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KapitalanlagenFG Rheinland-Pfalz: Verlustverrechnung bei Termingeschäften ist verfassungswidrig
| Die Verlustverrechnung bei Termingeschäften ist seit 2021 noch schlechter als die bei den anderen Einkünften aus Kapitalvermögen. Haben Sie Verluste aus Termingeschäften erlitten, können Sie diese nur noch in Höhe von 20.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften oder mit Erlösen aus Stillhalterprämien verrechnen. So steht es in § 20 Abs. 6 S. 5 EStG. Das FG Rheinland-Pfalz hat jetzt Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Verlustverrechnung geäußert. |
Die Verluste bei Termingeschäften seit 2021
Die Verlustbeschränkung aus Termingeschäften ist im Jahressteuergesetz 2020 eingeführt worden und zum 01.01.2021 in Kraft getreten.
Der Stand der Dinge in § 20 Abs. 6 S. 5 EStG
Haben Sie Verluste aus Termingeschäften erlitten, können Sie diese nur in Höhe von 20.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften oder mit Erlösen aus Stillhalterprämien verrechnen. Haben Sie höhere Verluste als 20.000 Euro erlitten, wird das Finanzamt den übersteigenden Verlust gesondert feststellen und in die Folgejahre vortragen. Eintragungen erfolgen in der Zeile 14 der Anlage KAP. Wichtig ist, dass Gewinne und Verluste aus Termingeschäften zwingend getrennt anzugeben sind. Eine Saldierung ist unzulässig.
Beispiel zur Rechtslage bei Termingeschäften
Das Verlustverrechnungsthema bei Termingeschäften wird am besten anhand eines Beispiels deutlich:
Beispiel |
Ein Anleger hat in 2023 bei Termingeschäften Gewinne von 55.000 Euro und Verluste von 45.000 Euro erzielt, unterm Strich also ein Plus von 10.000 Euro. Da der verrechenbare Verlust aber auf 20.000 Euro begrenzt ist, muss er insgesamt einen Gewinn von 35.000 Euro versteuern. 25.000 Euro davon sind Scheingewinne. |
Der Fall vor dem FG Rheinland-Pfalz
Beim FG Rheinland-Pfalz ging es um einen ähnlichen Fall wie im Beispiel geschildert, er war nur krasser. Dort war der Scheingewinn so hoch, dass der Anleger bei einem Reingewinn von 23.342 Euro Einkommensteuer in Höhe von 59.860,60 Euro zahlen sollte. Dagegen klagte er.
Die Entscheidung des FG
Die Klage hatte Erfolg. Das FG hat Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung geäußert und Aussetzung der Vollziehung gewährt (FG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05.12.2023, Az. 1 V 1674/23, Abruf-Nr. 239366).
Verrechnungsgrenze produziert widersinnige Ergebnisse
Das FG hält es für nicht folgerichtig, dass spekulationsbedingte hohe Gewinne bei Zufluss voll zu versteuern seien, Verluste aber jährlich nur begrenzt und möglicherweise – je nach Lebenserwartung des Anlegers – gar nicht anerkannt werden. Im konkreten Fall, so das FG in Rz. 55 der Begründung, führe die Verrechnungsgrenze zu dem widersinnigen Ergebnis, dass der Anleger bei einem Reingewinn von nur 23.342 Euro Einkommensteuer in Höhe von 59.860,60 Euro zahlen müsse. Das habe zur Folge, dass er zum Teil aus Einnahmen Einkommensteuer zahlen müsse, die er gar nicht aus Termingeschäften erwirtschaftet habe.
FG: BVerfG-Verfahren zur Verlustverrechnung bei Aktien greift hier auch
Interessant ist, dass das FG in seiner Entscheidung auch auf die anstehende Entscheidung des BVerfG zur Verlustverrechnung bei Aktien Bezug nimmt. Wie auch in SSP berichtet, vertritt der BFH die Auffassung, dass die Regelung im EStG, Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur mit entsprechenden positiven Einkünften verrechnen zu können, gegen die Verfassung verstößt. Er hat diese Frage deshalb dem BVerfG vorgelegt (BFH, Beschluss vom 17.11.2020, Az. VIII R 11/18, Abruf-Nr. 222765).
Das FG sieht die Regelung in § 20 Abs. 6 S. 4ff EStG aber als noch weit fragwürdiger an als die Verrechnungsbeschränkungen für Verluste aus Aktienveräußerungen; u. a. auch deswegen, weil sie durch die Begrenzung der Höhe (20.000 Euro) eben über die Verlustverrechnungsbeschränkungen für Aktienveräußerungen hinausgeht. Das FG schließt sich deshalb Meinungen der Fachliteratur an, dass „im Falle einer Verfassungswidrigkeit von § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG über die Berücksichtigung von Aktienverlusten auch diese Regelung verfassungswidrig sei“.
Begründung: Die in dem Vorlagebeschluss genannten Gründe sind auf die Verlustverrechnungsbeschränkung gemäß § 20 Abs. 6 S. 5 EStG übertragbar. So habe der BFH dort unter Rz. 47 f. ausgeführt, dass anders als bei einer einkünfteübergreifenden Verlustverrechnung nicht im Wege typisierender Betrachtung davon ausgegangen werden könne, dass Aktienveräußerungsverluste in der Totalperiode vollständig ausgeglichen werden können. Damit drohe dem Steuerzahler über einen Liquiditäts- und Zinsnachteil hinaus die ganze oder teilweise Nichtberücksichtigung des Verlusts und damit seiner Anschaffungskosten.
So reagieren betroffene Anleger
Die in Karlsruhe anhängige Verfassungsbeschwerde zur Verlustverrechnung bei Aktien trägt das Az. 2 BvL 3/21. Da das FG Rheinland-Pfalz – wie erwähnt – der Auffassung ist, dass der Ausgang dieses Verfahrens auch Auswirkungen auf Termingeschäfte hat, können Sie auch bei der Nichtverrechnung von Verlusten aus Termingeschäften unter Hinweis auf das anhängige Verfahren Einspruch einlegen und Ruhen des Verfahrens beantragen. Außerdem hat das Finanzamt im Rheinland-Pfälzer Fall Beschwerde beim BFH gegen die Aussetzung der Vollziehung eingelegt. Diese wird beim BFH unter dem Az. VIII B 113/23 (AdV) geführt.
AUSGABE: SSP 3/2024, S. 17 · ID: 49893431