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UmsatzsteuerFG Niedersachsen zur Umsatzsteuerpflicht von Heilbehandlungsleistungen einer Privatklinik

Abo-Inhalt13.08.2025332 Min. LesedauerVon Rechts- und Fachanwältin für Steuer- und Sozialrecht Gabriele Ritter, Ritter&Partner mbB, Rechtsanwälte und Steuerberater, Wittlich

| Das FG Niedersachsen hat die Auslegungsmaßstäbe für die Umsatzsteuerpflicht von Heilbehandlungsleistungen einer Privatklinik herausgearbeitet. Zwar erging das Urteil zu einer älteren (deutschen) Rechtslage. Gleichwohl können wesentliche Aussagen auf die heutige Rechtslage übertragen werden. Der von den Privatkliniken erhoffte Befreiungsschlag war das Urteil (leider) nicht. |

Die Umsatzsteuerbefreiung von Heilbehandlungsleistungen

Mit einer Änderung der Umsatzsteuer-Befreiungsvorschriften im Jahre 2009 wurde für die Umsatzsteuerbefreiung von Heilbehandlungsleistungen auf den Zulassungsstatus der Krankenhäuser abgestellt. Leistungen der Privatkliniken unterlagen damit plötzlich der Umsatzsteuerpflicht, auch wenn sie gleiche Leistungen wie öffentlich-rechtliche oder zugelassene Krankenhäuser erbrachten.

In der Folge wehrten sich die betroffenen Krankenhäuser gegen Umsatzsteuernachforderungen, allerdings mit nur mäßigem Erfolg. Das Urteil des FG Niedersachsen (vom 15.01.2025, Az. 5 K 256/17, Abruf-Nr. 246647) ist – soweit ersichtlich – das letzte in einer Reihe von Urteilen unterschiedlicher Finanzgerichte, des BFH und des EuGH. Dieses Urteil ist jedoch besonders interessant, da es auf eine Entscheidung des EuGH vom 07.04.2022 (Rs. C‑228/20) im Rahmen eines von dem FG eingeleiteten Vorabentscheidungsersuchen ergangen ist.

Essenzielle Aussagen des klageabweisenden Urteils des FG

Die rechtliche Prüfung durch das FG beschränkte sich auf die Anwendung von EU-Recht, konkret auf die unmittelbare Anwendung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL. Die Parteien waren sich einig, dass eine Umsatzsteuerfreiheit nach der in den Streitjahren 2009-2012 geltenden strengeren nationalen Regelung nicht argumentierbar war.

Die Kernaussage des FG: Es ist ein Vergleich mit den Bedingungen anzustellen, unter denen Krankenhäuser des öffentlichen Rechts in sozialer Hinsicht tätig werden. Dabei ist eine umfassende Gesamtabwägung vorzunehmen. Kriterien, die aufgrund der EuGH-Entscheidung durch das FG Niedersachsen besonders hervorgerufen wurden, sind

  • die Vergleichbarkeit der Vergütung mit öffentlich-rechtlichen Krankenhäusern,
  • die Patientenzusammensetzung,
  • der Nachweis der Kostenübernahme durch Einrichtungen der sozialen Sicherheit sowie
  • Kostenstruktur und Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung mit dem Gesamtziel, die Kosten der Heilbehandlungen zu senken und dem Einzelnen eine qualitativ hochwertige Behandlung zugänglicher zu machen.

FG kritisiert Krankenhaus für Abrechnungsmethode

Das FG sah es als negativ an, dass das Krankenhaus nach tagesgleichen Pflegesätzen abrechnete, statt – wie nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) vorgesehen – über Fallpauschalen. Damit schaute das FG nicht lediglich auf die Höhe des Entgelts, sondern auf die Art der Abrechnung.

Hinsichtlich der Patientenstruktur und des Nachweises der Kostenübernahme bedurfte es keiner größeren Prüfung, da das Krankenhaus – bis auf einen Fall – keine Kostenübernahme durch einen Sozialversicherungsträger nachweisen konnte. Deshalb konnte etwa dahinstehen, ob und in welchem Umfang zu den Sozialversicherungsträgern auch die staatliche Beihilfe und die privaten Krankenversicherer zählen. Das FG schien aber der insofern ablehnenden Haltung des FG München (Urteil vom 18.10.2023, Az. 3 K 317/18, Abruf-Nr. 249603, Ziff. 112, Revision unter Az. XI R 36/23) den Vorzug zu geben. Gleichzeitig wies es aber auch auf die dazu wiederum abweichende Haltung des BFH hin, der in seinem Urteil vom 23.10.2014 (Az. V R 20/14, Abruf-Nr. 175145) insbesondere die Beihilfepatienten den GKV-Patienten gleichgestellt hatte.

Wirtschaftliche Betriebsführung im Fokus

In besonderer Weise hat das FG Niedersachsen unter Hinweis auf die Entscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsersuchen auf die wirtschaftliche Betriebsführung hingewiesen. Nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 109 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB V und § 12 SGB V müssen die Krankenhausleistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.

Das Wirtschaftlichkeitsgebot verlangt – so das FG –, sparsam und wirtschaftlich zu verfahren. Im Kern geht es um eine kostengünstige und gleichsam qualitativ hochwertige Behandlung durch ein Krankenhaus. Dem wird dadurch Rechnung getragen, dass das für öffentlich-rechtliche Krankenhäuser maßgebende Vergütungssystem angewandt wird, so im Kern das FG. Wegen der dem dualen Finanzierungssystem geschuldeten Zweiteilung von Leistungsentgelt und Investitionsförderung lässt sich für Privatkliniken im Einzelfall zwar nach Ansicht des Gerichts ein höheres Entgelt rechtfertigen.

Durch den Verweis auf das Urteil des FG München vom 18.10.2023 wird aber deutlich, dass hier ein Vergleich mit den für Investitionskostenförderungen öffentlich-rechtlicher Krankenhäuser geltenden Regeln vorzunehmen ist (siehe Rz. 74 des Urteils des FG München) und nicht etwa die Selbstkosten entscheidend sind. Der BFH zeigt sich dazu – soweit ersichtlich – scheinbar offener (BFH, Urteil vom 23.10.2014 (Az. V R 20/14, Abruf-Nr. 175145).

Abrechnung muss Nichtteilnahme an Notfallversorgung beachten

Sowohl das FG Niedersachsen als auch das FG München haben es in den entschiedenen Fällen bei Anwendung des DRG-Fallpauschalensystems zudem deutlich kritisiert, dass die jeweiligen Krankenhäuser dadurch, dass sie nicht an der Notfallversorgung teilnehmen, keinen Abschlag nach § 4 Abs. 6 KHEntgG vorgenommen haben. Demnach ist, soweit nichts anderes festgelegt ist, ein Betrag in Höhe von 50 Euro je vollstationärem Fall abzuziehen.

Ist Umsatzsteuerbefreiung für Privatkliniken erreichbar?

An der Stelle stellt sich nun die Frage, ob die Umsatzsteuerbefreiung für Privatkliniken überhaupt erreichbar ist.

Fallbeispiel

Eine im Bereich der Psychosomatik tätige Klinik bietet ihre stationären Leistungen zu pauschalen Tagessätzen an. Diese orientieren sich an dem für psychosomatische Leistungen verhandelten Basisentgeltwert des nächstgelegenen zugelassenen Krankenhauses. Die Patientenstruktur ist gemischt. Mindestens 40 Prozent der Kosten entfallen auf Beihilfepatienten und GKV-Patienten, die seitens ihrer Krankenkasse aufgrund besonderer Umstände (z. B. dringend benötigter Behandlungsplatz bei besonders schwerer Indikation) eine Bewilligung der Kostenübernahme erhalten haben. Sollte der Kostenträger die Bewilligung lediglich zu einem geringeren Tagessatz erteilt haben, erfolgt keine Zuzahlungsverpflichtung für den aufgenommenen Patienten.

Die aktuelle gesetzliche Grundlage

Mit Wirkung zum 01.01.2020 kam es national zu einer gesetzlichen Neufassung des § 4 Nr. 14 UStG. Nach § 4 Nr. 14 Buchst. b, Doppelbuchst. aa) USt sind ab diesem Zeitpunkt u. a. umsatzsteuerfrei die Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen von Einrichtungen, die ihre Leistungen in sozialer Hinsicht unter vergleichbaren Bedingungen wie die Krankenhäuser erbringen, die in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft stehen oder nach § 108 SGB V zugelassen sind. In sozialer Hinsicht vergleichbare Bedingungen liegen nach dem Wortlaut dieser „Neuregelung“ vor, wenn das Leistungsangebot des Krankenhauses den von Krankenhäusern in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft oder nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern erbrachten Leistungen entspricht und die Kosten voraussichtlich in mindestens 40 Prozent der jährlichen Belegungs- oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als für allgemeine Krankenhausleistungen nach dem Krankenhausentgeltgesetz oder der Bundespflegesatzverordnung berechnet wurde.

Trotz vieler (zum Teil berechtigter) Kritik gilt die Norm – bislang – als EU-konform. Hinsichtlich einer eingeführten Prozentgrenze hatte der EuGH in anderem Zusammenhang entschieden, dass eine derartige Begrenzung nicht gegen das EU-Recht verstößt. So hat er u. a. im Urteil vom 15.11.2012 (Rs. C-174/11, Abruf-Nr. 123627, Rz. 35 ff.) die seinerzeitige in § 4 Nr. 16 UStG formulierte 2/3-Grenze und im Urteilsfall Rs. C-106/05 (Abruf-Nr. 063295) die 40 Prozent-Grenze grundsätzlich akzeptiert.

Für den Bereich Psychiatrie und Psychosomatik gilt die jährlich angepasste Vereinbarung über die pauschalierenden Entgelte für die Psychiatrie und Psychosomatik 2025 (z. B. PEPPV 2025 vom 26.09.2024). Maßgebend sind hier nicht die Fallpauschalen, sondern weiter die Abrechnungen nach der Anzahl der Berechnungstage. Allerdings sind die Berechnungstage nicht statisch, sondern werden nach der Schwere des Falls „bewertet“; weshalb z. B. Krankenkassen häufig die Bewilligung nur zu einem geringeren Tagessatz gewähren.

Die Bewertung des Musterfalls

Zurück zum Musterfall: Das Angebot der Klinik bestimmt einen fixen Tagessatz und würde damit – trotz angenäherter Vergütungsstruktur – nicht vollständig den Abrechnungen öffentlich-rechtlicher bzw. zugelassener Krankenhäuser entsprechen. Allerdings wird der Patient seitens der Klinik nicht zu einer Zuzahlung verpflichtet. Das führt im Ergebnis dazu, dass die Klinik insbesondere für die Patientengruppe der Beihilfe- und der gesetzlich versicherten Patienten eine der Höhe nach äquivalente Vergütung erhält wie öffentlich-rechtliche oder zugelassene Krankenhäuser.

Problematisch bleibt, dass gleiche Behandlungen (z. B. von Selbstzahlern und gesetzlich Versicherten) trotzdem unterschiedlich bezahlt werden. Im Gegensatz dazu gilt in öffentlich-rechtlichen bzw. zugelassenen Krankenhäusern, dass jeder Patient in Deutschland, egal ob gesetzlich oder privat versichert oder Beihilfepatient, für erbrachte allgemeine Krankenhausleistungen eine gleich hohe Rechnung zu zahlen hat. Eine weitergehende Vergütung ist nur möglich, wenn auch zusätzliche Leistungen erbracht werden. Solche Mehrleistungen müssen zudem gesondert schriftlich vereinbart werden (sog. Wahlleistungsvereinbarungen).

Genau hier hilft u. E. aber die gesetzliche Neuregelung. Aus ihr kann der Schluss abgeleitet werden, dass differenzierte Entgelte einer Privatklinik, die z. B. nicht wie öffentlich-rechtliche bzw. zugelassene Krankenhäuser über ihre Ärzte Wahlleistungen anbietet, zulässig und unschädlich sind, soweit die genannte 40-Prozent-Grenze eingehalten wird. Der gesetzliche Wortlaut sieht genau vor, dass für allgemeine Krankenhausleistungen höhere Entgelte möglich bleiben sollen.

Fazit | Das Urteil des FG lässt, wie gezeigt, viele Fragen weiter offen. Gegen dieses Urteil wurde – soweit ersichtlich – keine Revision eingelegt. Allerdings ist die Revision gegen das oben genannte Urteil des FG München (Az. XI R 36/23) anhängig. Bereits von einem anderen Verfahren (BFH, Urteil vom 19.12.2024, Az. V R 10/22, Abruf-Nr. 247663) hatte man sich weitergehende Ausführungen des BFH zur Frage der Umsatzbesteuerung von Privatkliniken erhofft. In dem Urteil hatte er sich aber auf rein fallbezogene Feststellungen beschränkt. Es bleibt zu hoffen, dass die noch anhängige Revision zu mehr Rechtssicherheit in Bezug auf die Umsatzsteuerbefreiung von Privatkliniken führt.

Der Bundesverband der deutschen Privatkliniken e. V. (BDPK) fordert weitergehend eine gesetzliche Neuregelung von § 4 Nr. 14 b UStG, die die Umsatzsteuerpflicht bzw. Umsatzsteuerfreiheit ausschließlich von der erbrachten Leistung und ihrer medizinischen Notwendigkeit abhängig macht. Erbringen reine Privatkliniken gleiche Leistungen wie öffentlich-rechtliche oder zugelassene Krankenhäuser, ist auch ihnen die Umsatzsteuerfreiheit zu gewähren (siehe auch www.iww.de/s14247). Dem kann nur zugestimmt werden.

AUSGABE: SB 9/2025, S. 177 · ID: 50510227

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