FeedbackAbschluss-Umfrage

CoachingEntspannung mit Pfeil und Bogen: „Wer das Tempo rausnimmt, erzielt bessere Ergebnisse!“

Abo-Inhalt30.04.2024464 Min. Lesedauer

| Mit Pfeil und Bogen entspannen – geht das überhaupt? Und ob! Das therapeutische/intuitive/meditative Bogenschießen (TIMBo) bietet dafür eine ganze Bandbreite an Möglichkeiten. Burkhard Reinberg ist nicht nur Barfuß-Coach (PP 08/2023, Seite 8 ff.), sondern auch Bogentherapeut. Im Rahmen seines 2011 gegründeten Projekts naturfitness.de vermittelt der ehemalige Polizeibeamte das TIMBo im Einzelcoaching, als therapieunterstützende Maßnahme sowie in der Burn-out-Prävention und im betrieblichen Gesundheitsmanagement. Darüber, wie er zum TIMBo gekommen ist, für wen es geeignet ist und welche positiven Wirkungen es haben kann, sprach mit ihm PP-Redakteur Stefan Lemberg. |

Frage: Herr Reinberg, worum genau geht es beim TIMBo?

Antwort: Es geht weniger darum, ins Schwarze zu treffen – die Scheibe hat beim intuitiven Bogenschießen ja auch gar keine Ringe –, sondern darum, sich zu konzentrieren, Ziele zu visualisieren, störende oder sogar destruktive Gedanken abzuschalten, loszulassen und zu entspannen. Pfeil und Bogen sind dabei nur Hilfsmittel.

Frage: In welchem Setting bzw. für welche Erkrankungen oder persönlichen Herausforderungen ist TIMBo geeignet?

Antwort: Das können ganz unterschiedliche Ausgangssituationen sein. Pfeil und Bogen können eine Psychotherapie unterstützen oder helfen, Stress abzubauen. Sie sind aber genauso geeignet für die Burn-out-Prävention, für das betriebliche Gesundheitsmanagement oder auch nur zum Teambuilding. Das intuitive Bogenschießen lässt sich sowohl im 1:1-Coaching als auch in der Gruppe praktizieren.

Frage: Wie sind Sie selbst zum TIMBo gekommen?

Antwort: Ich habe mich immer schon mit dem sehr spannenden Thema der energetischen Psychologie auseinandergesetzt. Bei der Polizei war ich Ausbilder und wurde auch dort immer wieder mit Extremsituationen konfrontiert. Ich habe mich gefragt, warum bei einigen Menschen der Resilienzfaktor so hoch ist und bei anderen wieder nicht. Nach meiner Dienstzeit bei der Polizei habe ich das Studium zum Heilpraktiker für Psychotherapie absolviert (ohne Bestallung). Bogenschießen habe ich zu dem Zeitpunkt auch schon betrieben, aber eher als Sport und Ausgleich für mich selbst. Das gefiel mir aber nicht so richtig, weil mir dort der Erfolgsdruck einfach zu hoch war, was ich wiederum als kontraproduktiv empfand. Ich kam dann eher durch Zufall zum intuitiven Bogenschießen und darüber dann zum therapeutischen Bogenschießen. Das fand ich megaspannend, weil sich für mich dadurch persönlich ein Kreis schloss. Zunächst habe ich eine Ausbildung zum Trainer für intuitives Bogenschießen durchlaufen und vor gut acht Jahren das Studium zum Bogentherapeuten erfolgreich absolviert. Seither arbeite ich mit Menschen unter Zuhilfenahme von Pfeil und Bogen (therapiebegleitend) u. a. an der Persönlichkeitsentwicklung – und finde es nach wie vor megainteressant!

Frage: Mit welchen Erwartungen kommen Menschen zu Ihnen?

Antwort: Jeder Mensch ist anders. Daher gibt es ganz unterschiedliche Erwartungen, persönliche Herausforderungen oder auch Krankheitsbilder, die die Übenden mitbringen: Manche wollen Stress abbauen und einem Burn-out vorbeugen, andere wollen Trennungserfahrungen verarbeiten – beim Bogenschießen geht es ja auch ums Loslassen – wieder andere haben Konzentrationsschwierigkeiten. Zudem können Pfeil und Bogen auch im Rahmen einer Psychotherapie helfen, negative Denkmuster zu verlassen. Sie können die Therapie behandlungsbedürftiger psychischer Erkrankungen aber nur unterstützen, auf keinen Fall ersetzen!

Frage: Wie läuft so ein Coaching mit Pfeil und Bogen bei Ihnen ab?

Antwort: Nehmen wir als Beispiel ein Einzelcoaching ohne behandlungsbedürftige psychische Erkrankung. Dieses umfasst bei mir fünf Termine. Im therapeutischen Setting ist das Vorgehen ähnlich, geht aber mehr in die Tiefe. Die Coachees erhalten vorab einen Anamnesebogen zum Ausfüllen. Darin wird die aktuelle Lebenssituation inklusive persönliche, berufliche und gesundheitliche Herausforderungen von dem ersten Termin erfasst. Im ersten Termin bespreche ich mit dem Coachee zunächst die Anamnese und die Zielsetzung. Anschließend weise ich ihn in die korrekte Handhabung der Ausrüstung und in die Technik ein: Wie lege ich den Unterarmschutz an? Wie halte ich den Bogen? Wie lege ich den Pfeil ein? Wie stehe ich? Wie atme ich? Wie spanne ich den Bogen? Wie löse ich den Pfeil? Dann wird geschossen. Immer nur drei Pfeile. Und vor allem, langsam! Der Coachee soll ja keine Pfeile verballern – dann könnte er ja auch in einen Bogensportverein gehen – sondern mit Pfeil und Bogen entspannen. Wenn das Wetter es zulässt, üben wir barfuß. So spürt man besser, wie man steht und nimmt sich auch selbst intensiver wahr. Termin für Termin steigern wir den Schwierigkeitsgrad: einen Ballon bewusst treffen oder auch nicht treffen, Pfeile auf eine bestimmte Ecke der Scheibe schießen oder von einer Wippe aus schießen. Am Ende jedes Coachings gebe ich dem Coachee als „Hausaufgabe“ bis zum nächsten Termin einen Reflexionsbogen mit Fragen mit: Wie ging es mir heute vor dem Schießen? Was war beim Schießen heute besonders wichtig? Was könnte das für meine Lebensgestaltung bzw. meine aktuelle Herausforderung bedeuten? Worauf werde ich beim nächsten Schießen besonders achten? Es ist von Mal zu Mal immer wieder faszinierend, welche Ergebnisse dabei herauskommen!

Frage: Welche Ergebnisse lassen sich durch das TIMBo erzielen?

Antwort: Die meisten, die das intuitive Bogenschießen praktizieren, sind verblüfft oder auch positiv überrascht: Selbst wer die Scheibe verfehlt, spürt die entspannende Wirkung. Und auch in Gruppen, in denen Draufgängertypen waren, die vor allem Pfeile schießen wollten, stellte sich diese Wirkung ein. Wir haben in einer ganzen Stunde nur sechs Pfeile verschossen. Dabei wurde kein Wort gesprochen. Anweisungen kamen von mir per Gong. Und selbst diejenigen, die vor allem aufs Schießen aus waren, sagten mir hinterher: „Mensch, Burkhard, das war so geil!“ Die Entspannung ist sogar messbar: In Gruppen haben wir z. B. vor und nach dem Schießen die Herzfrequenzvariabilität (HRV; PP 04/2021, Seite 12 f.) gemessen. Schon 90 Minuten Bogenschießen senkten die HRV signifikant. Im Grunde eine Wirkung, die auch durch autogenes Training oder progressive Muskelentspannung (PMS) erzielt werden kann – nur eben mit etwas mehr „Action“.

Frage: Was war dabei Ihre bisher beeindruckendste Erfahrung?

Antwort: Am beeindruckendsten war ein älteres Paar, die bei mir zum Coaching waren. Er ging schon am Rollator. Ich habe ihn trotzdem so weit gebracht, dass er bereit war, von einer Wippe aus auf einen Ballon zu schießen – ich habe natürlich Hilfestellung gegeben und darauf geachtet, dass er nicht stürzt. Er hat dann irgendwann den Luftballon tatsächlich getroffen, fiel mir in die Arme und fing an zu weinen. Als ich ihn fragte, was los sei, sagte er mir, er habe vor einem Jahr einen Schlaganfall gehabt. Der Arzt habe ihm den Rollator verordnet. Und jetzt könne er sogar von einer Wippe aus mit Pfeil und Bogen einen Luftballon treffen. Am nächsten Tag ist er erst mal in die Arztpraxis und hat mit seinem Arzt geschimpft: „Sie verordnen mir diesen verdammten Rollator! Dabei kann ich viel mehr, als Sie mir noch zutrauen!“

Frage: Was ist der größte Fehler, den Anfänger mit Pfeil und Bogen machen können?

Antwort: Der größte Fehler ist sicherlich, zu hektisch zu sein und den Schuss zu verreißen. Langsamkeit ist der Schlüssel zum Erfolg. Beim intuitiven Bogenschießen gibt es keine Zeitvorgabe – anders als beim olympischen Bogenschießen. Niemand hetzt einen. Wer das Tempo rausnimmt, erzielt oft bessere Ergebnisse. Es ist sogar vollkommen o. k., nicht zu schießen und neu anzusetzen, etwa wenn ich irgendwo hängenbleibe oder spüre, dass ich nicht richtig stehe. Beides lässt sich auch 1:1 auf den Lebensalltag übertragen. Ein anderer Fehler ist, sich beim Schießen unter Erfolgsdruck zu setzen bzw. als „schlecht“ zu bewerten, dass ein Pfeil das Ziel verfehlt hat.

Frage: Welchen Physiotherapeuten würden Sie raten, TIMBo in ihrer Praxis anzubieten?

Antwort: Eine Ausbildung zum Trainer für intuitives Bogenschießen oder Bogentherapeuten vorausgesetzt, eignet sich das Angebot für alle, die ihren Patienten bzw. Klienten eine besondere Art der Entspannung anbieten und ihnen helfen wollen, ihre Selbstwahrnehmung zu intensivieren.

Herr Reinberg, vielen Dank für das Gespräch.

Weiterführender Hinweis
  • Barfußgehen ist Kopfsache oder: „Machen ist wie wollen, nur krasser!“ (PP 08/2023, Seite 8 ff.)

AUSGABE: PP 5/2024, S. 12 · ID: 49943826

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2024

Bildrechte