Anlage bei Installation eines Speichers findet hier nämlich keine Anwendung; sie gilt nur für die Entnahme aus dem Unternehmensvermögen (BMF, Schreiben vom 27.02.2023, Rz. 5).
Praxistipp | Die Zuordnungsentscheidung dokumentieren Sie am besten in der erstmöglichen Umsatztsteuervoranmeldung (vgl. Abschn. 15.2c Abs. 16 S. 3 UStAE). Fehlen frühere Anhaltspunkte für eine vollständige oder teilweise Zuordnung der bezogenen Leistung zum Unternehmen, müssen Sie die Zuordnungsentscheidung spätestens – und mit endgültiger Wirkung – in einer zeitnah erstellen Umsatzsteuererklärung für das Jahr, in das der Leistungsbezug fällt, nach außen dokumentieren. Zeitnah ist die Dokumentation, wenn sie bis zur gesetzlichen Regelabgabefrist für Steuererklärungen vorliegt (BFH, Urteil vom 07.07.2011, Az. V R 42/09, Abruf-Nr. 113391).
  • A muss eine Zuordnungsfrist beachten. Innerhalb derer muss er entscheiden, dass er die PV-Anlage für sein Unternehmen bezogen hat, um überhaupt vorsteuerabzugsberechtigt zu sein. Versäumt A diese Frist, versagt das Finanzamt die Vorsteuerabzugsberechtigung.
  • Die Regelabgabefrist für das Jahr 2022 lief bis zum 02.10.2023 (§ 149 Abs. 2 S. 1 und § 108 Abs. 3 AO sowie § 36 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b EGAO). Deswegen kann die PV-Anlage im Jahr 2024 – eigentlich – nicht mehr dem Unternehmen zugeordnet werden. Die Betonung liegt auf „eigentlich“.

FG Köln hebelt Frist aus

Denn jetzt kommt das FG Köln ins Spiel. Es hat in einem – dem SSP-Musterfall gleichgelagerten – Fall die Zuordnung einer im Jahr 2019 angeschafften PV-Anlage zum Unternehmen in einer am 11.03.2021 abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärung für 2019 zugelassen – obwohl die Deadline der Regelabgabefrist bereits am 31.07.2020 verstrichen war.

Nach Auffassung des FG Köln steht sein Urteil auch gar nicht im Widerspruch, sondern im Einklang mit der bisherigen BFH-Rechtsprechung. Der BFH hatte nämlich in Fällen zu entscheiden, in denen die verlängerten Fristen für Steuerberater nicht aus dem Gesetz ersichtlich waren, sondern auf Grundlage von § 109 Abs. 1 AO erst zu Beginn des dem jeweiligen Veranlagungszeitraum folgenden Kalenderjahrs geregelt wurden. Mittlerweile wurde jedoch mit § 149 Abs. 3 AO gesetzlich geregelt, dass für steuerlich beratene Steuerzahler eine verlängerte Abgabefrist bis zum letzten Tag des Monats Februar des zweiten auf den Besteuerungszeitraum folgenden Kalenderjahrs gilt. Das wäre im BFH-Fall der 28.02.2021 gewesen. Da die Frist infolge der Corona-Pandemie gesetzlich bis zum 31.08.2021 verlängert wurde (§ 36 Abs. 1 EGAO), erfolgte die Zuordnung der PV-Anlage am 11.03.2021 mit Abgabe der Umsatzsteuererklärung fristgerecht. Somit war auch der Vorsteuerabzug zulässig (FG Köln, Urteil vom 07.11.2023, Az. 8 K 2418/22, Abruf-Nr. 239176).

Wichtig | Für die zeitlich rechtzeitige Zuordnung zum Unternehmensvermögen ist also entscheidend, ob der PV-Anlagen-Betreiber (= Unternehmer) steuerlich beraten ist oder nicht. Folgende Zuordnungsfristen gelten:

Zuordnungsfristen für die VZ 2022 bis 2025
Nicht stl. beratene UnternehmerStl. beratene Unternehmer
VZ 2022
02.10.202331.07.2024
VZ 2023
02.09.202402.06.2025
VZ 2024
31.07.202530.04.2026
VZ 2025
31.07.202601.03.2027

Zuordnung von PV-Anlage aus 2022 noch bis zum 31.07.2024 möglich

Im Musterfall bedeutet das für A: Ist er steuerlich beraten, kann er die PV-Anlage noch bis zum 31.07.2024 dem Unternehmensvermögen zuordnen und den Vorsteuerabzug beanspruchen. Dafür muss A aber auf die Kleinunternehmerregelung (§ 19 Abs. 1 UStG) verzichten.

Der Haken: Verzicht auf Kleinunternehmerregelung notwendig

Verzichtet A auf die Kleinunternehmerregelung, fordert das Finanzamt auf die Umsätze Umsatzsteuer. Das bringt für A zwei Nachteile mit sich:

  • 1. Das Finanzamt erhebt 19 Prozent Umsatzsteuer auf die Einspeisevergütungen. Diese 19 Prozent stellen aber keine Belastung dar, weil der Netzbetreiber die Umsatzsteuer zusätzlich zur Einspeisevergütung zahlt. A sollte die Änderung dem Netzbetreiber deshalb für die Gutschriften mitteilen. Unterlässt er die Mitteilung, beliefe sich seine Mehrbelastung auf 95 Euro (600 Euro Gutschriften bis 31.01.2024 / 119 x 19 Prozent).
  • 2. A muss den erzeugten und privat verbrauchten Strom versteuern (§ 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG). Bemessungsgrundlage ist der fiktive Einkaufspreis im Zeitpunkt des Umsatzes (§ 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG; BFH, Urteil vom 12.12.2012, Az. XI R 3/10, Abruf-Nr. 130718). Weil A zusätzlich Strom von einem Energieversorger bezieht, liegt ein dem selbstproduzierten Strom gleichartiger Gegenstand vor. Dessen Einkaufspreis ist als fiktiver Einkaufspreis anzusetzen (Abschn. 2.5 Abs. 15 UStAE). Bis zum 31.01.2024 beträgt A´s Bemessungsgrundlage also 1.580 Euro (4.700 kWh x 0,40 Euro / 119 x 100). Für den privaten Stromverbrauch muss A bis zum 31.01.2024 folglich 300 Euro (1.580 Euro x 19 Prozent) ans Finanzamt zahlen.

Step 2: PV-Anlage entnehmen und so Besteuerung umgehen

Die Umsatzsteuer auf den erzeugten und privat verbrauchten Strom führt bei A also – auch nach dem 31.01.2024 – zu einer effektiven Belastung. Doch jetzt kommt der Clou: A kann die Umsatzsteuer durch Entnahme der PV-Anlage aus dem Unternehmensvermögen vermeiden. Entnimmt er die PV-Anlage, wird der Strom nämlich nicht mehr innerhalb des Unternehmens erzeugt und anschließend für private Zwecke entnommen, sondern direkt außerhalb des Unternehmens erzeugt; die steuerpflichtige Entnahme des Stroms entfällt – und zwar ab dem Tag der Entnahme. Die Begründung: Die Entnahme der PV-Anlage aus dem Unternehmen unterliegt nur der Umsatzsteuer zum Nullsteuersatz (§ 12 Abs. 3 Nr. 1 UStG) und löst deswegen keine Steuerbelastung aus. Der Vorsteuerabzug bleibt zudem erhalten.

Wichtig | Die steuerneutrale Entnahme der PV-Anlage ist immer zulässig, wenn beabsichtigt wird, zukünftig mehr als 90 Prozent des erzeugten Stroms für nichtunternehmerische Zwecke zu verwenden (Abschn. 3.2 Abs. 3 Nr. 1 UStAE). Zur Vereinfachung gestattet das BMF die Entnahme auch dann, wenn ein Teil des erzeugten Stroms in einer Batterie gespeichert oder für die nicht nur gelegentliche Ladung eines nicht dem Unternehmen zugeordneten E-Fahrzeugs bzw. den Betrieb einer nicht dem Unternehmen zugehörigen Wärmepumpe verwendet wird (Schreiben vom 27.02.2023, Rz. 5, 30.11.2023, Rz. 3). A erfüllt aufgrund des installierten Batteriespeichers die Voraussetzung. Er kann seine PV-Anlage also aus dem Unternehmen entnehmen. Weil die Entnahme der PV-Anlage aus dem Unternehmensvermögen eine aktive Handlung des Unternehmers erfordert, kann sie niemals rückwirkend, sondern immer nur ab dem aktuellen Zeitpunkt erfolgen. Im Musterfall entnimmt A seine PV-Anlage deshalb zum 31.01.2024.

Durch die Zuordnung der PV-Anlage zum Unternehmensvermögen und die zeitgleiche Entnahme realisiert A folgende Steuerersparnis:

So ermittelt sich die effektive Steuerersparnis im Musterfall
Vorsteuerabzug 2022
3.800 Euro
Umsatzsteuer auf Einspeisungen (bis 31.01.2024)
./. 95 Euro
Umsatzsteuer für privaten Stromverbrauch (bis 31.01.2024)
./. 300 Euro
Effektive Steuerersparnis
3.405 Euro
Fazit | Durch die Zuordnung der PV-Anlage zum Unternehmen und deren zeitgleiche Entnahme aus dem Unternehmensvermögen lassen sich enorme Steuerersparnisse realisieren. Der Ersparnis gegenüber steht der erhöhte Verwaltungsaufwand. Ab 2022 müssen nämlich rückwirkend Umsatzsteuererklärungen beim Finanzamt abgegeben und der Netzbetreiber informiert werden. Kurzum: Der „Preis“ für die Steuerersparnis in Höhe von 3.405 Euro ist die Erfüllung der umsatzsteuerlichen Pflichten für die Jahre 2022 bis 2027.

AUSGABE: SSP 3/2024, S. 20 · ID: 49872875

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