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SBStiftungsBrief

VertretungAuch für Stiftungen relevant: Im Rechtsstreit stets das zuständige Vertretungsorgan benennen

Abo-Inhalt15.11.202210183 Min. LesedauerVon Rechtsanwalt Dr. Matthias Uhl, Peters, Schönberger & Partner, München

| Im Rechtsstreit ist stets das zuständige Vertretungsorgan zu benennen. Das zeigt ein aktuelles Urteil des OLG Thüringen zu einer GmbH. Dieses Urteil kann auch für Stiftungen relevant sein, die ein Zweitorgan haben. SB stellt Ihnen das Urteil und dessen Bedeutung für die Praxis vor. |

Klage eines GmbH-Geschäftsführers gegen seine Kündigung

Ein ehemaliger GmbH-Geschäftsführer eines sozialwirtschaftlichen Tochterunternehmens eines Thüringer Verbands der freien Wohlfahrtspflege wollte feststellen lassen, dass sein Angestelltenverhältnis zur GmbH nicht durch eine fristlose Kündigung beendet worden sei. Er forderte zudem noch ausstehende Gehälter ein, die ihm seit der Kündigung nicht mehr ausbezahlt wurden.

Aktueller Geschäftsführer als gesetzlicher Vertreter der GmbH bezeichnet

Seine Klage richtete sich gegen die GmbH, wobei deren aktuelle Geschäftsführer als deren gesetzliche Vertreter bezeichnet wurden. Die Klage wurde daher an diese zugestellt. Die GmbH verfügte über einen fakultativen Aufsichtsrat, der sich zu dem angestrengten Prozess passiv verhielt. Lt. Gesellschaftsvertrag war der Aufsichtsrat ausdrücklich für die Vertretung der Gesellschaft in Prozessangelegenheiten gegen Geschäftsführer zuständig.

GmbH hält allein Aufsichtsrat für prozessführungsbefugt

Die GmbH hielt die Klage für unzulässig, da sie nicht gegen den ausschließlich prozessführungsbefugten Aufsichtsrat der GmbH gerichtet wurde. Die GmbH sei daher im Prozess nicht ordnungsgemäß vertreten.

Klage unzulässig – nur Aufsichtsrat prozessführungsbefugt

Wie bereits das LG Erfurt hat auch das OLG Thüringen in der Berufung die Klage als unzulässig eingestuft, weil die Geschäftsführer der GmbH nicht prozessführungsbefugt waren. Für die GmbH war satzungsmäßig ein fakultativer Aufsichtsrat nach aktienrechtlichem Vorbild bestellt. Somit galt auch § 112 AktG. Danach vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich. Der Aufsichtsrat hat sich jedoch am Prozess nicht beteiligt, was zur Unzulässigkeit der Klage führt.

Die fehlende Zulässigkeit der Klage wegen des Vertretungsmangels ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des ehemaligen GmbH-Geschäftsführers kommt eine Heilung des Vertretungsmangels durch eine bloße Rubrumsberichtigung nicht in Betracht. Dies wäre nur möglich, wenn er den gesetzlichen Vertreter der GmbH irrtümlich falsch bezeichnet hätte (OLG Thüringen, Urteil vom 16.05.2022, Az. 3 U 1153/21, Abruf-Nr. 229309).

Bedeutung für die Praxis

Die Gesellschaftsverträge von (g)GmbH sowie die Satzungen von Stiftungen bestimmen neben dem Geschäftsführer bzw. Stiftungsvorstand häufig Zweitorgane wie z. B. einen Aufsichtsrat als Vertretungsorgan. Für sie ist das Thüringer Urteil daher wichtig.

§ 112 AktG dient oft als Vorbild für GmbH und Stiftungen

Zum Hintergrund: Nach § 112 AktG vertritt der Aufsichtsrat die Aktiengesellschaft gegenüber Mitgliedern des Vorstands gerichtlich und außergerichtlich. Dies soll sicherstellen, dass die Interessen der Aktiengesellschaft gegenüber – auch ehemaligen – Vorstandsmitgliedern möglichst unbefangen wahrgenommen werden. Es geht darum, eine abstrakte Interessensgefährdung zu vermeiden. Der zugrunde liegende Gedanke ist, dass sich die Vertretung gegenüber einem Vorstandsmitglied mittelbar auch auf ein anderes Vorstandsmitglied auswirken (z. B. im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs bei Schadenersatzprozessen) und aus der vertrauensvollen Zusammenarbeit im Vorstand ein persönliches Näheverhältnis erwachsen kann.

Die vorstehenden Überlegungen sind nicht nur für die rechtliche Verfassung der Aktiengesellschaft sinnvoll. Auch GmbH und Stiftungen halten sie für sinnvoll. Aus dem Grund sehen Gesellschaftsverträge von GmbH und Satzungen von Stiftungen häufig eine entsprechende Regelung ausdrücklich vor.

Praxistipp | Bei mehreren Organen einer Rechtsperson lohnt also stets ein Blick in das Grundlagendokument. Hier lässt sich ersehen, wer die GmbH oder Stiftung gerichtlich und außergerichtlich vertritt.

Vertretungsmangel und die Möglichkeit der Heilung

In der Praxis wird immer wieder – wie auch im Thüringer Fall – der Versuch unternommen, den prozessualen Mangel durch eine bloße Rubrumsberichtigung zu heilen. Dies ist aber der prozessual falsche Weg. Der Vertretungsmangel kann nicht durch bloße Rubrumsberichtigung geheilt werden. Eine solche käme allenfalls bei einer bloßen Falschbezeichnung (versehentlich passierter „Schreibfehler“) oder bei einem tatsächlichen Wechsel des gesetzlichen Vertreters während des laufenden prozessualen Verfahrens in Betracht; nicht aber bei einem substanziellen inhaltlichen prozessualen Fehler.

Eine Heilung des prozessualen Mangels kommt nach ständiger Rechtsprechung allenfalls in Betracht, wenn

  • 1. das zuständige Organ die bisherige Prozessführung des nicht vertretungsberechtigten Vertreters durch ausdrückliche Beschlussfassung genehmigt und
  • 2. durch Erteilung der Genehmigung als organschaftlicher (gesetzlicher) Vertreter in den Prozess eintritt (vgl. zur aktienrechtlichen Rechtsprechung etwa BGH, Urteil vom 19.07.2010, Az. II ZR 56/09, Abruf-Nr. 102641, NJW 2010, 2886).

AUSGABE: SB 1/2023, S. 3 · ID: 48739619

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