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Lph 8OLG Stuttgart irritiert: Schuldet ein mit der Lph 8 beauftragter Planer ein mangelfreies Bauwerk?

Abo-Inhalt26.04.20245 Min. Lesedauer

| „Bildet die Bauüberwachung den Gegenstand des Vertrags, schuldet der Architekt auch insoweit die Verwirklichung eines plangerechten und mangelfreien Bauwerks“. Dieser Leitsatz einer aktuellen Entscheidung des OLG Stuttgart wirft die Frage wieder auf, ob mit der Bauüberwachung durch das Planungsbüro eine mangelfreie Ausführung auf der Baustelle gesichert werden muss. PBP ordnet die Entscheidung ein und gibt Empfehlungen für die Praxis. |

Bisher: Mangelfreie Objektüberwachung ist geschuldet

Bevor sich das OLG Stuttgart wieder einmal mit der Materie befassen musste, lauteten die Äußerungen der Rechtsprechung überwiegend anders. Nämlich wie folgt: Ein Büro, das Planungs- und Bauüberwachungsleistungen im Auftrag hat, verspricht mit Übernahme dieser Leistungen nicht, dass das Bauwerk tatsächlich mangelfrei errichtet wird. Das Planungsbüro schuldet lediglich eine mangelfreie Planungs- oder Überwachungsleistung, nicht jedoch die in allen Einzelheiten fehlerfreie handwerkliche Ausführung auf der Baustelle (BGH, Beschluss vom 08.10.2020, Az. VII ARZ 1/20, Abruf-Nr. 218759).

Ändert sich die Lage durch das Urteil des OLG Stuttgart?

In diese Gemengelage ist jetzt das OLG Stuttgart mit seiner Entscheidung „hineingegrätscht“. Das Urteil sorgt auch deshalb für Unsicherheit, weil der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde des Architekten zurückgewiesen hat (OLG Stuttgart, Urteil vom 20.12.2022 Az. 12 U 289/21, Abruf-Nr. 240670; rechtskräftig durch Zurückweisung der NZB, BGH, Beschluss vom 22.11.2023, Az. VII ZR 249/22). Ändert sich deshalb die Rechtslage?

Zunächst muss festgehalten werden, dass der Fall vor dem OLG ein besonderer war; aus zwei Gründen:

  • 1. Es war ein „Erweiterter Bauleitungsvertrag“ geschlossen worden. Ein solcher Vertrag ist in der HOAI, wenn man sich die Grundleistungen in den Leistungsbildern durchliest, so nicht definiert. Das bedeutet, dass hier einzelfallbezogene Inhalte vereinbart worden waren, die nicht verallgemeinert werden können. Allein der der Begriff Bauleitung zeigt, dass hier (auch für Gerichte) eine hoher Ermessens- uns Auslegungsspielraum besteht. Denn zwischen Bauleitung und Bauüberwachung nach HOAI besteht ein relevanter Unterschied (PBP, Ausgabe 8/2022, Seite 15 → Abruf-Nr. 48481567).
  • Wichtig | Vermeiden Sie es, nichtdefinierte Begriffe zu verwenden. Beschränken Sie sich auf die Nutzung und Vereinbarung sogenannter Legalbegriffe. Bei diesen ist mit hinreichender Sicherheit definiert, welches Leistungssoll sich hinter dem Begriff verbirgt. Das bringt Sie fachlich und haftungstechnisch in ruhigeres und sichereres Fahrwasser. Die Gerichte können bei Verwendung sog. Legalbegriffe wesentlich besser beurteilen, was mit diesen Begriffen inhaltlich gemeint ist.
  • 2. Es lag eine spezielle fachliche Gemengelage vor. Das Büro war mit der Planung und Überwachung der Arbeiten für die Durchführung energetischer Maßnahmen eines Gebäudes beauftragt. Dies schloss eine Photovoltaik- und Geothermie-Anlage sowie die Sanierung der Dachflächen des Gebäudes ein. Außerdem war das Dach im Hinblick auf die erfolgte Wandverstärkung am Gebäude durch Dämmung verlängert worden, indem dem Trapezdach eine Winkelstehfalzdeckung angefügt worden war. Nach der Fertigstellung traten dann Wasserschäden am Gebäude auf, für die das OLG den Planer verantwortlich machte.

Die Konsequenz für die Praxis

PBP ist der Auffassung, dass man das Urteil nicht ohne Weiteres verallgemeinern und auf Grundleistungsregelungen übertragen kann; dies aus folgenden Gründen:

1. Die BGH-Rechtsprechung

Da ist zum einen die BGH-Rechtsprechung zu nennen. Der BGH unterscheidet in seiner eigenen sonstigen Rechtsprechung zwischen der Bauüberwachung des Planungsbüros und der Leistung ausführender Bauunternehmer. Das Planungsbüro kann nur mangelfreie Überwachungsleistungen erbringen. Es kann aber nicht garantieren, dass das Bauwerk von den ausführenden Bauunternehmen gänzlich mangelfrei errichtet wird. Dieser Unterschied ist von großer Bedeutung. Denn damit wird klargestellt, dass der Bauunternehmer nicht allein deshalb aus seiner eigenen werkvertraglichen Verpflichtung entlassen wird, weil der Bauherr einen Dritten (aus Sicht des Bauunternehmers) mit der Bauüberwachung beauftragt hat (BGH, Beschluss vom 08.10.2020, Az. VII ARZ 1/20, Abruf-Nr. 218759)

2. Handwerkliche Selbstverständlichkeiten

Darüber hinaus gibt es die handwerklichen Selbstverständlichkeiten, bei denen es nach der herrschenden Rechtsprechung so ist, dass hier keine ins Einzelne gehende Bauüberwachung auf der Baustelle erfolgen muss. Es liegt nicht automatisch ein Bauüberwachungsmangel vor, wenn handwerkliche Selbstverständlichkeiten mangelhaft ausgeführt worden sind und das Bauwerk an einem Mangel leidet (zuletzt LG Frankfurt a. M., Urteil vom 05.11.2019, Az. 20 O 355/15, Abruf-Nr. 219491).

Bei handwerklichen Selbstverständlichkeiten schuldet der Objektüberwacher im Zweifel lediglich eine Einweisung, Stichproben und eine Endkontrolle (KG Berlin, Urteil vom 16.12.2015, Az. 21 U 81/14, Abruf-Nr. 206714; rechtskräftig durch Zurückweisung der NZB, BGH, Beschluss vom 31.07.2018, Az. VII ZR 24/16).

3. Mindestsatzhonorar ermöglicht kalkulatorisch keine Vollüberwachung

Auch eine rein kalkulatorische Betrachtung der Lph 8 zeigt, dass es illusorisch ist, dass der Objektüberwacher alle Handwerkerleistungen und Bautätigkeiten vor Ort vollständig kontrollieren kann.

Rein kalkulatorisch betrachtet hatte der Verordnungsgeber (hier: Wirtschaftsministerium) bei der Festsetzung der Honorare für die Lph 8 offenbar nicht im Sinn, dass es zu den Aufgaben der Bauüberwachung gehört, sämtliche Arbeiten auf der Baustelle örtlich so zu organisieren und praktisch jedem Handwerker über die Schulter zu schauen, damit die Entstehung von Mängeln verhindert wird. Die Honorare für die Grundleistungen der Lph 8 erlauben das jedenfalls nicht.

Wichtig | PBP hat schon in der Vergangenheit (Ausgabe 1/2021, Seite 14 → Abruf-Nr. 47028062) dargelegt, dass allenfalls 20 Prozent der jeweiligen Leistungen der Handwerker auf der Baustelle überwacht werden können. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass bereits ein gering erscheinender Fehler eines Handwerkers zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Bauteil erhebliche Mangelfolgen erzeugen kann.

4. Förmelei von Honorarfreiheit ist Realitätsverweigerung

Wenn aus formaler Sicht gelegentlich vorgetragen wird, dass Planungsbüros einfach höhere Honorare für die Lph 8 vereinbaren können, um dann alle Tätigkeiten auf der Baustelle vollständig überwachen zu können, prallt dies an der Realität ab. Solche Honorarhöhen sind im Tagesgeschäft illusorisch. Das Vergaberecht bei öffentlichen Aufträgen ist dabei noch gar nicht erwähnt.

5. Wo ist die werkvertragliche Verantwortung der ausführenden Firmen?

Last but not least muss noch einmal (siehe oben 1.) konstatiert werden, dass auch die ausführenden Firmen ihre vertraglichen Pflichten – die mangelfreie Bauausführung und ggf. die ordnungsgemäße Anmeldung von Bedenken – uneingeschränkt erfüllen müssen. Das bedeutet, dass bei mangelhafter Ausführung immer zu prüfen ist, ob das Bauunternehmen ein eigenes Verschulden trifft.

Der Gesetzgeber hat das in § 650t BGB geregelt. Danach muss der Bauherr zunächst dem ausführenden Bauunternehmen eine angemessene Frist zur Mangelbeseitigung setzen. Erst wenn diese erfolglos verstrichen ist, kann sich der Bauherr an seinen Planer wenden.

Fazit | Das Urteil des OLG Stuttgart mitsamt der veröffentlichen Leitsatzthese kann für sog. Grundleistungsinhalte nicht verallgemeinert werden. Die Aussagen passen allenfalls auf den konkreten Einzelfall. Sie taugen aber nicht als Vorgabe für das Tagesgeschäft.
Weiterführende Hinweise
  • Beitrag „BGH mit Paukenschlag: Bauüberwachung muss kein mangelfreies Bauwerk bewirken“, PBP 1/2021, Seite 14 → Abruf-Nr. 47028062
  • Beitrag: „Missverständnisse vermeiden: Der feine Unterschied zwischen Bauleiter und -überwachung“, PBP 8/2022, Seite 15 → Abruf-Nr. 48481567

AUSGABE: PBP 5/2024, S. 20 · ID: 49984146

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