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Zweckbetrieb/UmsatzsteuerBFH: Der Verkauf von Waren als typische Handelstätigkeit ist nicht steuerbegünstigt

Top-BeitragAbo-Inhalt14.04.20234652 Min. LesedauerVon Rechts- und Fachanwältin für Steuer- und Sozialrecht Gabriele Ritter, Ritter&Partner mbB, Rechtsanwälte und Steuerberater, Wittlich

| Der reine Verkauf von Hilfsmitteln für blinde und sehbehinderte Menschen ist eine Handelstätigkeit, die nicht die Voraussetzungen eines steuerlich privilegierten Zweckbetriebs i. S. v. § 68 Nr. 4 AO erfüllt. Begünstigt ist der Handel nur, wenn besondere Umstände wie z. B. fürsorgeorientierte Hilfestellungen zu einer Abgrenzung zu nicht begünstigten Betrieben führen. Das hat der BFH entschieden. SB erläutert die Bedeutung für die Praxis. |

Konkurrent stört sich an ermäßigtem Umsatzsteuersatz

Geklagt hatte eine gewerbliche GbR im Wege einer Konkurrentenklage. Ihr Unternehmensgegenstand ist im Wesentlichen der Handel mit Waren und die Erbringung von Dienstleistungen für blinde und sehbehinderte Menschen. Sie vertreibt Produkte über das Internet und auf anderen Vertriebswegen (Messen etc.). Die Umsätze unterliegen dem allgemeinen Steuersatz.

Die Klage richtete sich gegen die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf Leistungen, die ein gemeinnütziger eingetragener Verein erbracht hatte. Der Verein, der als Selbsthilfeorganisation die Interessen von blinden und stark sehbehinderten Menschen vertritt, verkaufte – ebenso wie die Klägerin – Hilfsmittel für blinde und sehbehinderte Menschen über ein Ladengeschäft, auf Messen und übers Internet. Das Finanzamt und ihm folgend das Finanzgericht hatten die Verkaufsumsätze des Vereins gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG als Leistungen einer Körperschaft, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Rahmen eines Zweckbetriebs verfolgt, mit dem ermäßigten Steuersatz besteuert. Die Zuordnung zum Zweckbetrieb wurde damit begründet, dass der Verein satzungsgemäß auch unentgeltliche Unterstützungsleistungen anbot.

Dies sah der BFH anders und hob das erstinstanzliche Urteil auf (BFH, Urteil vom 17.11.2022, Az. V R 12/20, Abruf-Nr. 233537).

BFH: Anforderungen an begünstigten Zweckbetrieb verkannt

Nach Ansicht des BFH hat das FG die Anforderungen an einen begünstigten Zweckbetrieb verkannt und deshalb die Leistungen des Vereins zu Unrecht als umsatzsteuerbegünstigt beurteilt. Der bloße Verkauf von Blindenhilfsmitteln ist nicht begünstigt, wenn er lediglich mit einer allgemein im Fachhandel üblichen, produkt- und anwendungsbezogenen Beratung einhergehe. Ein begünstigtes Handeln könne dagegen vorliegen, wenn Hilfestellungen gegeben werden oder Verkaufstätigkeiten mit weiteren unentgeltlichen Leistungen zur Förderung der gemeinnützigen Tätigkeit im Zusammenhang stehen. Ob das der Fall ist, muss das FG nun im zweiten Rechtsgang klären.

Zweckbetrieb setzt wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb voraus

Zweckbetriebe, die zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes in der Umsatzsteuer führen können, sind gemäß § 64 Abs. 1 AO wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, die die Voraussetzungen der §§ 65 bis 68 AO erfüllen. Der Zweckbetrieb erfasst auf dieser Grundlage nur eine „selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden“. Fehlt es mangels einer Leistung gegen Entgelt oder mangels einer Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr an einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i. S. v. § 14 AO, stellt sich die Frage des Zweckbetriebs nicht. Unentgeltliche Tätigkeiten/Angebote, die nicht dem Zweckbetrieb zugeordnet sind, können keine Berücksichtigung finden, weshalb der BFH – anders als das FG – die durch den Verein ebenfalls angebotene unentgeltliche Vorstellung von Hilfsmitteln und deren Gebrauch sowie das unentgeltliche Kursangebot nicht als Teil der im Zweckbetrieb ausgeübten Tätigkeit ansah.

Fürsorgedurchführung zur Verwirklichung der satzungsmäßigen Zwecke

Zudem habe das FG die Anforderungen verkannt, die an die Fürsorgedurchführung nach § 68 Nr. 4 AO zu stellen sind. Demnach sind Zweckbetriebe Einrichtungen, die zur Durchführung der Blindenfürsorge und zur Durchführung der Fürsorge für Körperbehinderte unterhalten werden. Bei der Auslegung von § 68 Nr. 4 AO sei zu beachten, dass für die Annahme eines Zweckbetriebs die grundlegenden Erfordernisse des § 65 Nr. 1 AO auch im Rahmen einer „restriktiven Auslegung“ des § 68 AO „entsprechend“ zu berücksichtigen sind. Sprich: Die Fürsorgedurchführung muss dazu dienen, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen. Der bloße Verkauf im Ladengeschäft oder über das Internet im Sinne einer typischen Handelstätigkeit, die nur mit einer üblichen, produkt- und anwendungsbezogenen Beratung einhergeht, erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Da die Verkaufstätigkeiten in ihrer Gesamtrichtung nicht dem steuerbegünstigten Satzungszweck dienen, fehlt es auch an einem Zweckbetrieb nach § 65 AO.

Begünstigte Verkaufstätigkeiten in der Praxis

Verkaufstätigkeiten können im Einzelfall begünstigt sein, wenn durch satzungsmäßige (Zusatz)leistungen eine Abgrenzung zu Handelstätigkeiten gewerblicher Dritter vorliegt. Nach Ansicht des BFH kann dies für den hier vorliegenden Sachverhalt bei einer speziell durch die Fürsorge für Blinde und Sehbehinderte gebotenen Käuferberatung der Fall sein; z. B. wenn neu erblindeten Personen neben einer reinen Produktberatung weitere – fürsorgeorientierte – Hilfestellungen wie etwa Unterstützung bei zu stellenden Anträgen oder Hilfe bei der Akzeptanz der neuen Lebenssituation gegeben werden oder wenn Verkaufstätigkeiten mit einem unentgeltlichen Kursangebot zur Förderung der gemeinnützigen Tätigkeit im Zusammenhang stehen. Nach Auffassung des BFH ist es aber nicht möglich, in einen steuerbegünstigten Zweckbetrieb und einen steuerschädlichen Teil des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs aufzuteilen, wenn die Verkaufstätigkeiten untrennbar sind.

Fazit | Verkaufstätigkeiten können immer nur dann einem Zweckbetrieb zugeordnet werden, wenn im Rahmen dieses Geschäfts zusätzliche Dienste angeboten werden, die der Erfüllung der satzungsmäßigen Zwecke dienen, und sich dadurch von dem Angebot gewerblicher Dritter abgrenzen.

AUSGABE: SB 5/2023, S. 101 · ID: 49324598

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