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Gemeinnützigkeit§ 57 Abs. 3 AO: BFH lässt Gemeinnützigkeit von Servicegesellschaften vom EuGH prüfen
| Der BFH hat dem EuGH per Vorabentscheidungsersuchen Fragen zur steuerrechtlichen Behandlung von sog. Servicekörperschaften vorgelegt. Der EuGH muss nun klären, ob es sich bei der gesetzlichen Regelung des § 57 Abs. 3 AO um eine staatliche Beihilfe handelt, für die eine Notifizierungspflicht gegenüber der EU-Kommission besteht. |
Die Regelung zu Servicekörperschaften in § 57 Abs. 3 AO
§ 57 Abs. 3 AO ist mit dem Jahressteuergesetz 2020 eingeführt worden. Er stellt eine (weitere) Ausnahme von Unmittelbarkeitsgebot des Gemeinnützigkeitsrechts dar. Danach sind Körperschaften begünstigt, wenn sie satzungsgemäß durch planmäßiges Zusammenwirken mit mindestens einer weiteren steuerbegünstigten Körperschaft einen steuerbegünstigten Zweck verwirklichen. Die Regelung ermöglicht, dass auch Servicekörperschaften, die wirtschaftliche Leistungen an andere gemeinnützige Organisationen erbringen, als gemeinnützig anerkannt werden.
Beispiel |
... die Gemeinnützigkeitshürden enorm gesenkt und schon das ... Lagert ein Krankenhaus eine bislang im Eigenbetrieb – und damit im steuerbegünstigten Zweckbetrieb – geführte Wäscherei auf eine eigenständige GmbH aus, war diese nach früherem Recht nicht steuerbegünstigt, weil sie selbst keine gemeinnützigkeitsfähigen Leistungen erbrachte. Nach dem neuen § 57 Abs. 3 AO kann die GmbH gemeinnützig sein. Damit fallen die Leistungen, die sie an die Muttergesellschaft und andere gemeinnützige Einrichtungen erbringt, in den Zweckbetrieb. |
Die Besonderheit dieser Regelung ist, dass allein die Gemeinnützigkeit des Leistungsempfängers die Tätigkeit als steuerbegünstigt qualifiziert. Die Art der Leistung spielt dabei keine Rolle. Grundsätzlich können damit beliebige Leistungen als Zweckbetrieb steuerbegünstigt sein. Dazu können neben Dienstleistungen und Warenlieferungen auch Nutzungsüberlassungen gehören (AEAO Ziff. 5 zu § 57 Abs. 3 AO).
Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten
Die damit erzielten Überschüsse bleiben körperschaft- und gewerbesteuerfrei. Grundsätzlich gilt dann auch der ermäßigte Umsatzsteuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG. Ein steuerlicher Vorteil entsteht insbesondere dann, wenn die Servicegesellschaft ihre Leistungen an die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Kooperationspartner zum ermäßigten Umsatzsteuersatz erbringen kann, während für Wettbewerber der Regelsteuersatz gilt. Die Neuregelung des § 57 Abs. 3 AO ist damit wettbewerbsrelevant.
Erster Rechtsprechungsfall führt zu BFH-Entscheidung
Mit einem Urteil des FG Hamburg (vom 26.09.2023, Az. 5 K 11/23, Abruf-Nr. 238384) zu einer GmbH, die Dienstleistungen im Bereich der Finanzbuchhaltung für eine gemeinnützige Stiftung erbrachte, lag ein erster Rechtsprechungsfall vor, über den der BFH im Revisionsverfahren entscheiden musste. Der BFH nahm das jetzt zum Anlass, § 57 Abs. 3 AO darauf prüfen zu lassen, ob der Fall EU-rechtskonform ist. Er hat die Sache dem EuGH vorgelegt (BFH, Beschluss vom 22.05.2025, Az. V R 22/23, Abruf-Nr. 249148).
Die Auswirkung des EU-Beihilfenrechts im Fall des § 57 Abs. 3 AO
Nach § 108 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist die Kommission grundsätzlich vor jeder Neueinführung oder Umgestaltung einer Beihilfe zu unterrichten. Diese Notifizierung dient der Prüfung durch die Kommission, ob die Beihilfe genehmigungsfähig ist.
Gemeinnützige Organisation ist Unternehmen im Sinne des Beihilferechts
Eine Beihilfe im unionsrechtlichen Sinne liegt vor, wenn Unternehmen ein Vorteil aufgrund staatlicher Maßnahmen oder der Inanspruchnahme staatlicher Mittel gewährt wird. Diese Maßnahme oder Mittelgewährung muss entweder geeignet sein, den Wettbewerb zu verfälschen oder es muss eine Wettbewerbsverfälschung drohen. Als Unternehmen im Sinne des Beihilfenrechts gelten auch gemeinnützige Organisationen. Sollte der EuGH entscheiden, dass § 57 Abs. 3 AO eine neue Beihilfe darstellt, die wettbewerbsverzerrend wirkt, dürfte die Vorschrift nicht mehr angewendet werden. Den genannten Servicekörperschaften wäre die Gemeinnützigkeit zu versagen.
Sind Steuervergünstigungen eine wettbewerbsverzerrende Beihilfe?
Nach Ansicht des BFH sind Steuervergünstigungen und -befreiungen staatliche Maßnahmen, die auch dann als Vorteil zu qualifizieren sind, wenn sie keine direkten Subventionen darstellen. Die Erweiterung der steuerlichen Begünstigung auf die unter § 57 Abs. 3 AO fallenden Servicekörperschaften verschafft diesen einen potenziellen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Anbietern, die keine entsprechenden Steuerprivilegien genießen.
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH verlangt die Einstufung einer nationalen Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ i. S. v. Art. 107 Abs. 1 AEUV, dass weitere Voraussetzungen erfüllt sind:
- Es muss sich um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln.
- Die Maßnahme muss geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.
- Dem Begünstigten muss durch sie ein selektiver Vorteil gewährt werden.
- Sie muss den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen.
So sieht der BFH § 57 Abs. 3 AO unter Beihilferechtsaspekten
Der BFH sieht diese Voraussetzungen bei § 57 Abs. 3 AO grundsätzlich als gegeben an.
- Die Steuerbegünstigung für Zweckbetriebe begünstigt Unternehmen, weil sie sich auf wirtschaftliche Tätigkeiten bezieht.BFH sieht Voraus- setzungen für ...
- Diese Steuerbegünstigungen sind staatliche Maßnahmen, durch die ein Vorteil gewährt wird. Zu den staatlichen Maßnahmen gehören auch Abgabenbefreiungen und Steuerermäßigungen, die nicht mit der Übertragung staatlicher Mittel verbunden sind, aber Belastungen vermindern, die ein Unternehmen regelmäßig zu tragen hat.... wettbewerbs- widrige Beihilfe als erfüllt an
- Die Erweiterung der Steuerbegünstigungen für Zweckbetriebe durch § 57 Abs. 3 AO kann außerdem den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb verfälschen.
Zu prüfen ist aber auch, ob es sich nicht um eine sog. Altbeihilfe handelt. Die Steuerbegünstigung von Zweckbetrieben als solche existiert im deutschen Recht bereits seit vor dem 01.01.1958 und gilt deshalb grundsätzlich als Altbeihilfe“, die nicht notifizierungspflichtig ist.
Welche rechtlichen Folgen drohen aus EuGH-Entscheidung?
Grundsätzlich wäre denkbar, dass der EuGH die Zweckbetriebsregelung des § 57 Abs. 3 AO vollständig kippt. Das ist allerdings unwahrscheinlich.
In Frage stehen dürfte vor allem die Umsatzsteuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG. Diese Umsatzsteuerbefreiung für Zweckbetriebe ist regelmäßig Gegenstand der Rechtsprechung und wird vom BFH zunehmend restriktiv gehandhabt.
Die unionsrechtliche Grundlage für die Steuerermäßigung von Zweckbetriebsumsätzen findet sich in Art. 98 Abs. 1 MwStSystRL. Danach können die Mitgliedstaaten auf die Lieferungen und Dienstleistungen der im Anhang III genannten Kategorien den ermäßigten Steuersatz anwenden (Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL). Nach Anhang III Nr. 15 MwStSystRL kann für Leistungen der von den Mitgliedstaaten anerkannten gemeinnützigen Einrichtungen für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit der ermäßigte Steuersatz angewendet werden.
Der BFH hat klargestellt, dass die Regelung in § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG mit den unionsrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar sind (BFH, Urteil vom 08.03.2012, Az. V R 14/11, Abruf-Nr. 121803). Für Zweckbetriebe, die keine unmittelbar begünstigten Leistungen zum Gegenstand haben, gilt das besonders. Bisher gibt es zur Umsatzsteuerermäßigung für Servicekörperschaften keine einschlägigen Urteile. Schon vor dem Hintergrund der bisherigen BFH-Rechtsprechung muss man aber davon ausgehen, dass die Leistungen von Servicegesellschaften nicht dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen.
Fazit | Gemeinnützige Einrichtungen, die Servicekörperschaften nach § 57 Abs. 3 AO betreiben oder eine Gründung planen, sollten prüfen, ob das auch unter den drohenden steuerlichen Änderungen noch sinnvoll ist. Vor allem die Umsatzsteuerermäßigung steht in Frage. Sie ist aber nicht selten ein wichtiges Kriterium bei der Ausgründung. |
AUSGABE: SB 9/2025, S. 171 · ID: 50498155