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HonorarBauzeitverlängerung: Zusatzhonorar bei „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ nach § 313 BGB?

Top-BeitragAbo-Inhalt24.04.20246 Min. LesedauerVon Rechtsanwältin Gabriela Böhm, Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht, Partnerin Leinemann & Partner Rechtsanwälte mbB, Frankfurt a. M.

| Ein Zusatzhonorar für die Lph 8 wegen einer Bauzeitverlängerung kommt dann in Frage, wenn Sie dazu eine explizite vertragliche Vereinbarung getroffen haben oder wenn der Tatbestand des § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) erfüllt ist. Letzteres kommt vor allem in Betracht, wenn die Bauzeitverlängerung so erheblich ist, dass die ursprüngliche Kalkulation des Architektenhonorars hinfällig wird. Was Sie konkret veranlassen müssen, um sich auf § 313 BGB berufen zu können, ergibt sich aus einer aktuellen Entscheidung des OLG Köln. |

Um diesen Honoraranpassungsfall ging es beim OLG Köln

Im zugrundeliegenden Fall stritten die Parteien über die Anpassung des Honorars einer Generalplanerin infolge einer Bauzeitverlängerung. Die Generalplanerin beanspruchte ein zusätzliches Honorar von insgesamt 839.652,10 Euro aufgrund von Bauzeitverlängerungen, die ihrer Ansicht nach auf Störungen zurückzuführen waren, die der Auftraggeber zu verantworten hatte.

Generalplaner beklagt sechs Störungen bei der Abwicklung des Vertrags

Diese Störungen umfassten u. a. Verzögerungen durch fehlende Projektfreigaben, bautechnische Beschwerden und ungünstige Witterungsbedingungen.

Im Kern des Streits stand, ob eine sog. substantiierte Vereinbarung über eine ursprünglich vereinbarte Bauzeit von 67 Wochen bestand. Die Generalplanerin vertrat die Auffassung, dass sechs spezifische Störereignissen aus dem Verantwortungsbereich des Auftraggebers dazu geführt hatten, dass sich die Bauzeit von den geplanten und vereinbarten 67 Wochen auf 151 Wochen verlängert hatte. Diese Verlängerung rechtfertige eine Honoraranpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB. Außergerichtlich hatte die Generalplanerin zu den von ihr behaupteten sechs Störungsereignissen erklärt, wegen drei davon kein zusätzliches Honorar zu fordern. Diese Erklärung gab sie schriftlich ab. In der folgenden gerichtlichen Auseinandersetzung verlangte die Generalplanerin dann doch eine zusätzliche Vergütung für alle sechs Störereignisse.

Auftrageber bestreitet fest vereinbarte Bauzeit

Der Auftraggeber bestritt, dass eine Bauzeit von 67 Woche fest vereinbart war. Er führte an, dass die Bauzeitverlängerungen vorhersehbar waren und in den Risikobereich der Generalplanerin fielen – und somit keine Grundlage für eine Honoraranpassung bilden könnten. Ein anderes Argument lautete, dass Unklarheiten bzgl. der tatsächlichen vertraglichen Vereinbarungen bestanden und die Generalplanerin nicht hinreichend darlegen konnte, dass die angegebene Bauzeit von 67 Wochen verbindlich vereinbart war.

Darum hat das OLG Köln den Honoraranspruch verneint

Das OLG Köln wies die Honorarklage ab und bestätigte damit die Entscheidung der Vorinstanz (OLG Köln, Beschluss vom 22.12.2021, Az. 16 U 182/20, Abruf-Nr. 240861, rechtskräftig durch Zurückweisung der NZB, BGH, Beschluss vom 08.11.2023, Az. VII ZR 16/22).

Generalplaner hatte sich widersprüchlich verhalten

Ein zentraler Aspekt der Entscheidung war die rechtliche Würdigung des vorprozessualen Schreibens der Generalplanerin, in dem sie erklärt hatte, für drei der sechs Störereignisse keine zusätzliche Vergütung zu verlangen. Aus Sicht des OLG sei dieses Schreiben als verbindliche Verzichtserklärung auszulegen und für die gerichtliche Auseinandersetzung bindend. Das OLG ging davon aus, dass die Erklärung von einem bevollmächtigten Vertreter abgegeben wurde, der bereits bei Vertragsschluss aufgetreten war und mit den rechtlichen und vertraglichen Rahmenbedingungen vertraut war. Daher sei eine solche Erklärung aus der Sicht des Bauherrn als endgültiger Verzicht auf weiterführende Honorarforderungen aus diesen Störungen zu werten.

OLG vermisst bauablaufbezogene Darstellung der Verzögerungen

Im Hinblick auf die weitergehenden drei Störungsereignisse erkannte das OLG zwar an, dass eine Bauzeitverzögerung von mindestens 47 Wochen vorlag. Das Gericht fand jedoch keine Grundlage für eine Vergütungsanpassung, weil die Verzögerungen als vorhersehbar und damit nicht als schwerwiegend genug angesehen wurden, um eine Anpassung des Honorars zu rechtfertigen.

Um einen Anspruch auf Honoraranpassung nach § 313 BGB geltend zu machen, bedürfe es einer genauen und spezifischen Darlegung der einzelnen Verzögerungsgründe. Bei störenden Ereignissen genüge es nicht, die Abweichung zwischen Soll- und Ist-Bauabläufe darzulegen sowie die dazwischen liegende Zeitspanne als konkrete bauablaufbezogene Störungsdauer auszugeben. Vielmehr sei es erforderlich, auch die konkret auf die Baustelle bezogenen Auswirkungen der Verspätung darzustellen.

Die Generalplanerin hatte zwar allgemein auf Störungen hingewiesen. Es fehlte aber an einer detaillierten bauablaufbezogenen Darstellung der einzelnen Verzögerungen und deren Auswirkungen auf die Gesamtbauzeit. Eine unvorhersehbare Verzögerung im Sinne von § 313 BGB müsse so substantiiert dargelegt werden, dass das Gericht die Möglichkeit hat, genau zu bewerten, welche Verzögerungsdauer auf welche Störung zurückzuführen ist. Ohne diese spezifischen Angaben konnte das Gericht keine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage feststellen, die eine Vergütungsanpassung rechtfertigen würde.

Die Konsequenz für die Praxis

Die Entscheidung des OLG Köln vom 22.12.2021 bestätigt erneut, wie problematisch es ist, Ansprüche auf Mehrvergütung wegen Bauzeitverlängerung durchzusetzen.

Ungünstige Rechtsprechung setzt sich fort

Das OLG Köln ist mit diesem Urteil auf einer Linie mit dem

  • OLG Celle, Urteil vom 06.10.2021, Az. 14 U 39/21, Abruf-Nr. 225850;
  • KG Berlin, Urteil vom 13.04.2012, Az. 21 U 191/08, Abruf-Nr. 123253; rechtskräftig durch Zurückweisung der NZB, BGH, Urteil vom 24.05.2012, Az. VII ZR 80/10;
  • OLG Köln, Urteil vom 15.01.2021, Az. 19 U 15/20, Abruf-Nr. 231862; rechtskräftig durch Zurückweisung der NZB, BGH, Beschluss vom 04.05.2022, Az. VII ZR 87/21 oder
  • OLG Celle, Urteil vom 11.02.2016, Az. 5 U 29/14, Abruf-Nr. 208496; rechtskräftig durch Zurückweisung der NZB, BGH, Beschluss vom 11.10.2018, Az. VII ZR 48/16.

Diese Rechtsprechung kann jedoch kritisch hinterfragt werden, insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen an die Darstellung des Anspruchsgrundes. Denn bei Ansprüchen nach § 313 BGB muss die Darstellung der veränderten Umstände nicht unbedingt dieselben strengen Anforderungen erfüllen wie bei einem Schadenersatzanspruch nach § 280 BGB oder einer Bauzeitverlängerung nach § 6 Abs. 6 VOB/B. Während Schadenersatzansprüche eine konkrete Schadenkalkulation erfordern, sollte bei der Störung der Geschäftsgrundlage der Fokus auf der Veränderung der Vertragsgrundlage und der daraus resultierenden unzumutbaren Belastung einer Partei liegen.

Gerichte setzen Messlatte für § 313 BGB-Ansprüche hoch

§ 313 BGB zielt grundsätzlich auf eine „große“ Betrachtung der Umstände ab, die zur Grundlage des Vertrags wurden. Eine detaillierte, projektbezogene Schadendarstellung ist nicht zwingend gefordert. Denn das könnte die Hürden für die Geltendmachung einer Störung der Geschäftsgrundlage unverhältnismäßig erhöhen. Im Bauvertragsrecht, speziell bei Anwendung der VOB/B, ist die detaillierte Darstellung der Verzögerungen im Rahmen des § 6 Abs. 6 VOB/B erforderlich, um eine Anpassung der Vergütung zu erreichen. Diese spezifischen Anforderungen der VOB/B direkt auf die allgemeineren Regelungen des BGB zu übertragen, könnte als zu restriktiv angesehen werden, insbesondere wenn die VOB/B nicht Vertragsbestandteil ist.

Praxistipp | Trotz dieser Kritik bleibt es aufgrund der gefestigten Rechtsprechung zu § 313 BGB dabei, dass es bei Geltendmachung von Mehrvergütung wegen vom Planer nicht zu vertretenden Bauzeitverlängerungen bei fehlenden vertraglichen Regelungen oft an den hohen Nachweishürden scheitern wird. Es empfiehlt sich daher, flexible Anpassungsklauseln im Vertrag zu integrieren, die es erlauben, das Honorar im Falle von signifikanten Bauzeitverlängerungen anzupassen. Diese Klauseln sollten
Dies gerade, weil Planern weder die HOAI noch sonstige gesetzliche Regelungen eine angemessene Handhabe bieten, Mehrvergütungsansprüche im Falle von unverschuldeten Bauzeitverlängerungen sicher zu generieren.
  • klar definierte Trigger-Mechanismen enthalten, die eine Anpassung auslösen,
  • und Methoden zur Neuberechnung des Honorars festlegen (zur Wirksamkeit von einer Vertragsklausel, die eine Honorarerhöhung im Falle einer Bauzeitverlängerung vorsah (vgl. BGH, Urteil vom 30.09.2004, Az. VII ZR 456/01, Abruf-Nr. 043041).

AUSGABE: PBP 5/2024, S. 4 · ID: 49999560

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