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Büroorganisation BGH: Zugang einer E-Mail auf dem Mailserver des Empfängers – Folgen für den Mailverkehr

Top-BeitragAbo-Inhalt17.01.20231818 Min. LesedauerVon Dr. Matthias Uhl, Rechtsanwalt bei Peters, Schönberger & Partner, München

| Jüngst hat der BGH entschieden, dass im unternehmerischen Geschäftsverkehr eine zur üblichen Geschäftszeit versendete E-Mail im Rechtssinne beim Empfänger zugeht, sobald sie diesem abrufbereit vorliegt; auf eine tatsächliche Kenntnisnahme kommt es nicht an. Da mit dem Zugang von Erklärungen beim Empfänger in aller Regel konkrete Rechtsfolgen verknüpft sind – man denke beispielhaft an eine fristgerechte Kündigung eines Vertrags –, sollten sich auch Stiftungen mit der Entscheidung vertraut machen. |

Willenserklärung nur mit Zugang beim Empfänger wirksam

Eine Willenserklärung ist in der Regel einem anderen gegenüber abzugeben. Rechtlich wirksam wird sie in diesem Fall bei Abwesenheit des Empfängers erst, wenn sie diesem zugeht. Für einen solchen Zugang bedarf es weniger als die Kenntnisnahme. Es genügt nämlich, dass die Willenserklärung in den Bereich des Empfängers gelangt ist und dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen.

Beispiel

Ein Arbeitnehmer der Stiftung wirft seine Kündigung an einem Samstag in den Briefkasten der Stiftung ein.

Ergebnis: Die Kündigung geht erst am Morgen des folgenden Montag der Stiftung zu. Da ist sie in den Machtbereich der Stiftung gelangt und unter normalen Verhältnissen hat die Stiftung die Möglichkeit, vom Inhalt Kenntnis zu nehmen.

Der Zugang von E-Mails im Geschäftsverkehr

Bislang nicht abschließend geklärt ist die Frage, wie es sich mit dem Zugang von E-Mails und Anhängen verhält.

Zugang mit Bereitstellung auf Mailserver während üblicher Geschäftszeit

Der BGH hat klargestellt, dass eine E-Mail dem Empfänger jedenfalls dann zugegangen ist, wenn sie während der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit vorhanden ist. Denn damit ist die E-Mail so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass er sie unter gewöhnlichen Umständen zur Kenntnis nehmen kann. Dass die E-Mail tatsächlich abgerufen und zur Kenntnis genommen wird, ist für den Zugang nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 06.10.2022, Az. VII ZR 895/21, Abruf-Nr. 232130).

Im zugrunde liegenden Sachverhalt wurde ein Vergleich per E-Mail angeboten und ca. 40 Minuten später – ebenfalls per E-Mail – widerrufen. Der Vergleich wurde daraufhin durch Zahlung der Vergleichssumme angenommen. Laut BGH durfte der Empfänger den Widerruf des Angebots ignorieren, weil ihm die erste E-Mail zugegangen war und die zweite erst später zugegangen ist, was für einen rechtzeitigen Widerruf des Vergleichsangebots aus der ersten E-Mail aber nicht ausreichte.

Wichtig | Damit hat der BGH zumindest einen Teil der bislang strittigen Fragen beantwortet. Allerdings lässt der BGH offen, wann eine E-Mail außerhalb der üblichen Geschäftszeiten (z. B. an Sonn- und Feiertagen) zugeht. Eine E-Mail, die nach Geschäftsschluss tatsächlich abrufbereit eingeht, dürfte dem Empfänger folglich erst mit dem nächsten Geschäftsbeginn zugehen und erst dann Rechtswirkung entfalten. Denn da ist unter gewöhnlichen Umständen mit einer Kenntnis zu rechnen.

Was gilt für den Zugang von Dateianhängen zu einer E-Mail?

Äußerst praxisrelevant ist überdies die Frage, wann die „lediglich“ im Anhang einer E-Mail verkörperte Willenserklärung dem Empfänger zugeht. Hierzu gibt es eine Entscheidung jüngeren Datums im Kontext des Abmahnwesens vom OLG Hamm: Ein Schreiben, das lediglich als Dateianhang zu einer E-Mail versandt wird, ist in der Regel nur und erst dann zugegangen, wenn der E-Mail-Empfänger den Dateianhang tatsächlich geöffnet hat. Begründet hat dies das OLG mit dem allgemeinen Virenrisiko, aufgrund dessen es dem E-Mailempfänger nicht zugemutet werden könne, Anhänge von E-Mails jedenfalls unbekannter Absender zu öffnen (OLG Hamm, Beschluss vom 09.03.2022, Az. 4 W 119/20, Abruf-Nr. 229253).

Die Konsequenzen für die Praxis

Die vorstehenden Entscheidungen zeigen: Die Wirksamkeit von Willenserklärungen via E-Mail und/oder Dateianhängen ist keinesfalls ein „Selbstläufer“. Auch in diesen Fällen muss dafür gesorgt werden, dass die Erklärung dem Empfänger rechtswirksam zugeht.

Praxistipps |

  • Aus der BGH-Entscheidung sollten Stiftungen den Schluss ziehen, inwiefern mit Blick auf den Umfang Ihres „unternehmerischen Geschäftsverkehrs“ regelmäßig von welcher Person bzw. welchen Personen in der Stiftung der Eingang von E-Mails zu prüfen ist. Dabei kann sich dann zeigen, ob jemand in der Stiftung als sog. Empfangsvertreter fungiert oder künftig fungieren soll und folglich organisatorische Abläufe in der Stiftung angepasst werden sollten.
  • Es sollten auch die Rahmenbedingungen beim Zugriff auf E-Mail-Postfächer abwesender Kollegen, z. B. in Vertretungssituationen, geklärt werden, da dieser in der Regel nicht zuletzt von arbeitsrechtlichen und datenschutzrechtlichen Aspekten abhängt.
  • Ob sich die Rechtsauffassung des OLG Hamm zum Zugang von Dateianhängen zu einer E-Mail im Kontext des Abmahnwesens allgemein durchsetzen wird, muss sich erst zeigen. Vor dem Hintergrund sollte eine Willenserklärung im Zweifel dem E-Mailtext selbst zu entnehmen sein und nicht nur dem Dateianhang zu einer E-Mail. So können sich im Einzelfall Beweisprobleme entschärfen, denn der Absender muss es beweisen, dass der Empfänger des Mailanhangs tatsächlich Kenntnis vom Inhalt des Anhangs hatte.

AUSGABE: SB 5/2023, S. 103 · ID: 48967857

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