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HOAIKann ein Ententeich ein Ingenieurbauwerk sein?

Abo-Inhalt02.01.2025989 Min. LesedauerVon Dipl.-Ing. Ulrich Welter, ö.b.u.v. Sachverständiger für Ingenieurhonorare nach HOAI, ingside®, Büsum

| In der Praxis werden Planungsaufträge für Baumaßnahmen und Anlagen erteilt, die in der HOAI nicht beschrieben sind. Auftraggeber vertreten dann oftmals die Meinung, dass das Honorar hierfür frei vereinbart werden muss und die Bestimmungen der HOAI zu den einzelnen Honorarparametern nicht gelten. Dass das aber nicht der Fall ist, beweist einmal mehr eine aktuelle Entscheidung des OLG Naumburg. PBP ordnet sie für Sie ein. |

Der Fall

Das OLG Naumburg hatte folgenden Fall zu entscheiden: Ein vorhandenes Abgrabungsgewässer (Ententeich) soll von einem stehenden Gewässer zu einer wasserwirtschaftlichen Anlage umgewidmet werden. Der bereits im Verlauf eines Trennsystems genutzte Teich sollte als künftiger Retentionsraum genutzt werden. Die Parteien stritten diesbezüglich über die Berücksichtigung eines Umbauzuschlags. Der Auftraggeber vertritt die Auffassung, dass ein Objekt gemäß § 2 Abs. 5 HOAI 2013 vorhanden sein müsse, andernfalls sei ein Umbau gar nicht möglich. Bei einem gefluteten Restloch (Abgrabungsgewässer) eines ehemaligen Tonabbaus handele es sich aber nicht um ein „Objekt“ im Sinne der HOAI, weshalb ein Umbauzuschlag ausgeschlossen sei. Daran ändere auch nichts, dass der Teich durch Menschenhand geschaffen worden sei.

Das Problem und die gerichtliche Lösung

Das Gericht hatte also zu entscheiden, ob das als „Ententeich“ genutzte Restloch ein Objekt im Sinne der HOAI darstellt. Es stützte sich dabei auf ein Gerichtsgutachten. Der Sachverständige hatte festgestellt, dass der Ententeich von der Beklagten schon über einen längeren Zeittraum zur Ableitung von Mischwässern genutzt würde und überschüssige Wässer über ein Mönchsbauwerk in ein naheliegendes Gewässer abgeleitet werden. Es handele sich deshalb um eine ungenehmigte Anlage des Wasserbaus.

Das Gericht sprach dem Kläger den Umbauzuschlag zu. Es handele sich tatsächlich um ein Ingenieurbauwerk, nämlich um eine Anlage des Wasserbaus. Zwar würde durch die Planung nicht in die Konstruktion des Teichs eingegriffen, wohl aber in den Bestand, was nach den Anforderungen des § 2 Abs. 5 HOAI ausreichend sei (Eingriff in Konstruktion oder Bestand). Der Eingriff in den Bestand sei nämlich wesentlich, weil aus einer Anlage des Wasserbaus eine Anlage der Abwasserentsorgung entstehen sollte (Nutzungsänderung).

Denn der Teich sollte bei dem umzustellenden Mischsystem in ein Trennsystem künftig nur noch den kontrollierten Abfluss von Regenwasser sicherstellen. (OLG Naumburg, Urteil vom 16.05.2024, Az. 2 U 96/23, Abruf-Nr. 244851).

Das OLG führte zudem aus, dass durch die geplante Vertiefung des Teichs durchaus auch in die Konstruktion eingegriffen werde. Die Wesentlichkeit dieses Eingriffs sei aber nicht vorgetragen worden, sodass sich das Wesentlichkeitskriterium nicht prüfen ließ. Wesentlich sei ein Eingriff jedenfalls dann, wenn er gegenüber dem Bestand einen Anteil von zehn bis 20 Prozent der Substanz ausmacht.

Was man aus dem OLG Naumburg-Urteil ableiten kann

Diese gerichtliche Feststellung ist für alle Umbaumaßnahmen bedeutsam. Planer sollten deshalb zunächst den Umfang des Eingriffs und seinen Anteil am vorhandenen Bauwerk prüfen und zur Begründung eines Umbauzuschlags darlegen. Dabei ist davon auszugehen, dass es keiner weiteren Erläuterungen mehr bedarf, wenn 20 Prozent des Bestands vom Umbau betroffen sind. Zwischen zehn und 20 Prozent ist das Wesentlichkeitskriterium wahrscheinlich auch erfüllt. Dies sollte aber erläutert und ggf. durch Eingriffe in die Konstruktion ergänzt werden.

Die Leitsätze des Urteils des OLG (OLG Naumburg, Urteil vom 16.05.2024, Az. 2 U 96/23, Abruf-Nr. 244851) lauten:

  • Wird ein sog. Abgrabungsgewässer (hier: Ententeich) zur Ableitung von Mischwasser (Grund-, Regen- und Schmutzwasser) genutzt, wird es vom Begriff des Ingenieurbauwerks nach § 41 Nr. 2 HOAI 2013 erfasst.
  • Beziehen sich ingenieurtechnische Planungen auf die Umwidmung und Umgestaltung des Teichs zu einem Zwischenspeicher für abfließendes Regenwasser, so ist ein Anspruch auf Abrechnung eines Umbauzuschlags nach § 44 Abs. 6 i. V. m. § 6 Abs. 2 S. 3 und S. 4 HOAI 2013 begründet.

Die zutreffende Objekttrennung

Das Urteil zeigt einmal mehr, wie genau bei der Objekttrennung zu analysieren und zu argumentieren ist. Zunächst ist in § 41 HOAI geregelt, was unter einem Ingenieurbauwerk zu verstehen ist, nämlich:

§ 41 HOAI – Anwendungsbereich (Ingenieurbauwerke)

Ingenieurbauwerke umfassen:

  • 1. Bauwerke und Anlagen der Wasserversorgung,
  • 2. Bauwerke und Anlagen der Abwasserentsorgung,
  • 3. Bauwerke und Anlagen des Wasserbaus ausgenommen Freianlagen nach § 39 Abs. 1,
  • 4. Bauwerke und Anlagen für Ver- und Entsorgung mit Gasen, Feststoffen und wassergefährdenden Flüssigkeiten, ausgenommen Anlagen der Technischen Ausrüstung nach § 53 Abs. 2,
  • 5. Bauwerke und Anlagen der Abfallentsorgung,
  • 6. konstruktive Ingenieurbauwerke für Verkehrsanlagen,
  • 7. sonstige Einzelbauwerke ausgenommen Gebäude und Freileitungsmaste.

Die in § 41 HOAI aufgeführten sieben Gruppen finden sich in der Anlage 12.2 – Objektliste Ingenieurbauwerke – zur HOAI wieder. Dort sind in jeder Gruppe einzelne Bauwerke und Anlagen beispielhaft aufgeführt.

HOAI – Anlage 12.2 – Objektliste Ingenieurbauwerke (Auszug)

Nachstehende Objekte werden in der Regel folgenden Honorarzonen zugerechnet:

  • Gruppe 1 – Bauwerke und Anlagen der Wasserversorgung
  • Gruppe 2 – Bauwerke und Anlagen der Abwasserentsorgung
  • Gruppe 3 – Bauwerke und Anlagen des Wasserbaus ausgenommen Freianlagen nach § 39 Abs. 1
  • Gruppe 4 – Bauwerke und Anlagen für Ver- und Entsorgung mit Gasen, Feststoffen und wassergefährdenden Flüssigkeiten, ausgenommen Anlagen der Technischen Ausrüstung nach § 53 Abs. 2
  • Gruppe 5 – Bauwerke und Anlagen der Abfallentsorgung
  • Gruppe 6 – konstruktive Ingenieurbauwerke für Verkehrsanlagen
  • Gruppe 7 – sonstige Einzelbauwerke ausgenommen Gebäude und Freileitungsmaste

Zwar geht es in den Objektlisten um eine Regelzuordnung zu den Honorarzonen, die hier nicht abgebildet sind. Aus der Überschrift ergeben sich aber wichtige Hinweise zum Inhalt. Dort heißt es nämlich: „Nachstehende Objekte“.

Daraus ergibt sich einerseits, dass alle nachfolgend in den Gruppen aufgeführten Bauwerke bzw. Anlagen Objekte im Sinne der HOAI sind und andererseits, dass die Liste nicht vollständig ist, es also noch weitere Bauwerke/Anlagen gibt, die der jeweiligen Gruppe zugeordnet werden können. Die Liste ist also nicht abschließend.

Im Fall des OLG Naumburg kam es deshalb gar nicht darauf an, dass der „Ententeich“ bzw. das „Abgrabungsgewässer“ als solches in der Objektliste aufgeführt ist. Vielmehr war die tatsächliche Nutzung des Bauwerks für das Gericht ausschlaggebend. Allerdings hätte man auch argumentieren können, dass Teiche in der Gruppe 3 – Bauwerke und Anlagen des Wasserbaus – ausdrücklich aufgeführt sind und das vorhandene Gewässer (Teich) auch schon deshalb ein Ingenieurbauwerk darstellt.

Fazit | Von Auftraggebern hört man häufig die Standardfrage: „Wo steht das?“ Der vom OLG Naumburg entschiedene Fall zeigt eindrucksvoll, dass manche Dinge nirgendwo stehen müssen. Vielmehr kann man sie leicht aus den vorliegenden Unterlagen ableiten. Eine in diesem Sachverhalt wesentliche Unterlage ist die Anlage zur HOAI mit den entsprechenden Objektlisten. Das zu transportieren und sich somit ein auskömmliches Honorar zu sichern, ist Ihre Sache als Planer. Die von PBP vorgetragene Argumentationskette hilft Ihnen dabei, Ihren Auftraggeber zu überzeugen.

Weiterführender Hinweis
  • Sonderausgabe: Die Honorarabrechnung beim Auftrag für mehrere Objekte: Praktische Anwendungstipps für § 11 HOA → Abruf-Nr. 49923368

AUSGABE: PBP 1/2025, S. 8 · ID: 50241184

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