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ArchitektenrechtRechtsberatung durch Planer am Bau: Das gehört zu Ihren Pflichten und das nicht (Teil 2)

Abo-Inhalt30.04.20247 Min. LesedauerVon Rechtsanwältin Gabriela Böhm, Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht, Partnerin Leinemann & Partner Rechtsanwälte mbB, Frankfurt a. M.

| Der Architekt ist nicht einem Rechtsberater des Bauherrn gleichzusetzen. Eine allgemeine Rechtsberatung wird vom Berufsbild nicht erfasst, da es insoweit an einer hinreichenden juristischen Qualifikation fehlt. Diese Aussage des BGH hat für Aufsehen und Verunsicherung gesorgt. Was müssen Sie an Beratung leisten und wo sind die Grenzen zur unerlaubten (und nicht versicherten) Rechtsberatung? In Teil 2 der Beitragsreihe unterstützt Sie PBP mit Checklisten und Musterschreiben. |

Checkliste: Erlaubte Leistung oder unerlaubte Beratung?

Die folgende Checkliste ist gegliedert in Rechtsdienstleistungen technischer Natur, die Sie dem Auftraggeber fachlich schulden und Rechtsdienstleistungen juristischer Natur, die Ihre Befugnisse überschreiten und Haftungsrisiken nach sich ziehen. Drei Musterschreiben an Auftraggeber zu in der jeweiligen Checkliste aufgegriffenen und diskutierten Sachverhalten runden den PBP Service ab.

Checkliste / Differenzierung zwischen erlaubter und unerlaubter Rechtsberatung

Sachverhalt
Technikfrage
Rechtsfrage
Erläuterung
  • Formulierung und Verwendung nichttechnischer Vertragsbedingungen in Bauverträgen/Ausschreibungsunterlagen (z. B. zu Zahlungsbedingungen).
Rechtsfrage, weil es um die rechtliche Gültigkeit und Interpretation von Klauseln geht, nicht um technische Inhalte.
  • Angaben in Bauverträgen/Ausschreibungsunterlagen, welche Inhalte und Angaben eine spätere Rechnung haben muss, um prüffähig zu sein.
Rechtsfrage, da es um die rechtlichen Anforderungen an eine prüffähige Rechnung gemäß den rechtlichen Vorgaben geht.
  • Formulierung von Schreiben an ausf. AN mit vertragsrelevantem Inhalt (z. B. Nachfristsetzung mit Kündigungs- oder Schadensersatzandrohung bei fruchtlosem Fristablauf).
Rechtsfrage, weil solche Schreiben rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können und auf rechtlichen Normen basieren.
  • Prüfung der Anspruchsgrundlage bei bauwirtschaftlichen Nachträgen (z. B. Bauverzögerung).
Rechtsfrage, weil die Rechtsprechung festlegt, unter welchen Umständen Mehrvergütungsansprüche geltend gemacht werden können.
  • Prüfung der Anspruchsgrundlage von Honoraransprüchen von Planungsbeteiligten bei Bauzeitverzögerung.
Rechtsfrage, weil die rechtliche Basis dieser Ansprüche geprüft werden muss, was rechtliche Kenntnisse erfordert.
Sachverhalt
Technikfrage
Rechtsfrage
Erläuterung
  • Prüfung der Anspruchsgrundlage bei Nachtragsforderungen, wenn eine Gemengelage unterschiedlicher Ursachen besteht.
Rechtsfrage, da die rechtliche Beurteilung verschiedener Ursachen und ihre Auswirkungen auf Nachtragsforderungen im Mittelpunkt stehen.
  • Klärung von Baurechtsfragen mit Nachbarn, bei denen öffentlich–rechtliche oder privatrechtliche Nachbarzustimmungen erforderlich sind.
Rechtsfrage, weil sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Aspekte und Zustimmungen eine Rolle spielen.
  • Klärung der Frage, ob Nachbargrundstücke unterirdisch genutzt werden dürfen (z. B. für Rückverankerung der Bohrpfahlwand/Baugrubenverbau ins Nachbargrundstück).
Rechtsfrage, da Eigentums- und Nutzungsrechte sowie baurechtliche Bestimmungen zu klären sind.
  • Klärung der Bedingungen, inwieweit Nachbargrundstücke als Baustelleneinrichtungsfläche genutzt werden dürfen.
Rechtsfrage, da rechtliche Regelungen über die zulässige Nutzung von Grundstücken berührt werden.
  • Klärung der Frage, ob Objektplaner Fachplaner zu Planungsänderungen anhalten oder im Namen des Auftraggebers beauftragen dürfen.
Rechtsfrage, da rechtliche Befugnisse und Vertretungsrechte im Kontext der Auftragsverhältnisse relevant sind.
  • Prüfung, ob Einbehalte wegen Terminverzug eines ausf. AN im Rahmen der Rechnungsprüfung zulässig sind.
Rechtsfrage, da die rechtliche Zulässigkeit von Vertragsstrafen oder Einbehalten aufgrund von Verzügen beurteilt wird.
  • Klärung der Frage, ob ein Umbau innerhalb eines Bauwerks (ohne Änderung der Bauwerksgeometrie) nach öffentl. Recht genehmigungspflichtig bzw. genehmigungsfrei ist.
Rechtsfrage, da dies von der Auslegung öffentlich-rechtlicher Normen abhängt.
  • Klärung der Frage, ob bei öffentlichen Ausschreibungen nach VOB/A Angebote von ausf. AN aus formalen Gründen auszuschließen sind (z. B. bei fehlendem EP, Nichteinhaltung von Fristen bei Angebotsaufklärung oder fehlender Angabe zu Nebenangeboten).
Rechtsfrage, da die rechtlichen Ausschlusskriterien nach VOB/A beurteilt werden müssen.
  • Beratung zur Inanspruchnahme von Fördermitteln (KfW) bzw. Sonderabschreibungen.
Der Planer ist zwar z. B. in der Grundleistung „Kostenschätzung, Vergleich mit den finanziellen Rahmenbedingungen“ (Lph 2) berechtigt, den AG in technischer Hinsicht zu beraten (bspw. hinsichtlich der Voraussetzungen bestimmter Förderungen). Eine detaillierte rechtliche Beratung (z. B. über die Fördervoraussetzungen wie KfW-Darlehen) kann jedoch weder vom Planer verlangt werden noch wäre sie vom Umfang des § 5 RDG gedeckt, da es sich hierbei um eine Rechtsdienstleistung handelt (u. a. LG Frankenthal, Urteil vom 25.01.2024, Az. 7 O 13/23, Abruf-Nr. 240791
Sachverhalt
Technikfrage
Rechtsfrage
Erläuterung
  • Prüfung der bautechnischen und baubetrieblich-kalkulatorischen Voraussetzungen einer Schlussrechnung.
Der Architekt muss das Zahlenwerk der Schlussrechnung prüfen, ohne die rechtlichen Grundlagen des Anspruchs zu bewerten. Diese Prüfung umfasst die Überprüfung von Mengen, Einheitspreisen und der Gesamtsumme im Hinblick auf die vereinbarten Leistungen.
  • Beurteilung von Nachtragsforderungen bezüglich geänderter oder zusätzlicher Leistungen gemäß § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B
Der Architekt konzentriert sich auf die technische und kalkulatorische Prüfung der Nachtragsforderung. Die rechtliche Bewertung der Anspruchs-grundlage, insbesondere die Beurteilung der Vertragsänderung oder der zusätzlich entstandenen Leistungen, liegt außerhalb seiner Verantwortung und erfordert ggf. die Konsultation eines Rechtsberaters.
  • Bestimmung der Tragfähigkeit einer Struktur bzw. der Baustoffqualität nach Normen.
Dies wurde als technische Frage eingestuft, da die Beurteilung auf der Grundlage technischer Standards und Produktspezifikationen erfolgt, was zum Fachgebiet des Architekten oder Ingenieurs gehört und keine rechtliche Bewertung beinhaltet.
  • Überprüfung der Einhaltung von Brandschutzvorschriften.
Die Überprüfung der Einhaltung von Brandschutzvorschriften durch Architekten fällt primär in den Bereich der technischen Fragen, da es sich um die Anwendung von technischen Normen und Richtlinien handelt. Technischer Brandschutz umfasst Maßnahmen, die dazu dienen, Gebäude durch technische Anlagen vor Bränden zu schützen und im Brandfall eine Ausbreitung des Feuers zu verhindern oder zu begrenzen. Dazu gehören bspw. Brandmeldeanlagen, Sprinkleranlagen und Rauchabzugsanlagen. Im Rahmen des technischen Brandschutzes muss der Architekt die Einhaltung relevanter Normen und Richtlinien sicherstellen, wie z. B. die korrekte Installation und Funktion von Brandmeldeanlagen nach DIN 14675 oder Rauch- und Wärmefreihaltungsanlagen nach DIN 18232.
  • Überprüfung der Einhaltung von Umweltauflagen bei der Materialentsorgung.
Diese Zuordnung ist technisch, weil sie die Anwendung umwelttechnischer Kenntnisse erfordert, um sicherzustellen, dass die Entsorgung von Baumaterialien gemäß den geltenden Umweltstandards und -verordnungen erfolgt.
  • Ermittlung der Ursache für Baumängel
Hierbei handelt es sich um eine technische Frage, da die Identifizierung der Mängelursachen ingenieurtechnisches Wissen und Erfahrung erfordert, ohne dass direkt rechtliche Schlussfolgerungen gezogen werden.
  • Feststellung der Konformität der Bauausführung mit dem Bauplan
Diese wird als technisch angesehen, da der Architekt oder Ingenieur prüft, ob die tatsächlichen Bauleistungen mit den geplanten Leistungen übereinstimmen, basierend auf bautechnischen Kriterien.
  • Beurteilung der Notwendigkeit zusätzlicher Stützmaßnahmen
Dies fällt unter die technische Kategorie, weil es die Einschätzung der statischen und strukturellen Anforderungen betrifft, was eindeutig eine ingenieurtechnische Bewertung darstellt.
Sachverhalt
Technikfrage
Rechtsfrage
Erläuterung
  • Prüfung der Vollständigkeit und Richtigkeit von Ausführungsplänen
Eine technische Frage, da sie die Überprüfung technischer Dokumente auf ihre Genauigkeit und Vollständigkeit anhand technischer und konstruktiver Standards umfasst.
  • Entscheidung über die Methodik der Lasttests
Die Wahl der Testmethoden für Struktur oder Materialien basiert auf technischem Wissen und zielt darauf, die Leistungsfähigkeit und Sicherheit gemäß technischen Standards zu gewährleisten.

Musterschreiben zur Information des Auftraggebers

Bei Zweifelsfällen empfiehlt Ihnen PBP, dem Auftraggeber schiftlich zu erläutern, warum es sich im konkreten Fall um eine rechtliche Frage handelt, bei der Sie ihn nicht beraten dürfen. Nachfolgend finden Sie beispielhaft ein Musterschreiben zum Thema „Nachtragsprüfung“. Das Musterschreiben finden Sie auch auf pbp.iww.de → Abruf-Nr. 49993488.

Musterschreiben / Fachtechnische Prüfung von Nachtragsangeboten

An (Adressat: Auftraggeber und in Kopie Planer)
Bauvorhaben: xxx, Auftraggeber: xxx, Bauvertrag: xxx
Hier: Prüfung und Wertung von Nachträgen
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Rahmen unserer Zuständigkeit für das Bauvorhaben xxx liegt uns nun die Aufgabe vor, anstehende Nachtragsangebote zu prüfen und zu bewerten. Diese Prüfung ist ein essenzieller Bestandteil der Leistungsphase 7 der HOAI und beschränkt sich auf technische Aspekte, die nicht den Umfang der Hauptleistung ändern.
Unser Fokus liegt dabei auf der technischen Kontrolle der Qualität, Kosten und Einhaltung der zeitlichen Vorgaben der Nachtragsangebote. Diese Prüfung erfolgt ohne rechtliche Bewertung und zielt darauf ab, die sachlichen Grundlagen für etwaige rechtliche Prüfungen zu legen. Wir möchten betonen, dass unsere Rolle sich nicht auf die rechtliche Beurteilung von Nachträgen erstreckt und empfehlen bei Bedarf die Konsultation spezialisierter Rechts- oder Baufachexperten.
Die Einbindung Besonderer Leistungen, wie die Mitwirkung an bauwirtschaftlich begründeten Nachtragsangeboten oder die Aufstellung und Bewertung von Preisspiegeln, bedarf einer gesonderten Vereinbarung. Durch unsere umfassende Kenntnis Ihres Projekts können wir diese Leistungen effektiv und effizient erbringen, sofern Sie uns explizit damit beauftragen. Wir werden Ihnen kurzfristig ein Angebot für die Erbringung dieser zusätzlichen Leistungen zukommen lassen und bitten um Ihre Prüfung und Beauftragung gemäß HOAI. Für Fragen oder weitere Abstimmungen stehen wir Ihnen selbstverständlich zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
[Ihr Name, ...]
Weiterführende Hinweise
  • Beitrag „Der BGH und die Rechtsberatung der Planer am Bau: Das gehört zu Ihren Pflichten und das nicht (Teil 1)“, PBP 4/2024, Seite 16 → Abruf-Nr. 49879641
  • Zwei weitere Musterschreiben zu den Themen „fachtechnische Prüfung der Leistungen ausführender Unternehmen“ und „fachtechnische Bewertung der Leistungsfristen eines ausführenden Unternehmens“ finden Sie auf pbp.iww.de → Abruf-Nr. 49993489 und 49993590.

AUSGABE: PBP 5/2024, S. 23 · ID: 49961109

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