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FamilienstiftungAusländische Familienstiftungen und § 15 AStG: Escape-Klausel auch bei Drittstaaten?

Top-BeitragAbo-Inhalt04.05.20234648 Min. LesedauerVon Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage

| Werden ausländische Familienstiftungen gegründet, fürchtet der Staat eine Flucht in solche Staaten, bei denen eine äußerst geringe Besteuerung erfolgt. Diesem soll durch die Zurechnungsbesteuerung nach § 15 AStG entgegengewirkt werden. Da Familienstiftungen mit Sitz oder Geschäftsleitung in der EU bzw. dem EWR eine in § 15 Abs. 6 AStG verankerte Escape-Klausel zusteht, stellt sich die Frage, ob diese auch bei Drittstaaten Anwendung finden kann. Dies bejahte zumindest jüngst das FG Hessen, jetzt ist der BFH an der Reihe. Anlass also, sich der Thematik zu widmen. |

Die Zurechnungsbesteuerung nach § 15 AStG

Eine Familienstiftung mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland unterliegt in Deutschland grundsätzlich nicht der Besteuerung. Das gilt sowohl für die im Ausland erzielten Einkünfte als auch für das vorhandene Vermögen. Lediglich für die im Inland erzielten Einkünfte i. S. v. § 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 49 ff. EStG ergibt sich in Deutschland eine beschränkte Steuerpflicht. Damit geht der Fiskus leer aus, wenn inländische Personen eine ausländische Stiftung gründen und diese nur im Ausland Einkünfte erzielt. Damit diese Besteuerungslücke geschlossen und die Gefahr der Verlagerung von Einkünften und Vermögen ins Ausland vermieden wird, wurde mit § 15 AStG eine Zurechnungsbesteuerung geschaffen. Diese hat das Ziel, die Steuer- und Kapitalflucht von Familienstiftungen unattraktiv zu machen.

Familienstiftungen nach dem AStG sind Stiftungen, bei denen der Stifter, seine Angehörigen (i. S. v. § 15 AO) und deren Abkömmlinge zu mehr als der Hälfte bezugsberechtigt oder anfallsberechtigt sind (§ 15 Abs. 2 AStG).

Steuerpflicht von Stiftern, Bezugsberechtigten und Anfallsberechtigten

Nach § 15 Abs. 1 AStG werden die Einkünfte einer ausländischen Familienstiftung ohne Sitz oder Geschäftsleitung im Inland anstelle der Stiftung dem Stifter zugerechnet, wenn dieser unbeschränkt steuerpflichtig sein sollte. Ist der Stifter nicht unbeschränkt steuerpflichtig, werden die Einkünfte den unbeschränkt steuerpflichtigen Personen, die bezugs- oder anfallsberechtigt sind, entsprechend ihrem Anteil zugerechnet (in der Regel also den Destinatären). Das gilt z. B. für die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer, nicht jedoch für die Erbschaftsteuer.

Die Zurechnung beim Stifter erfolgt also vorrangig vor einer Zurechnung bei den bezugs- oder anfallsberechtigten Personen. Das Besondere: Die Einkünfte werden unabhängig davon den deutschen Begünstigten zugerechnet, ob tatsächlich eine Ausschüttung stattfand. Damit wird eine Vollausschüttung der Einkünfte ohne tatsächlichen Zufluss fingiert, sodass auch im Ausland erzielte und dort thesaurierte Erträge der inländischen Besteuerung unterliegen.

Folgen der Zurechnungsbesteuerung

Greift die Zurechnungsbesteuerung nach § 15 Abs. 1 AStG, ist sie gegenüber der sonstigen Einkommensbesteuerung bei den Destinatären vorrangig. Im Falle des späteren tatsächlichen Zuflusses von Stiftungsleistungen bei den inländischen Begünstigten werden diese deshalb nicht noch einmal nach §§ 20, 22 EStG steuerlich erfasst (§ 15 Abs. 11 AStG), wenn sie bereits nachweislich nach Maßgabe von § 15 Abs. 1 AStG hinzugerechnet wurden. Sonst würde sich eine inländische (unzulässige) Doppelbesteuerung ergeben.

Beispiel

Eine Familienstiftung hat ihre Geschäftsleitung und ihren Sitz in der Schweiz. Dort ist auch der Stifter ansässig. Zu den bezugs- und anfallsberechtigten Personen gehört unter anderem A mit Wohnsitz in Deutschland. Die Stiftung erzielt 2022 ausländische Einkünfte von einer Mio. Euro. Rechnerisch entfallen auf A 10.000 Euro. Tatsächlich hat A 2022 von der Stiftung keine Leistungen erhalten. Erst 2023 fließen ihm von den anteilig auf ihn entfallenden 10.000 Euro 3.000 Euro zu.

Lösung: Grundsätzlich unterliegt die Familienstiftung in Deutschland nicht der Besteuerung. Durch § 15 Abs. 1 AStG wird jedoch fingiert, dass dem A im Jahr 2022 10.000 Euro zugeflossen sind. Diese 10.000 Euro unterliegen deshalb im Jahr 2022 bei A der Besteuerung. Um eine inländische Doppelbesteuerung zu vermeiden, unterliegen die tatsächlichen Leistungen des Jahres 2023 nicht der Besteuerung.

Die ausländischen Einkünfte sind gemäß § 15 Abs. 7 S. 1 AStG in entsprechender Anwendung des im Inland geltenden KStG bzw. EStG zu ermitteln. Eine Zurechnungsbesteuerung unterbleibt, wenn sich negative Einkünfte ergeben. Die zuzurechnenden Beträge stellen bei natürlichen Personen Einkünfte aus Kapitalvermögen dar (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG i. V. m. § 15 Abs. 8 AStG).

Vermeidung der ausländischen Doppelbesteuerung

Damit kann sich jedoch noch eine Doppelbesteuerung im In- und Ausland ergeben. Denn in den Fällen des § 15 Abs. 1 AStG unterliegen die Einkünfte regelmäßig einerseits auf Ebene der Stiftung im Ausland und andererseits über § 15 Abs. 1 AStG parallel im Inland auf Ebene des unbeschränkt steuerpflichtigen Stifters (oder falls nicht vorhanden: anteilig den unbeschränkt steuerpflichtigen bezugs- oder anfallsberechtigten Personen) der Besteuerung. Die drohende Doppelbesteuerung wird dadurch umgangen, dass im Inland die bereits im Ausland von der Stiftung geleisteten Steuern vom Einkommen auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer des Stifters bzw. der bezugs- oder anfallsberechtigten Person entsprechend § 34c Abs. 1 EStG bzw. § 26 Abs. 1 und 2 KStG angerechnet werden (vgl. § 15 Abs. 5 AStG).

Wichtig | Das Anrechnungsverfahren führt damit effektiv dazu, dass eine „Flucht“ in Billigsteuerländer keine Ersparnis bringt. Denn sollte in dem gewählten Land die Besteuerung der Einkünfte mit lediglich zehn Prozent erfolgen und würden im Inland 30 Prozent Steuerbelastung anfallen, werden die Einkünfte effektiv mit 30 Prozent Steuern belastet. Zehn Prozent im Ausland und 20 Prozent (30 Prozent ./. zehn Prozent Anrechnung) im Inland.

Escape-Klausel vermeidet Zurechnungsbesteuerung

Um der Kapitalverkehrsfreiheit Rechnung zu tragen wurde durch das JStG 2009 in § 15 Abs. 6 AStG eine sogenannte Escape-Klausel eingeführt. Die negativen Folgen der Zurechnungsbesteuerung nach § 15 Abs. 1 AStG treten danach nicht ein, wenn die ausländische Familienstiftung ihre Geschäftsleitung oder den Sitz in einem Mitgliedsstaat der EU oder einem Vertragsstaat des EWR (EU zzgl. Island, Liechtenstein und Norwegen) hat. Allerdings müssen hierzu noch zwei weitere Voraussetzungen erfüllt werden:

  • 1. Es muss nachgewiesen werden, dass das Stiftungsvermögen der Verfügungsmacht des in Deutschland ansässigen Stifters, seinen in Deutschland ansässigen Angehörigen und deren in Deutschland ansässigen Abkömmlingen rechtlich und tatsächlich entzogen ist.
  • 2. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat, in dem die Familienstiftung ihre Geschäftsleitung oder Sitz hat, müssen aufgrund der Amtshilferichtlinie gemäß § 2 Abs. 11 des EU-Amtshilfegesetzes oder einer vergleichbaren zwei- oder mehrseitigen Vereinbarung, Auskünfte erteilt werden, die erforderlich sind, um die Besteuerung durchzuführen (Hinweis: Diese Vereinbarung liegt bei den Ländern der EU/dem EWR vor).

Folge dieser Escape-Klausel: Anstelle der Zurechnungsbesteuerung unterliegen die Einkünfte erst dann im Inland der Besteuerung, wenn diese den inländischen Begünstigten zugeflossen sind.

Escape-Klausel auch für Drittstaaten?

Jüngst musste sich jedoch das FG Hessen der Frage stellen, ob die Escape-Klausel sinngemäß in Drittstatten-Fällen anwendbar ist. Dabei sah das FG § 15 Abs. 6 AStG auch für eine Familienstiftung mit Sitz und Geschäftsleitung in der Schweiz als anwendbar an (FG Hessen, Urteil vom 13.07.2022, Az. 8 K 1466/19, Abruf-Nr. 234623). Die Begründung: Die in Art. 63 AEUV verankerte Kapitalverkehrsfreiheit (auf wessen Basis § 15 Abs. 6 AStG eingeführt wurde) gilt auch im Verhältnis der EU/dem EWR zu Drittstaaten. Zudem lagen im Streitfall im Übrigen die Voraussetzungen des § 15 Abs. 6 AStG vor: Die in Deutschland ansässigen Begünstigten konnten zwar Zuwendungen erhalten – hierauf bestand jedoch kein Rechtsanspruch; denn der Stiftungsrat entschied über Ausschüttungen nach eigenem Ermessen. Zudem besteht mit der Schweiz eine sog. große Auskunftsklausel (Art. 27 DBA Deutschland/Schweiz), die eine Besteuerung der Leistungen an die inländischen Begünstigten sicherstellt.

Praxistipp | Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der BFH muss im Verfahren mit dem Az. I R 32/22 entscheiden, wie mit Familienstiftungen in Drittstaaten zu verfahren ist. Betroffene inländische Begünstigte einer ausländischen Familienstiftung sollten daher gegen belastende Steuerbescheide vorgehen, die aufgrund der Zurechnungsbesteuerung erteilt wurden. Es empfiehlt sich, mit Verweis auf das Revisionsverfahren Einspruch einzulegen. Das Einspruchsverfahren ruht dann gemäß § 363 Abs. 2 S. 2 AO so lange, bis der BFH entschieden hat.

AUSGABE: SB 6/2023, S. 113 · ID: 49324594

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