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TerminsgebührDiese Voraussetzungen hat eine fiktive Terminsgebühr im Normenkontrollverfahren

Abo-Inhalt22.08.2025243 Min. LesedauerVon RA Norbert Schneider, Neunkirchen

| Bei der Honorarabrechnung ergibt sich vielfach die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Terminsgebühr im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens zu erstatten ist, wenn das Gericht – im Einverständnis mit den Beteiligten – ohne mündliche Verhandlung entscheidet. |

1. Normenkontrollverfahren ohne mündliche Verhandlung

Dies ist praktisch bedeutsam, weil die Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG typischerweise an eine mündliche Verhandlung geknüpft ist. Das Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO ermöglicht dagegen dem Gericht in gewissen Konstellationen gerade die Entscheidung ohne Verhandlung. Gleichzeitig bleibt umstritten, ob eine sogenannte „fiktive“ Terminsgebühr auch beansprucht werden kann, wenn auf die mündliche Verhandlung verzichtet wird, obwohl diese im Regelfall vorgeschrieben ist. Diese Fragestellung gewinnt im Lichte von Art. 6 EMRK zusätzlich an Brisanz. Denn es kann für Eigentümer, die mit ihrem Normenkontrollantrag unmittelbar betroffen sind, ein Anspruch auf eine öffentliche mündliche Verhandlung bestehen.

2. Die Entscheidung des VGH München

Dazu hat der VGH München entschieden, dass im Normenkontrollverfahren vor dem OVG/VGH eine fiktive Terminsgebühr entsteht, wenn das Gericht im Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entscheidet.

Im Streitfall hatte die Antragstellerin vor dem VGH ein Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan der Antragsgegnerin eingeleitet. Der Senat hat, nachdem sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hatten, durch Beschluss den Bebauungsplan für unwirksam erklärt. Sodann hat er der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens auferlegt. Die Antragstellerin hat daraufhin eine 1,3-Verfahrensgebühr sowie eine 1,2-Terminsgebühr zur Erstattung angemeldet. Die Urkundsbeamtin hat die Terminsgebühr mit der Begründung abgesetzt, eine fiktive Terminsgebühr könne nicht angesetzt werden. Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG sei im Normenkontrollverfahren nicht anwendbar. Der VGH München hat der Erinnerung abgeholfen und die beantragte Terminsgebühr festgesetzt (28.1.25, 2 M 25.21, Abruf-Nr. 249397).

Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung

Nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG entsteht eine Terminsgebühr, wenn in einem Verfahren, für das eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden wird.

a) Ist mündliche Verhandlung vorgeschrieben oder steht sie im Ermessen?

Eine solche Konstellation ist hier gegeben. Zwar findet Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG nur auf solche Verfahren Anwendung, in denen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (vgl. etwa BGH NJW 07, 1461, 1463). Dies ist nicht der Fall, wenn das Gericht nach seinem Ermessen aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil oder ohne eine solche durch Beschluss entscheiden kann. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Auch wenn ein OVG bzw. VGH nach § 47 Abs. 5 S. 1 VwGO durch Beschluss, also ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, wenn es eine solche nicht für erforderlich hält, stand es vorliegend nicht im prozessualen Ermessen des Gerichts, ob es eine mündliche Verhandlung anberaume und dann durch Urteil entscheide oder ob es seine Entscheidung durch Beschluss ohne vorausgehende mündliche Verhandlung treffe. Denn das Normenkontrollgericht ist bei Ausübung seines Verfahrensermessens nach § 47 Abs. 5 S. 1 VwGO verpflichtet, Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK mit dem Inhalt, den die Vorschrift in der Entscheidungspraxis des EGMR gefunden hat, vorrangig zu beachten.

b) Einverständnis der Beteiligten erforderlich

Aus dem Zusammenwirken von § 47 Abs. 5 S. 1 VwGO und Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK folgt der Grundsatz, dass über einen Normenkontrollantrag, mit dem sich der Eigentümer eines Grundstücks gegen eine Festsetzung in einem Bebauungsplan wendet, die unmittelbar sein Grundstück betrifft, aufgrund einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu entscheiden ist (BVerwG NJW 00, 2600). Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Es lag folglich nicht im prozessualen Ermessen des VGH, ob er eine mündliche Verhandlung anberaumt und durch Urteil entscheidet oder ob er seine Entscheidung durch Beschluss ohne vorausgehende mündliche Verhandlung trifft. Der VGH war vielmehr auf das Einverständnis der Beteiligten angewiesen, um ohne mündliche Verhandlung entscheiden zu können. Die Möglichkeit der Entscheidung im schriftlichen Verfahren eröffnete sich erst durch das Einverständnis der Verfahrensbeteiligten (VGH München 2.8.02, 14 N 96.3843; OVG Saarlouis NVwZ-RR 18, 78, wobei dort Art. 6 EMRK nicht einschlägig war und daher nicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung verpflichtete).

3. Die richtige Abrechnung

Der Entscheidung ist in der Sache zuzustimmen. Es verwundert allerdings, dass der Anwalt der Antragstellerin hier nur eine 1,3-Verfahrensgebühr angemeldet hat. Im Normenkontrollverfahren vor dem OVG/VGH entsteht nämlich eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3300 VV RVG (VGH München AGS 18, 343). Nur die Terminsgebühr bestimmt sich nach Teil 3 Abschnitt 1 VV RVG (Vorbem. 3.3.1 VV RVG). Zutreffend war hier (noch nach der alten Gebührentabelle von 2013 wie folgt abzurechnen):

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3300 VV

1.121,90 EUR

1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV

1.035,60 EUR

Pauschale für Post u. Telekommunikation, Nr. 7002 VV

20,00 EUR

19 % USt.

413,73 EUR

2.591,26 EUR

AUSGABE: RVGprof 9/2025, S. 165 · ID: 50500177

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