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FachkräftemangelMöglichkeiten der Weiterbeschäftigung im Rentenalter für verdiente Mitarbeitende

Abo-Inhalt03.09.20241874 Min. LesedauerVon StB Dipl.-Ök. Dr. rer. pol. Christian Sielaff, Essen, und Syndikus-RA Julian Stinauer, Kölnvon StB Dipl.-Ök. Dr. rer. pol. Christian Sielaff, Essen, und Syndikus-RA Julian Stinauer, Köln

| Der Fachkräftemangel ist eine der größten Herausforderungen in der Physiotherapie. Wenn neue Mitarbeitende nur schwer zu bekommen sind, sollte darüber nachgedacht werden, inwieweit erfahrenen Mitarbeitenden eine Weiterarbeit ermöglicht werden kann. Die Möglichkeiten einer Weiterbeschäftigung über das eigentliche Renteneintrittsalter hinaus sollten dabei deutlich vorher von Arbeitgeber und Arbeitnehmer thematisiert werden. Was Arbeitgeber und Arbeitnehmer dabei insbesondere aus rechtlicher Sicht wissen sollten, fasst dieser Beitrag zusammen. |

Rechtliche Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung

Jeder Mensch darf grundsätzlich so lange arbeiten, wie er möchte. Eine Beschäftigung ist also auch über die Regelaltersgrenze hinaus möglich. Diese liegt aktuell bei 65 Jahren und elf Monaten (bei Geburtsjahrgängen ab 1957) und steigt sukzessive bis auf 67 Jahre (bei Geburtsjahrgängen ab 1964) ab 2031 an. Verzichtet man also trotz seines Anspruchs auf die Beantragung (vgl. § 99 Abs. 1 SGB VI) der Auszahlung der gesetzlichen Rente, erhöht sich diese mit jedem Monat, den man darauf verzichtet. Für jeden Monat zusätzliche Arbeit ohne Rentenbezug erwirbt der eigentliche Rentner einen um 0,5 Prozent höheren Rentenanspruch. Womit sich bereits nach einem Jahr eine Steigerung von 6 Prozent ergibt, die über die gesamte Bezugsdauer der Rente Bestand hat, ohne dafür weitere Beiträge einzuzahlen. Zahlt der potenzielle Rentner zusätzlich weiter in die Rentenversicherung ein, erhöht auch dies, in Abhängigkeit von Einkommenshöhe und damit Rentenversicherungsbeitrag, den späteren Rentenanspruch zusätzlich. Geht man weiter einer Vollzeitbeschäftigung nach, kann die Erhöhung dadurch schon deutlich ausfallen.

Arbeitsvertrag und Arbeitsrecht

Grundsätzlich unterliegt die Beschäftigung von Menschen, welche die Regelaltersgrenze erreicht haben, aus arbeitsrechtlicher Sicht keinen Besonderheiten. Ein Rentner unterliegt wie auch jeder andere Arbeitnehmer den gleichen Arbeitnehmerschutzgesetzen. Entgegen so manchem Irrglauben endet ein Arbeitsverhältnis auch nicht automatisch mit Erreichen der Regelaltersgrenze. Hierzu sind zwingend entsprechende Vereinbarungen in Arbeitsverträgen oder Tarifverträgen erforderlich, ansonsten gilt das Arbeitsverhältnis grundsätzlich als bis zum Lebensende abgeschlossen. Geht man jedoch vom Regelfall einer automatischen Beendigung aus und sind sich beide Seiten über eine Weiterbeschäftigung einig, müssen Anpassungen des Arbeitsvertrags vorgenommen werden. Je nachdem, ob man die Arbeitnehmer- oder die Arbeitgeberperspektive einnimmt, bieten sich verschiedene Gestaltungsoptionen an.

Eine unbefristete Weiterbeschäftigung ist für Rentner die komfortabelste Option, da eine Beendigung allein in ihren Händen liegt. Da Arbeitgeberkündigungen aber hohen Hürden unterliegen, ist für sie diese Form der unbefristeten Weiterbeschäftigung mit erheblichen Risiken verbunden, weshalb Arbeitgebern zu empfehlen ist, eine befristete Weiterbeschäftigung mit Rentnern zu vereinbaren. Hierfür hat der Gesetzgeber mit § 41 S. 3 SGB VI auch eine sinnvolle Option geschaffen.

§ 41 S. 3 SGB VI

„Sieht eine Vereinbarung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vor, können die Arbeitsvertragsparteien durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt, gegebenenfalls auch mehrfach, hinausschieben.“

  • Zunächst ist erforderlich, dass die Vertragsparteien im Arbeitsvertrag die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen der Regelaltersrente überhaupt vorgesehen haben, was in den meisten Fällen gegeben sein sollte.
  • Ferner muss diese Hinausschiebensvereinbarung während des laufenden Arbeitsverhältnisses getroffen werden, folglich zwingend vor Eintritt in die Regelaltersrente, ansonsten gilt das hinausgeschobene Arbeitsverhältnis als unbefristet abgeschlossen, sofern der Rentner einfach weiterarbeitet.
  • Die beabsichtigte Weiterbeschäftigung muss darüber hinaus nahtlos an das vorherige Arbeitsverhältnis anknüpfen. Eine dreimonatige Weltreise etwa, bevor das „Rentner-Arbeitsverhältnis“ begonnen wird, sollte vermieden werden. Grundsätzlich sollte man auf Nummer sicher gehen und keine Pause zwischen den beiden Vereinbarungen vorsehen.
  • Der Gesetzestext gibt mit dem Wortlaut „mehrfach“ leider keinen Aufschluss darüber, wie häufig diese befristete Vereinbarung hinausgeschoben werden darf. An dieser Stelle sollten Arbeitgeber also auf Nummer sicher gehen und sich an den gewohnten Grenzen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes orientieren: Eine sachgrundlose Befristung darf innerhalb von zwei Jahren maximal dreimal verlängert werden.
  • Ein weiterer wichtiger Punkt besteht darin, dass mit der neuen Vereinbarung nicht gleichzeitig die Vertragsmodalitäten geändert werden dürfen. Dies dürfte in den meisten Fällen jedoch vor allem aus Arbeitnehmersicht relevant werden, da z. B. eine Teilzeittätigkeit statt einer zuvor gelebten Vollzeitstelle angestrebt wird. Arbeitgeber sind aktuell daher gut beraten, wenn sie etwaige Veränderungen des Vertragsverhältnisses zeitlich versetzt vereinbaren.
  • Keine Neuerung, aber dennoch wichtig zu beachten, ist die zwingende Schriftform der Vereinbarung. Wird das Dokument vor Beginn der Tätigkeit nicht von beiden Vertragsparteien handschriftlich unterschrieben, entsteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.

Sozialversicherungsrechtliche Folgen

Seit 2023 gibt es bei Altersrenten keine Grenze mehr, ab welcher der Hinzuverdienst auf die Altersrente angerechnet wird. Sozialversicherungsbeiträge fallen aber an.

Rentenversicherung

Arbeitnehmer, die eine Vollrente beziehen, aber noch nicht die Regelaltersgrenze erreicht haben, bleiben versicherungspflichtig in der Rentenversicherung. Es sind folglich, wie vor Bezug der Altersrente, entsprechende Beiträge abzuführen. Ab Erreichen der Regelaltersgrenze entfällt grundsätzlich die Rentenversicherungspflicht und der Rentner muss keine Beiträge mehr zahlen. Allerdings können Arbeitnehmer freiwillig auf ihre Versicherungsfreiheit verzichten. Die Erklärung ist gegenüber dem Arbeitgeber zu erbringen, welcher diese zu den Lohnunterlagen nimmt und die Beiträge entsprechend anmeldet bzw. abführt. Dann wird der Beitrag zur Rentenversicherung weiter paritätisch aufgeteilt und erhöht den Rentenanspruch des Arbeitnehmers durch den weiteren Erwerb von Rentenentgeltpunkten. Hier ist stets eine genaue Kalkulation im Einzelfall erforderlich. Für Arbeitgeber hingegen gibt es andere Regeln, da diese weiterhin Beiträge entrichten müssen, welche jedoch nicht den Rentenanspruch der Mitarbeitenden erhöhen.

Kranken- und Pflegeversicherung

Altersrentner sind im Regelfall in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Möchte ein Rentner gleichzeitig Rente beziehen und eine abhängige Beschäftigung ausführen, unterliegt das Arbeitseinkommen der Krankenversicherungspflicht. Hier wird allerdings ein ermäßigter Satz von 14 % (zzgl. Zusatzbeitrag) zugrunde gelegt, da ein Vollrentner keinen Anspruch auf Krankengeld hat. Die Regelungen zur Pflegeversicherung folgen, wie üblich, denen zur Krankenversicherung. Mitglieder einer gesetzlichen Krankenversicherung sind ebenfalls in der gesetzlichen Pflegeversicherung versichert.

Arbeitslosenversicherung

Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung werden ebenfalls paritätisch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt. Eine Beitragsfreistellung erfolgt erst mit Erreichen der Regelaltersgrenze.

Steuerrechtliche Folgen

Ob von der Rente tatsächlich Steuern zu zahlen sind, ist einzelfallabhängig und hängt vom Überschreiten des Grundfreibetrags ab. Wenn neben dem Rentenbezug noch weiteres Erwerbseinkommen dazukommt, ist dieser allerdings schnell überschritten, was dem zukünftig weiterarbeitenden Rentner bewusst gemacht werden sollte. Je nach Höhe der erhaltenen Rentenzahlung und in Kombination mit dem Erwerbseinkommen setzt das Finanzamt in den Folgejahren ggf. Einkommensteuervorauszahlungen (§ 37 EStG) fest, um so nicht im Nachgang im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung erst die entsprechende Steuerzahlung zu erhalten. Darauf sollte der frische Ruheständler ebenfalls hingewiesen werden.

Alternative Minijob

Eine weitere Möglichkeit zur Beschäftigung von Rentner ist die Ausgestaltung des Hinzuverdienstes als geringfügige Beschäftigung (Minijob). Wenn das Arbeitsentgelt regelmäßig nicht mehr als 538 Euro im Monat beträgt, fallen darauf i. d. R. keine Einkommensteuer sowie keine Sozialversicherungsabgaben für den Arbeitnehmer an. Dabei ist natürlich zu bedenken, dass der Minijob den Umfang der Tätigkeit beschränkt, was nicht immer im beiderseitigen Interesse sein muss. Hinsichtlich Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen gilt:

  • Der Arbeitgeber übernimmt die Steuerzahlung in Form einer 2%igen pauschalen Steuer. Die 538-Euro-Grenze ist nicht streng monatlich auszulegen, eine gelegentliche und unvorhersehbare Überschreitung ist unschädlich. Im Zweifel empfiehlt sich eine vorhergehende Rücksprache mit der Minijob-Zentrale.
  • Die Sozialversicherungsbeiträge übernimmt pauschal der Arbeitgeber. Diese setzen sich i. d. R. aus 13 % Krankenversicherungsbeitrag und 15 % Rentenversicherungsbeitrag zusammen und werden direkt an die Minijob-Zentrale der Bundesknappschaft entrichtet. Der Rentner hat zudem die Möglichkeit, einen eigenen Beitrag zur Rentenversicherung i. H. v. 3,6 % zu leisten und somit seinen Rentenanspruch zu erhöhen. Der Pauschalbetrag des Arbeitgebers zur Rentenversicherung ist stets zu zahlen, auch wenn ein weiterbeschäftigter Ruheständler durch Erreichen der Regelaltersgrenze nicht mehr rentenversicherungspflichtig ist.

Vor Erreichen der Regelaltersgrenze besteht für den weiterarbeitenden Ruheständler ohnehin Versicherungspflicht in der Rentenversicherung, von der sich der hinzuverdienende Rentner bei seinem Minijob befreien lassen kann. Gegebenenfalls kann sich die Zahlung freiwilliger Rentenbeiträge lohnen, sodass eine individuelle Beratung durch den Rentenversicherungsträger zu empfehlen ist. Auch sind gewisse Fristen zu beachten.

Bei einem Einkommen über 538 Euro und unter 2.000 Euro (Übergangsbereich nach § 20 Abs. 2 SGB IV) gelten ebenfalls spezielle Regelungen (sog. Midijobs). Die Beitragshöhe zu den Sozialversicherungen ist individuell abhängig vom Verdienst und sollte im Vorfeld bezogen auf den Einzelfall abgeklärt werden, da ein fiktiv ermitteltes Arbeitsentgelt zugrunde gelegt wird. Auf den Arbeitgeberanteil hat dies keine Auswirkungen.

Fazit | Die Weiterbeschäftigung eines verdienten Mitarbeiters kann ein geeignetes Instrument sein, zumindest kurzfristig den Fachkräftemangel abzumildern und einige Zeit länger seine verdienten Mitarbeitenden zu halten. Sozialversicherungsrechtlich sind einige Änderungen im Vergleich zu einer regulären Beschäftigung zu beachten. Diese sollte man kennen und mit dem Mitarbeitenden gemeinsam besprechen, da sich erfahrungsgemäß aufseiten der Beschäftigten einige Fragen ergeben. Steuerrechtlich gibt es eigentlich keine Besonderheiten, allerdings sollte der Hinweis darauf, dass durch das Zusammenspiel von Rente und lohnsteuerpflichtigem Einkommen gerade im ersten Jahr mit Nachzahlungen zu rechnen ist, nicht fehlen. Dies ist den frisch gebackenen Rentnern oft nicht bewusst. Interessanter für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist aber die arbeitsrechtliche Ausgestaltung und dabei gerade die Frage einer möglichen Befristung, die beiden Seiten die nötige Sicherheit, aber auch Flexibilität bietet.

AUSGABE: PP 11/2024, S. 14 · ID: 50143424

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