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AbgeltungsteuerETF- und Fonds-Anleger aufgepasst: Mit diesem einfachen Steuertrick sparen Sie beim Teilverkauf

Abo-Inhalt29.02.20248 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| Kapitalanleger investieren in Exchange Trade Funds (ETF) und Aktienfonds – das ist längst keine Seltenheit mehr. Gestartet wird meist mit einem ambitionierten Sparplan über viele Jahre, doch dann kommen Wünsche wie eine Weltreise oder das Eigenheim dazwischen. Also wird ein Teil der Anteile verkauft. Ein Stück vom Kuchen will dann auch das Finanzamt abhaben. Wie groß das Stück ist, haben Anleger selbst in der Hand. Denn mit einem einfachen Trick, lassen sich die Steuern reduzieren und ein vierstelliger Mehrgewinn realisieren. Wie das genau funktioniert, zeigt SSP. |

So wird der Veräußerungsgewinn besteuert

Werden Anteile an einem Aktien-ETF oder -fonds veräußert, ist das ein steuerpflichtiger Kapitalertrag i. S. v. § 20 Abs. 2 EStG. Zu deutsch: Auf den Kursgewinn – die Differenz zwischen Verkaufspreis und Anschaffungskosten – fallen Steuern an. Die Steuerbelastung beträgt 26,375 Prozent, konkret 25 Prozent Abgeltungssteuer zzgl. 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag (§ 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG).

Doch nicht der komplette Gewinn wird der Besteuerung unterworfen. 30 Prozent des Gewinns sind nach § 20 Abs. 1 S. 1 InvStG steuerfrei, weil der Aktien-ETF bzw. -fonds selbst der Körperschaftsteuer unterliegt.

Beispiel 1

Anton spart 20 Jahre lang monatlich 500 Euro in einen Aktienfonds (Summe = 120.000 Euro). Der Fonds erzielt eine durchschnittliche Rendite nach Kosten von sieben Prozent (Summe = 135.203 Euro). Anton verkauft die Anteile für 255.203 Euro.
Lösung: Der Veräußerungsgewinn beträgt 135.203 Euro (Wertsteigerung). Davon unterliegen 94.642 Euro der Besteuerung (70 Prozent). Die Steuerbelastung beträgt 24.961 Euro (26,375 Prozent). Netto erhält Anton damit 230.242 Euro. Er erzielt nach Abzug seiner Einzahlungen also einen Nettogewinn von 110.242 Euro.

Wichtig | Wurden für die in den Jahren bis zur Veräußerung entstandenen, aber noch nicht realisierten Kurssteigerungen Vorabpauschalen versteuert, mindern diese den Kapitalertrag – Stichwort „Vermeidung der Doppelbesteuerung“. Weil die Vorabpauschale auf die Effektivität und Systematik des hier vorgestellten Steuersparmodells keine nennenswerte Auswirkung hat, bleibt die Vorabpauschale einfachheitshalber außen vor.

Bei Teilverkauf kommt das ungünstige Fifo-Verfahren ins Spiel

Für Weltreise, Immobilienkauf & Co. wird in der Praxis meist nicht das komplette Investment, sondern nur ein Teilbetrag benötigt – drum veräußert der Anleger auch nur einen Teil der ETF und Fonds. Das hat Vor- und Nachteile.

Die Vorteile: Es fallen weniger Steuern an – schließlich wird ja ein geringerer Gewinn realisiert – und der Kapitalanleger profitiert nach der Teilveräußerung von der Wertentwicklung des ETF oder Fonds weiter – weil er ja noch immer die ihm verbliebenen Anteile hält.

Der Nachteil: Die Ermittlung des anteilig steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns. Werden 50 Prozent der Anteile veräußert, heißt das nämlich nicht automatisch, dass 50 Prozent des Gesamtgewinns der Besteuerung unterliegen. Es muss vielmehr jeder einzelne Kaufvorgang, sprich jedes einzelne Investment, gesondert gewürdigt werden.

Der Betrachtung liegt die ungünstige Fiktion des § 20 Abs. 4 S. 7 EStG zugrunde. Danach werden die zuerst angeschafften Anteile auch zuerst veräußert (sog. Fifo-Verfahren). Der Haken: Weil sich die zuerst angeschafften Anteile am längsten im Besitz des Anlegers befunden haben, enthalten diese auch den höchsten Gewinn. Greifbar wird das anhand des Beispiels 1: Aus der ersten Einzahlung von 500 Euro sind nach 20 Jahren und einer durchschnittlichen Kursentwicklung nach Kosten von sieben Prozent sind 1.935 Euro geworden. Bei einem Verkauf müssten folglich 1.435 Euro versteuert werden. Die zuletzt investierten 500 Euro haben hingegen noch einen Wert von 500 Euro; bei einer Veräußerung der damit erworbenen Anteile würden keine Steuern anfallen.

Beispiel 2

Zum besseren Verständnis der Problematik nehmen wir an, dass Anton nicht monatlich 500 Euro, sondern über die Laufzeit nur zweimal in den Fonds investiert: 60.000 Euro im Alter von 30 Jahren (500 Euro x 12 Monate x 10 Jahre) und 60.000 Euro im Alter vom 40. Im Alter von 50 Jahren möchte er 100.000 Euro für eine Weltreise entnehmen. Der Rest soll Anton im Alter von 65 Jahren zum Rentenbeginn ausgezahlt werden.
Lösung:
  • Schritt 1: Das Investment von 60.000 Euro im Alter von 30 Jahren hat bei einer Wertentwicklung von jährlich sieben Prozent im Alter von 50 Jahren einen Wert von 232.181 Euro. Davon werden 100.000 Euro veräußert. Der steuerpflichtige Gewinn beträgt 74.158 Euro (100.000 Euro – [60.000 Euro : 232.181 Euro x 100.000 Euro]), die Steuerbelastung 13.691 Euro (74.158 Euro x 0,7 x 0,26375). Anton erhält aus dem Teilverkauf netto 86.309 Euro.
  • Schritt 2: Die aus der ersten Einzahlung verbliebenen 132.181 Euro steigen bis zum 65. Lebensjahr, also bis zum Komplettverkauf, weiterhin um sieben Prozent pro Jahr und haben mit 65 Jahren einen Wert von 364.691 Euro. Diese 364.691 Euro werden nun veräußert. Der steuerpflichtige Gewinn beträgt 330.533 Euro (364.691 Euro ./. [60.000 Euro : 232.181 Euro x 132.181 Euro]) und die Steuerbelastung 61.024 Euro (330.533 Euro x 0,7 x 0,26375). Anton erhält aus dem Teilverkauf netto 303.667 Euro.
  • Schritt 3: Das zweite Investment im Alter von 40 Jahren (ebenfalls 60.000 Euro) steigt bis zur Veräußerung mit 65 Jahren auf 325.645 Euro. Diese 325.645 Euro werden nun veräußert. Der steuerpflichtige Gewinn beträgt 265.645 Euro (325.645 ./. 60.000) und die Steuerbelastung 49.045 Euro (265.645 x 0,7 x 0,26375). Anton erhält aus dem Teilverkauf netto 276.600 Euro.
Anton erhält netto gesamt 666.576 Euro (86.309 Euro + 303.667 Euro + 276.600 Euro).

„Lifo statt Fifo“ spart Steuern

Komplett anders berechnet sich die Besteuerung, wenn statt des Fifo-Verfahrens das Lifo-Verfahren zur Anwendung kommt. Beim Lifo-Verfahren werden nämlich die Anteile zuerst veräußert, die zuletzt erworben wurden.

Der Vorteil: Die zuletzt erworbenen Anteile enthalten in der Regel einen geringeren Gewinn als die zuerst erworbenen. Dadurch fällt auch die Steuerbelastung beim Verkauf dieser Anteile geringer aus. Die gesparten Steuern können dann wieder in ETF oder Fonds investiert werden. Es ergibt sich ein echter Nettogewinn in Höhe von mehreren tausend Euro.

Beispiel 3

Wie Beispiel 2, nur gelingt es Anton das Lifo-Verfahren anzuwenden. Der Teilverkauf im Alter von 50 Jahren erfolgt also von den zuletzt im Alter von 40 Jahren investierten 60.000 Euro und die gesparten Steuern werden reinvestiert.
Lösung:
  • Schritt 1: Das Investment von 60.000 Euro im Alter von 40 Jahren hat bei einer Wertentwicklung von jährlich sieben Prozent im Alter von 50 Jahren einen Wert von 118.029 Euro. Davon werden 100.000 Euro veräußert. Der steuerpflichtige Gewinn beträgt 49.166 Euro (100.000 Euro ./. [60.000 Euro : 118.029 Euro x 100.000 Euro]) und die Steuerbelastung 9.077 Euro (49.166 Euro x 0,7 x 0,26375). Anton erhält aus dem Teilverkauf netto 90.923 Euro. Den Mehrbetrag von 4.614 Euro im Vergleich zum Beispiel 2 reinvestiert er. Netto fließen Anton damit – wie im Beispiel 2 – 86.309 Euro zu.
  • Schritt 2: Die aus der zweiten Einzahlung verbliebenen 18.029 Euro zzgl. des Neuinvestments von 4.614 Euro (gesparte Steuern) steigen bis zum 65. Lebensjahr (Komplettverkauf) weiterhin um sieben Prozent pro Jahr – Wert mit 65: 62.472 Euro. Diese 62.472 Euro werden nun veräußert. Der steuerpflichtige Gewinn beträgt 48.693 Euro (62.472 Euro ./. 4.614 Euro und ./. [60.000 Euro : 118.029 Euro x 18.029 Euro]) und die Steuerbelastung 8.989 Euro (48.693 Euro x 0,7 x 0,26375). Anton erhält aus dem Teilverkauf netto 53.483 Euro.
  • Schritt 3: Das – bisher unangetastete – erste Investment von 60.000 Euro im Alter vom 30 Jahren steigt bis zum Alter von 65 Jahren auf 640.595 Euro. Diese 640.595 Euro werden nun veräußert. Der steuerpflichtige Gewinn beträgt 580.595 Euro (640.595 Euro ./. 60.000 Euro) und die Steuerbelastung 107.192 Euro (580.595 Euro x 0,7 x 0,26375). Anton erhält aus dem Teilverkauf netto 533.403 Euro.
Anton erhält bei taggleicher Realisierung netto 673.195 Euro (86.309 Euro + 53.483 Euro + 533.403 Euro). Das bedeutet einen finanziellen Vorteil durch das Lifo-Verfahren von netto 6.619 Euro.

Fortführung Beispiel 3

Veräußert Anton nur 94.925 Euro der Anteile, realisiert er direkt nach Steuern netto 86.309 Euro. Der Vorteil: Schritt 2 umfasst nun nicht ein Investment von 22.643 Euro (18.029 + 4.614 Euro), sondern 23.104 Euro (118.029 ./. 94.925 Euro). Das
führt dazu, dass sich das Investment bis zum Komplettverkauf mit 65 Jahren nicht auf 62.472 Euro, sondern auf 63.745 Euro erhöht. Der Nettoauszahlungsbetrag nach Steuern bei Verkauf steigt daher von 53.483 Euro auf 54.145 Euro. Eine weitere Ersparnis von netto 662 Euro.

Wie sich das Gestaltungsmodell „Lifo“ umsetzen lässt

Ziel muss es also sein, das steuerlich ungünstige Fifo-Verfahren zugunsten des lukrativen Lifo-Verfahrens zu umgehen. Das gelingt Anlegern denkbar einfach mit drei Strategien.

Strategie 1: Investments über ein anderes Depot tätigen

Bei dieser Strategie muss der Anleger bereits in der Ansparphase aktiv werden. Statt über mehrere Jahrzehnte hinweg ETF oder Fondsanteile über dasselbe Depot zu kaufen, eröffnet der Anleger alle paar Jahre ein neues Depot und investiert darüber. Er könnte z. B. für die ersten zehn Jahre das Depot A nutzen und dann für weitere zehn Jahre das Depot B usw. Will der Anleger einen Teil der Anteile verkaufen, kann er sodann das Depot mit dem geringsten Gewinn – das ist normalerweise das neueste Depot – verkaufen. Dadurch reduziert sich die sofortige Steuerbelastung; der Totalgewinn steigt (vgl. Beispiel 3).

Strategie 2: ETF oder Fonds wechseln

Bei Strategie 2 muss der Anleger ebenfalls schon in der Ansparphase aktiv werden, er benötigt aber nur ein Depot. Statt regelmäßig neue Depots zu eröffnen, wechselt der Anleger den als Investment gewählten ETF oder Fonds. So entstehen mehrere Tranchen des Investments und der Anleger kann bei einem späteren Teilverkauf die Tranche mit dem geringsten Gewinn auswählen. Diese Strategie eignet sich besonders gut für Investitionen in ETF, weil die die Entwicklung eines Index abbilden (z. B. MSCI World). Es spielt deswegen keine Rolle, in welchen ETF eines bestimmten Anbieters investiert wird. Solange der Index gleich ist, entwickeln sich die ETFs nahezu identisch.

Strategie 3: Nachträglich ein Zweitdepot anlegen

Strategie 3 kann der Anleger auch rückwirkend anwenden, nachdem er über viele Jahrzehnte in einen ETF oder Fonds über dasselbe Depot investiert hat. Um das Fifo-Verfahren zu umgehen, muss er lediglich ein zweites Depot eröffnen (z. B. bei derselben Bank oder bei einem anderen Depotanbieter). Sobald beide Depots – eines leer und eines gefüllt mit dem bisherigen Investment – bestehen, müssen die Anteile, die nicht verkauft werden sollen, auf das neue Depot übertragen werden. Weil beim Depotübertrag ebenfalls das Fifo-Verfahren gilt, verbleiben in dem bisherigen Depot nur die neuesten Anteile mit dem geringsten Gewinn – und die kann der Anleger dann steueroptimiert veräußern.

Wichtig | Dass das Fifo-Verfahren je Depot gilt – und zwar nicht nur für ein Zweitdepot bei einer anderen Bank, sondern auch für ein Unterdepot bei derselben Bank – hat auch das BMF in seinem Schreiben vom 19.05.2022 (Az. IV C 1 – S 2252/19/10003 :009, Abruf-Nr. 232896, I Nr. 4 Buchst. b) klargestellt.

Fazit | Steht ein Teilverkauf von ETF oder Fondssparplänen an, sollten Anleger nicht kopflos handeln und den Verkauf einfach vollziehen, sondern die steuerliche Auswirkung im Blick haben und entsprechend steueroptimiert handeln. Denn mit den richtigen Kniffen lässt sich der Nettogewinn enorm steigern – und das sogar noch, wenn der Teilverkauf schon unmittelbar bevor steht.

AUSGABE: SSP 3/2024, S. 10 · ID: 49911143

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