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KostenfestsetzungFür den Prozessbevollmächtigten und den Terminsvertreter gibt es jeweils eine Terminsgebühr

Top-BeitragAbo-Inhalt27.05.20224189 Min. LesedauerVon RA Norbert Schneider, Neunkirchen

| Dass sowohl beim Prozessbevollmächtigten (Hauptbevollmächtigten) als auch beim Terminsvertreter je eine Einigungsgebühr anfallen kann und dass diese doppelte Einigungsgebühr erstattungsfähig ist, hat der BGH bereits im Jahr 2014 entschieden (RVG prof. 14, 94). Was vielfach jedoch noch unbekannt ist, dass diese Grundsätze auch für die Terminsgebühr gelten. Die Terminsgebühr kann ebenfalls doppelt, also beim Prozessbevollmächtigten und beim Terminsvertreter, anfallen und erstattet werden. Es gelten die folgenden Einzelheiten. |

1. Diese Vergütung erhält der Terminsvertreter

Beauftragt die Partei für die Wahrnehmung eines auswärtigen Termins einen Anwalt als Terminsvertreter, der anstelle des Prozessbevollmächtigten den Termin zur mündlichen Verhandlung wahrnimmt, richtet sich dessen Vergütung nach den Nrn. 3401 ff. VV RVG.

a) Verfahrensgebühr

Der Terminsvertreter erhält zunächst eine Verfahrensgebühr in Höhe des hälftigen Gebührensatzes, der dem Prozessbevollmächtigten zusteht (Nr. 3401 VV RVG):

  • In der ersten Instanz: Bei einem Auftraggeber entsteht eine Gebühr in Höhe von 0,65.
  • Beachten Sie | Bei mehreren Auftraggebern wegen desselben Gegenstands erhöht sich dieser Gebührensatz um 0,3 je weiterem Auftraggeber.
  • In einer Berufung: Der Terminsvertreter erhält eine 0,8-Verfahrensgebühr, die sich bei gemeinschaftlicher Beteiligung um 0,3 je weiterem Auftraggeber erhöht.
  • Bei vorzeitiger Erledigung: Erledigt sich die Sache, bevor der Terminsvertreter an einem Termin teilnimmt, ermäßigt sich die Verfahrensgebühr auf höchstens 0,5 (Nr. 3405 Nr. 2 VV RVG). Bei mehreren Auftraggebern erhöht sich die Gebühr um 0,3 je weiterem Auftraggeber.

b) Terminsgebühr

Für die Wahrnehmung des Termins erhält der Terminsvertreter die gleiche Terminsgebühr, wie sie dem Prozessbevollmächtigten zustünde (Nr. 3402 VV RVG). Nach den Nrn. 3104, 3202 VV RVG ist das grundsätzlich eine Terminsgebühr in Höhe von 1,2 und nach den Nrn. 3105, 3203 VV RVG lediglich eine Terminsgebühr in Höhe von 0,5.

Beachten Sie | Der Terminsvertreter kann dagegen keine (fiktive) Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG bzw. Anm. Abs. 1 zu Nr. 3202 VV RVG verdienen, da Nr. 3402 VV RVG nicht auf diese Gebührentatbestände Bezug nimmt.

c) Einigungsgebühr

Wirkt der Terminsvertreter an einer Einigung mit, erhält er eine 1,0-Einigungsgebühr nach den Nrn. 1000, 1003 VV RVG bzw. im Berufungsverfahren eine 1,3-Einigungsgebühr nach den Nrn. 1000, 1004 VV RVG.

2. Diese Vergütung erhält der Prozessbevollmächtigte

Der Prozessbevollmächtigte, der für die Wahrnehmung eines auswärtigen Termins einen Terminsvertreter beauftragt, erhält die folgenden Gebühren:

a) Verfahrensgebühr

Der Prozessbevollmächtigte erhält eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG in Höhe von 1,3 bzw. in der Berufung nach Nr. 3200 VV RVG in Höhe von 1,6. Für das Übertragen der mündlichen Verhandlung erhält er keine Vergütung. Es bleibt für ihn lediglich bei der 1,3- bzw. 1,6-Verfahrensgebühr.

b) Einigungsgebühr

Wirkt der Prozessbevollmächtigte ebenfalls an einer Einigung mit, erhält er erstinstanzlich eine 1,0-Einigungsgebühr nach den Nrn. 1000, 1003 VV RVG bzw. in der Berufung eine 1,3-Einigungsgebühr nach den Nrn. 1000, 1004 VV RVG.

Merke | Solche Fälle treten in der Praxis regelmäßig auf, wenn

  • der Terminsvertreter einen Vergleich unter Widerrufsvorbehalt schließt und der Prozessbevollmächtigte anschließend dem Mandanten rät, den Vergleich nicht zu widerrufen (BGH, a. a. O.),
  • der Prozessbevollmächtigte vom Terminsvertreter in einer Sitzungsunterbrechung angerufen wird und mit ihm zusammen über den Abschluss der Einigung entscheidet,
  • der Prozessbevollmächtigte eine Einigung vorbereitet, die der Terminsvertreter im Termin – ggf. in modifizierter Fassung – abschließt.

c) Terminsgebühr

Dass auch der Prozessbevollmächtigte eine Terminsgebühr verdienen kann, ist grundsätzlich unstrittig, jedenfalls soweit es Termine nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG betrifft.

Merke | Solche Fälle treten in der Praxis insbesondere im Fall einer Verweisung oder einer auswärtigen Beweisaufnahme auf.

Beispiel 1: Verweisung

Der Beklagte B wohnt in Hannover und wird vor dem AG Frankfurt auf Zahlung von 4.000 EUR verklagt. Er beauftragt in Hannover den Rechtsanwalt P als Prozessbevollmächtigten und für den Termin in Frankfurt den dort niedergelassenen Rechtsanwalt T als Terminsvertreter, der den Termin wahrnimmt. Nach dem Termin wird die Sache an das örtlich zuständige AG Hannover verwiesen, vor dem erneut verhandelt wird. An diesem Termin nimmt P teil.

Beispiel 2: Auswärtige Beweisaufnahme

Der Beklagte B wird vor dem AG München auf Zahlung von 4.000 EUR verklagt. Er beauftragt in München den Rechtsanwalt P als Prozessbevollmächtigten. Nach der mündlichen Verhandlung kommt es zu einem auswärtigen Beweistermin zur Zeugenvernehmung vor dem ersuchten Richter beim AG Hannover. Hierzu wird der Hannoveraner Anwalt T als Terminsvertreter (Beweisanwalt) beauftragt. Später wird in München erneut verhandelt und entschieden.

Lösung zu Beispiel 1 und 2: Abzurechnen ist in beiden Fällen wie folgt

In beiden Fällen haben sowohl P als auch T an einem gerichtlichen Termin i. S. d. Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV RVG teilgenommen, sodass bei beiden Anwälten die Terminsgebühr entstanden ist. Beide Terminsgebühren sind auch grundsätzlich erstattungsfähig.

1. Prozessbevollmächtigter P

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 4.000 EUR)

361,40 EUR

1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 4.000 EUR)

333,60 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

135,85 EUR

850,85 EUR

2. Terminsvertreter T

0,65-Verfahrensgebühr, Nrn. 3401, 3100 VV RVG (Wert: 4.000 EUR)

180,70 EUR

1,2-Terminsgebühr, Nrn. 3402, 3104 VV RVG (Wert: 4.000 EUR)

333,60 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

101,52 EUR

635,82 EUR

d) Problem der „fiktiven Terminsgebühr“

Problematisch sind die Fälle, in denen nur der Terminsvertreter einen gerichtlichen Termin wahrnimmt und der Prozessbevollmächtigte stattdessen die Voraussetzungen der sog. fiktiven Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG erfüllt.

Beispiel 3: Schriftlicher Vergleich

Der in Köln ansässige Beklagte B wird vor dem LG Berlin auf Zahlung eines Betrags von 8.000 EUR verklagt. Er beauftragt den in Köln ansässigen Rechtsanwalt P als Prozessbevollmächtigten und den Berliner Rechtsanwalt T als Terminsvertreter, der an dem Termin vor dem LG Berlin teilnimmt. Nach dem Termin erlässt das Gericht einen Hinweisbeschluss und unterbreitet einen Vergleichsvorschlag, dem P zustimmt. Das Zustandekommen des Vergleichs wird nach § 278 Abs. 6 ZPO gerichtlich festgestellt.

Zum Teil wird die Auffassung vertreten, beim Prozessbevollmächtigten könne keine fiktive Terminsgebühr anfallen. Denn diese setze begrifflich voraus, dass kein Termin i. S. d. Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV RVG stattgefunden hab (so LG Mönchengladbach AGS 09, 266). Für diese Ansicht gibt es im Gesetz jedoch keine Grundlage. Vielmehr entstehen in diesem Fall die Terminsgebühren gesondert (OLG Celle RVG prof. 18, 204).

Lösung zu Beispiel 3: Abzurechnen ist wie folgt

1. Prozessbevollmächtigter P

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 8.000 EUR)

652,60 EUR

1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 8.000 EUR)

602,40 EUR

1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV RVG (Wert: 8.000 EUR)

502,00 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

337,63 EUR

2.114,63 EUR

2. Terminsvertreter T

0,65-Verfahrensgebühr, Nrn. 3401, 3100 VV RVG (Wert: 8.000 EUR)

326,30 EUR

1,2-Terminsgebühr, Nrn. 3402, 3104 VV RVG (Wert: 8.000 EUR)

602,40 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

180,25 EUR

1.128,95 EUR

e) Weitere Entstehungsmöglichkeiten der doppelten Terminsgebühr

Die „doppelte“ Terminsgebühr ist nicht auf den Fall des Abschlusses eines schriftlichen Vergleichs durch den Prozessbevollmächtigten beschränkt. Die „doppelte“ Terminsgebühr kann auch in allen anderen Fällen der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG anfallen.

Beispiel 4: Anerkenntnis

Wie Beispiel 3. Nach dem Termin erklärt P, dass B die Klageforderung anerkennt. Es ergeht ein Anerkenntnisurteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 307 ZPO.

Beispiel 5: Schriftliches Verfahren

Wie Beispiel 3. Nach dem Termin erteilt das Gericht weitere Hinweise. Es beraumt im Einverständnis der Parteien das schriftliche Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO an und erlässt ein Urteil.

Lösung zu Beispiel 4 und 5: Abzurechnen ist in beiden Fällen wie folgt

In beiden Fällen entsteht ebenfalls die Terminsgebühr doppelt, und zwar einmal für den Terminsvertreter nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV RVG und einmal für den Prozessbevollmächtigten nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG. Abzurechnen ist wie im Beispiel 3, allerdings mit der Maßgabe, dass jetzt keine Einigungsgebühr anfällt.

1. Prozessbevollmächtigter P

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 8.000 EUR)

652,60 EUR

1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 8.000 EUR)

602,40 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

242,25 EUR

1.517,25 EUR

2. Terminsvertreter T

0,65-Verfahrensgebühr, Nr. 3401, 3100 VV RVG (Wert: 8.000 EUR)

326,30 EUR

1,2-Terminsgebühr, Nr. 3402, 3104 VV RVG (Wert: 8.000 EUR)

602,40 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

180,25 EUR

1.128,95 EUR

f) Schriftliches Vorverfahren und Versäumnisurteil

Eine fiktive Terminsgebühr kann auch zusätzlich entstehen, wenn zuvor im schriftlichen Vorverfahren ein Versäumnisurteil ergangen ist.

Beispiel 6: Schriftliches Vorverfahren und Versäumnisurteil

Der in Köln ansässige Kläger K beauftragt den in Köln niedergelassenen Rechtsanwalt P als Prozessbevollmächtigten, der für ihn vor dem LG München I Klage auf Zahlung eines Betrags von 8.000 EUR erhebt. Da der Beklagte B seine Verteidigungsbereitschaft nicht anzeigt, ergeht antragsgemäß ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren. Dagegen legt B Einspruch ein. Für den anschließenden Termin vor dem LG München I beauftragt K den in München niedergelassenen Rechtsanwalt T als Terminsvertreter, der an dem Termin teilnimmt.

Lösung:

Hier entsteht die Terminsgebühr doppelt, und zwar für T die volle 1,2-Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV und für den P die fiktive Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 i. V. m. Anm. Abs. 3 zu Nr. 3105 VV in Höhe von 0,5.

1. Prozessbevollmächtigter P

1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 8.000 EUR)

652,60 EUR

0,5-Terminsgebühr, Nrn. 3104, 3105 VV RVG (Wert: 8.000 EUR)

251,00 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

175,48 EUR

1.099,08 EUR

2. Terminsvertreter T

0,65-Verfahrensgebühr, Nrn. 3401, 3100 VV RVG (Wert: 8.000 EUR)

326,30 EUR

1,2-Terminsgebühr, Nrn. 3402, 3104 VV RVG (Wert: 8.000 EUR)

602,40 EUR

Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

180,25 EUR

1.128,95 EUR

3. Diese Kosten werden erstattet

Die „doppelte“ Terminsgebühr ist erstattungsfähig. Grundsätzlich sind zwar die Kosten eines Terminsvertreters nur in der Höhe zu erstatten, als sie die ersparten Reisekosten des Prozessbevollmächtigten nicht wesentlich (10 Prozent) übersteigen (BGH RVG prof. 15, 148; 14, 94). Diese Vergleichsbetrachtung gilt jedoch nicht für unvorhersehbare Kosten. Dies hat der BGH (a. a. O.) bereits bei der „doppelten“ Einigungsgebühr entschieden. Gleiches muss auch für die „doppelte“ Terminsgebühr gelten, da mit ihr nicht im Voraus (ex ante) zu rechnen ist.

Weiterführende Hinweise
  • Für Reisekosten ist der Terminsvertreter maßgeblich, RVG prof. 22, 19
  • Auslagen: Das gilt für Terminsvertreter am dritten Ort, RVG prof. 21, 113
  • § 60 RVG und Terminsvertreter-Fälle, RVG prof. 21, 53
  • Leserforum: Wird die Terminsvertretung immer nach Nrn. 3401 ff. VV vergütet?, RVG prof. 20, 210
  • Erstattungsfähigkeit der Kosten eines vom Anwalt beauftragten Terminsvertreters, RVG prof. 20, 202
  • Gebühren des Terminsvertreters und des Hauptbevollmächtigten bestehen nebeneinander, RVG prof. 14, 94

AUSGABE: RVGprof 6/2022, S. 103 · ID: 48110450

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