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ArbeitsrechtDarf Ihr Ex-Mitarbeiter von Ihnen auch Kopien von Planungsunterlagen herausverlangen?
| Hat am Ende des Arbeitsverhältnisses ein Ex-Mitarbeiter Anspruch auf eine tätigkeitsbezogene Bescheinigung über die verantwortliche Betreuung während der Ausführungsphase der Bauvorhaben, sowie auf Kopien von Planungsunterlagen? Ein ehemaliger Mitarbeiter eines Planungsbüros war dieser Ansicht und verklagte seinen Ex-Arbeitgeber auf genau diese Herausgaben. Sowohl das Arbeitsgericht Siegburg als auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln vertraten dazu aber eine andere Meinung. |
Um diesen Streit ging es vor Gericht
Der Arbeitnehmer war als Ingenieur in Teilzeit für den Bereich Brandschutz bei einem Ingenieurbüro angestellt und kündigte sein Arbeitsverhältnis ordentlich. Im Anschluss daran klagte er vor dem Arbeitsgericht Siegburg auf restliche Vergütung und Erteilung einer Bescheinigung, dass er Bauvorhaben verantwortlich betreut habe, sowie die Herausgabe von Kopien von Planungsunterlagen. Das Arbeitsgericht Siegburg verurteilte das Büro daraufhin, an ihn eine restliche Vergütung von knapp über 2.800 Euro netto zu zahlen. Den Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung und die Herausgabe von Kopien von Planungsunterlagen lehnte der Richter indes ab.
Wie weit geht Ihre Fürsorgepflicht als (Ex-)Arbeitgeber?
Dagegen ging der ehemalige Beschäftigte weiter vor. Er stellte sich auf den Standpunkt, sein Arbeitgeber sei aufgrund der nachvertraglichen Fürsorgepflicht sehr wohl gehalten, ihn beim Erwerb von Zusatzqualifikationen zu unterstützen, soweit dies für das berufliche Fortkommen erforderlich sei. Den Parteien sei unausgesprochen klar gewesen, dass er sobald als möglich die Anerkennung als staatlich anerkannter Sachverständiger für die Prüfung des Brandschutzes anstrebe. Laut Auskunft der Ingenieurkammer-Bau NRW müsse der Arbeitgeber bei einem angestellten Ingenieur die hierzu erforderlichen Bescheinigungen erteilen.
Das sollte der Arbeitgeber im konkreten Fall bescheinigen
Er beantragte, den Arbeitgeber zu verurteilen, ihm eine Bescheinigung darüber auszustellen, dass er neun Bauvorhaben während der Ausführungsphase verantwortlich betreut habe. Dabei hatte er auch konkret angegeben, wie er sich die Bescheinigungen vorstellt, nämlich wie folgt:
So sah ein konkreter Bescheinigungswunsch aus |
Neubau der Kindertagesstätte G in H, Auftraggeber: Stadt H, Objekttyp: Tageseinrichtung für Kinder, großer Sonderbau nach § 50 (2) Nr. 10 BauO NRW, Projektzeitraum: April 2018 bis Juni 2018, Tätigkeit des Klägers: Überarbeitung des Brandschutzkonzepts im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach Abstimmung mit |
dem Bauherrn und der unteren Bauaufsichtsbehörde. Erstellung von Brandschutzplänen auf Grundlage des aktualisierten Planungsstands des Entwurfsverfassers. Begleitung der Bauausführung im Rahmen von stichprobenhaften Kontrollen. |
Die Gegenargumente des Ingenieurbüros
Das Ingenieurbüro verteidigte die Entscheidung des Gerichts. Die genannten Planungsvorhaben habe der Mitarbeiter nicht verantwortlich betreut. Die Fürsorgepflicht nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses beschränke sich auf die Erteilung eines wohlwollenden, qualifizierten Arbeitszeugnisses. Das Ingenieurbüro sei nicht verpflichtet, durch das Erteilen von Bescheinigungen Konkurrenztätigkeit zu fördern oder Ex-Beschäftigte erst in die Lage zu versetzen, Wettbewerb zu ihren Lasten betreiben zu können.
So entschied das LAG Köln
Das LAG Köln gab dem Ingenieurbüro Recht. Der Ex-Mitarbeiter habe weder einen Anspruch auf eine tätigkeitsbezogene Bescheinigung über die verantwortliche Betreuung während der Ausführungsphase der Bauvorhaben noch auf Herausgabe von Planungsunterlagen. Das begründeten die Richter wie folgt (LAG Köln, Urteil vom 23.08.2023, Az. 11 Sa 27/23, Abruf-Nr. 240655):
1. Erteilung der tätigkeitsbezogenen Bescheinigung
Jede Partei des Arbeitsvertrags ist zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet (§ 241 Abs. 2 BGB). Hieraus ließen sich auch nachwirkende Schutzpflichten ableiten. Dazu gehöre die Pflicht des Arbeitgebers, auf Wunsch und im Interesse des Arbeitnehmers Dritten gegenüber Auskünfte über den Arbeitnehmer zu erteilen. Konkurrierende Grundrechte von Arbeitnehmer und Arbeitgeber seien in ihrer Wechselwirkung zu sehen und so zu begrenzen, dass die bei der Ausformung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht geschützten Rechtspositionen für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden.
Die begehrten Bescheinigungen zur verantwortlichen Betreuung während der Ausführungsphase würden zunächst für beide Parteien Wirkungen erzeugen. Einerseits bestehe die Möglichkeit, dass der Arbeitnehmer mit Hilfe der Bescheinigungen seine berufliche Betätigungsfreiheit fördern könne. Sie seien eine der notwendigen Voraussetzungen der staatlichen Anerkennung als Sachverständiger für den Brandschutz. Auf der anderen Seite drohe die Betätigungsfreiheit des Arbeitgebers insoweit belastet zu werden, als er sich zusätzlicher Konkurrenz in dem von ihn ausgeübten Bereich des Brandschutzes ausgesetzt sehe, wenn der Ex-Mitarbeiter als staatlicher Sachverständiger für Brandschutz anerkannt werde. Hier sei entscheidend, welche Nachteile die Partei im Falle des Unterliegens zu besorgen habe und ob diese die Nachteile der Gegenseite überwiegen würden.
Der Arbeitnehmer habe in diesem Fall zu ungenau vorgetragen, dass ihm Nachteile drohen würden, wenn er die Bescheinigung nicht bekommen würde. Auch sei seinem Vorbringen nicht zu entnehmen, zu welcher Berufsausübung er die Bescheinigung noch benötige. Es bleibe ungewiss, welche Tätigkeit er nach dem Ausscheiden beim Arbeitgeber ausgeübt habe oder zurzeit ausübe bzw. anstrebe. Auch sei nicht ersichtlich, dass er seit dem Ende des Arbeitsverhältnisses im Zeitraum von mehr als zwei Jahren – sei es aufgrund selbstständiger Tätigkeit oder abhängiger Beschäftigung – nicht in der Lage gewesen sei, Bauvorhaben im Bereich des Brandschutzes verantwortlich zu betreuen. Vielmehr bliebe es offen, ob überhaupt und in welchem Umfang die Bescheinigung erforderlich sei, um berufliche Nachteile zu vermeiden.
Zudem bedürfe es für die Prüfung des Brandschutzes nach der Verordnung über staatlich anerkannte Sachverständige nach der Landesbauordnung NW als Mindestvoraussetzung der Vorlage von drei anspruchsvollen Brandschutzkonzepten zu unterschiedlichen Sonderbauten. Es sei nicht erkennbar, weshalb der Arbeitgeber verpflichtet sein sollte, eine Bescheinigung über neun Brandschutzkonzepte zu erteilen.
Wichtig | Was hat es mit dem Vorwurf des Arbeitnehmers auf sich, es habe ein ausdrückliches Einvernehmen zwischen ihm und dem Arbeitgeber hinsichtlich der Anerkennung als Sachverständiger gegeben? Nach Ansicht der Richter vor dem LAG Köln war der Vortrag des Arbeitnehmers zu dünn: So trug dieser nicht vor, wann und wo es genau (Zeitpunkt) zu diesem „Einvernehmen“ kam, wer was genau wie zu wem gesagt hatte.
2. Herausgabe von Planungsunterlagen
Das Ingenieurbüro sei – zweitens – auch nicht verpflichtet gewesen, dem Arbeitnehmer die Planunterlagen derjenigen Brandschutzkonzepte herauszugeben, die er während des Arbeitsverhältnisses bearbeitet hatte. Eine Pflicht zur Vorlage von Planungsunterlagen könne allenfalls im Rahmen der nachvertraglichen Schutzpflichten unter Berücksichtigung des Vorlageerfordernisses zum Antrag auf Anerkennung als staatlich anerkannter Sachverständiger für die Prüfung des Brandschutzes nach der Verordnung über staatlich anerkannte Sachverständige nach der Landesbauordnung NW bestehen. Dies würde aber eine Erforderlichkeit entsprechend der Pflicht zur Bescheinigung der Brandschutzkonzepte voraussetzen, woran es – wie ausgeführt – gemangelt habe.
Konsequenz für die Praxis
Das LAG Köln hat klargestellt, dass es auch über den Anspruch auf ein Zeugnis hinaus sogenannte „Auskunftserteilungsansprüche“ aus nachwirkenden Schutzpflichten bei einem beendeten Arbeitsverhältnis geben kann. Bescheinigungen über Tätigkeiten im Arbeitsverhältnis müssen Sie als Arbeitgeber aber nur erteilen, wenn Ihr Ex-Mitarbeiter konkret und ausführlich vorträgt,
- warum er die Bescheinigungen braucht und
- welche Nachteile ihm drohen, wenn Sie ihm die Bescheinigungen nicht ausstellen.
Ein pauschaler Hinweis auf „drohende Nachteile“ reicht dagegen nicht aus.
AUSGABE: PBP 1/2025, S. 17 · ID: 50255062