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EntpflichtungZerstörtes Vertrauensverhältnis führt zum Widerruf der Pflichtverteidigerbestellung

Abo-Inhalt15.08.20223731 Min. LesedauerVon RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D., Leer/Augsburg

| Auch der Pflichtverteidiger kann mit dem Mandanten eine Vergütungsvereinbarung treffen. Er darf den Mandanten nach Ansicht des LG Köln aber nicht zum Abschluss drängen oder sonst gegen den Wunsch des Mandanten Zahlungen entgegennehmen. |

Sachverhalt und Entscheidungsgründe

Das LG Köln hat in einem Verfahren u. a. wegen versuchten Totschlags den als Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalt R entpflichtet und einen anderen Rechtsanwalt bestellt (16.11.21, 111 Ks 6/21, Abruf-Nr. 230162). Es ist davon ausgegangen, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigtem i. S. v. § 143a Abs. 2 Nr. 3 StPO endgültig zerstört war.

Der Angeklagte hatte mit dem Rechtsanwalt R nach dessen Bestellung zu seinem Pflichtverteidiger über den Abschluss einer Honorarvereinbarung gesprochen. Er hatte diesem mitgeteilt, dass er diesbezüglich nicht in Kontakt mit seiner Familie, insbesondere mit seiner Schwester A, treten möge. Dennoch hatte R die Zahlung eines Honorars mit A vereinbart, ohne diese zuvor zu belehren, dass er aufgrund seiner Bestellung zum Pflichtverteidiger durch die Staatskasse vergütet werde und zur Verteidigung verpflichtet ist. Damit hatte R der ausdrücklichen Weisung seines Mandanten zuwidergehandelt, sich wegen der Honorarforderungen nicht an seine Familie zu wenden.

Relevanz für die Praxis

Es ist allgemein anerkannt, dass auch der Pflichtverteidiger mit seinem Mandanten eine Vergütungsvereinbarung treffen kann (BGH RVG prof. 19, 59; Burhoff in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., Teil A Rn. 2436 ff.). An diesem Prinzip, das sich auf die Rechtsprechung u. a. des KG (RVGreport 12, 318 = StRR 12, 261) stützt, rüttelt der Beschluss des LG nicht.

Das Vertrauensverhältnis kann in diesem Zusammenhang erschüttert sein, wenn der bestellte Verteidiger auf den Abschluss dieser zusätzlichen Honorarvereinbarung regelrecht drängt. Dabei ist indes zu beachten, dass der bestellte Verteidiger grundsätzlich eine Honorarvereinbarung abschließen (BGH RVG prof. 19, 59) und eine solche zur Sprache bringen darf. Die Grenze des Zulässigen wird in der Regel überschritten, wenn das Ansinnen des Verteidigers Erpressungscharakter hat (KG, a. a. O.).

Dazu gibt es jetzt noch den mehr als deutlichen Hinweis des LG Köln, was dem Pflichtverteidiger über das Bedrängen des Mandanten hinaus nicht erlaubt ist. Und das ist, Zahlungen von Familienangehörigen gegen den ausdrücklichen Wunsch/Willen des Mandanten anzunehmen. Hier gilt also, wie so häufig: weniger ist mehr.

AUSGABE: RVGprof 9/2022, S. 149 · ID: 48079793

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