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Der praktische FallDer „untergetauchte“ Vermieter
| Ein Student (S.) ist vor einiger Zeit als Mitmieter einer Zweier-WG in den Mietvertrag eingetreten. Nun ist der andere Mieter (A.) ausgezogen und eine neue Person (B.) wohnt in dessen Zimmer. Der Mietvertrag wurde seinerzeit zwischen dem Vermieter (V.) und dem A. sowie S. geschlossen. Im Innenverhältnis haben S. und B. alles geregelt und läuft es reibungslos. Die Miete wird pünktlich und vollständig gezahlt. Schon vor Einzug des B. und auch regelmäßig danach hat S. versucht, V. zu kontaktieren und ihm den Mieterwechsel anzuzeigen. Eine telefonische Kontaktaufnahme ist jedoch nicht gelungen, V. ruft nicht zurück. Ein Einschreiben kam als „non reclamè“ zurück. Weitere Kommunikationsdaten des V. sind nicht bekannt. Zum Thema „Nachmieter“ enthält der Mietvertrag folgende Klausel: „Wünscht der Mieter, aus dem Mietvertrag vorzeitig und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist auszuscheiden, kann er dem Vermieter einen Nachmieter benennen, der bereit ist, in den Mietvertrag zu denselben Bedingungen einzutreten. Bestehen in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht seitens des Vermieters gegen den Mietinteressenten keine Bedenken, ist der Vermieter verpflichtet, seine Zustimmung zum Eintritt in den Mietvertrag unverzüglich zu erteilen. Mit Eintritt des Nachmieters in diesen Mietvertrag scheidet der bisherige Mieter aus dem Vertrag aus, ohne dass es einer Kündigung bedarf.“ Gibt es Risiken für S. oder B., wenn sie das Mietverhältnis fortführen? |
Antwort: In der anwaltlichen Praxis stellen Mieterwechsel innerhalb studentischer Wohngemeinschaften (WG) nach wie vor einen erheblichen Streitpunkt dar, vor allem wenn der Vermieter nicht erreichbar ist und Nachmieterklauseln im Mietvertrag eher abstrahierend denn praktisch tauglich formuliert sind. Hier hat S. zwar nichts „falsch“ gemacht. Dennoch ist in dieser Konstellation größte Vorsicht geboten. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH 27.4.22, VIII ZR 304/21) entsteht durch eine solche Nachmieterklausel kein „Selbstvollzug“ des Mieterwechsels. Vielmehr kann nur der Eintritt des Nachmieters in den Mietvertrag den ausscheidenden Mitmieter aus seiner rechtlichen Verpflichtung entlassen; dafür ist aber stets die aktive und ausdrückliche Zustimmung des Vermieters erforderlich. Die bloße Benennung eines Nachmieters und auch das Vertrauen darauf, dass keine Bedenken bestehen, reichen zur Vertragsänderung nicht aus. Solche Klauseln begründen einzig und allein einen Anspruch auf Zustimmung seitens des Vermieters. Erfolgen muss diese aber tatsächlich, sei es ausdrücklich oder – in engen Ausnahmefällen – konkludent. Der Vermieter kann die Zwei-Personen-Konstellation aufrechterhalten, solange er keine Mitteilung erhält oder auf Mitteilungen nicht reagiert; der neue Bewohner wird allein durch die faktische Nutzung kein Vertragspartner.
Die Rechtslage ist dabei trotz studentischer WG-typischer Fluktuation eindeutig: Grundsätzlich besteht kein Anspruch darauf, als einzelner Mieter aus einem gemeinsam abgeschlossenen Mietvertrag „einseitig“ auszuscheiden und durch einen neuen Bewohner ersetzt zu werden. Anders wäre dies nur, wenn nachweisbar schon bei Vertragsschluss beiderseitig (!) davon ausgegangen wurde, dass die Zusammensetzung häufiger wechseln soll – also auf eine „auf Wechsel angelegte studentische Wohngemeinschaft“ abgestellt wurde und dies für den Vermieter offenkundig war. Nur dann kann im Wege interessengerechter Vertragsauslegung oder wegen Treu und Glauben etwas anderes gelten, wie der BGH differenziert herausarbeitet (27.4.22, VIII ZR 304/21; Börstinghaus/Siegmund, BGB, § 535 Rn. 207, 208).
Hier ist eine solche Ausnahmekonstellation aber nicht belegt. Der Umstand, dass zwei Studierende eine Wohnung gemietet haben, führt keineswegs automatisch zu der Annahme, der Vermieter habe mit einer ständigen Fluktuation einverstanden sein müssen. Regelmäßig gilt daher: Der Vermieter muss der Änderung der Mietvertragsparteien zustimmen. Ohne dessen Einverständnis bleibt der ausgezogene Mitmieter gegenüber dem Vermieter weiter verpflichtet (BGH 27.4.22, VIII ZR 304/21; LG Berlin 17.10.23, 67 S 83/23; 18.8.21, 64 S 261/20). Das eigenmächtige Überlassen eines Zimmers an einen neuen Mitbewohner ohne ausdrückliche Zustimmung des Vermieters stellt dabei eine unberechtigte Gebrauchsüberlassung i. S. v. § 540 Abs. 1 BGB dar. Dies kann – nach entsprechender Abmahnung – eine fristlose Kündigung des für beide Seiten ansonsten ordentlich funktionierenden Mietverhältnisses rechtfertigen (BeckOK Mietrecht/Weber, BGB § 540 Rn. 13; Drasdo, NJW Spezial 24, 289; LG Berlin 9.1.24, 67 S 184/23). Der Vermieter ist rechtlich nicht verpflichtet, auf bloße Anzeige des Mieterwechsels zu reagieren. Aus passiver Hinnahme ist keine Zustimmung abzuleiten; daher ist „Schweigen“ grundsätzlich nicht als Zustimmung zu werten (BGH 27.4.22, VIII ZR 304/21).
Hilfsweise: Untermieterlaubnis – ggf. gerichtlich durchgesetzt Praxistipp | Zunächst sollte S. sämtliche bisherigen und künftigen Versuche der Kontaktaufnahme mit dem V. sorgfältig dokumentieren, um nachweisen zu können, dass alle zumutbaren Bemühungen zur Aktualisierung des Mietverhältnisses unternommen wurden. Soweit möglich, ist eine erneute schriftliche und nachweisbare Mitteilung an V. zu veranlassen. Bleibt der Vermieter dauerhaft nicht erreichbar, sollte hilfsweise die Erlaubnis zur Untervermietung gemäß § 553 BGB beantragt werden. Ein Anspruch auf Zustimmung kann bestehen, sofern dem keine berechtigten Interessen des Vermieters entgegenstehen (vgl. LG Berlin 9.1.24, 67 S 184/23). Es ist davon abzuraten, den bestehenden Zustand als dauerhafte Lösung zu akzeptieren und auf einen stillschweigenden Parteiwechsel zu vertrauen. Denn in der geschilderten Konstellation bestehen weder für den neuen Mitbewohner noch für S. rechtliche Sicherheiten: B. ist mangels Vertragsbeziehung keine Mietvertragspartei und besitzt kein eigenes Besitzrecht. A. bleibt – ohne wirksame Entlassung aus dem Vertrag – dem V. gegenüber weiter vollumfänglich verpflichtet. Auch bei Kündigung ist Vorsicht geboten Auch bei einer künftigen Kündigung ist Vorsicht geboten: Eine Teilkündigung durch nur einen der Mitmieter entfaltet keine Wirkung gegenüber dem V., solange der Mietvertrag nicht von sämtlichen Vertragspartnern gemeinsam gekündigt wird (BGH 27.4.22, VIII ZR 304/21; LG Berlin 17.10.23, 67 S 83/23; 18.8.21, 64 S 261/20). Ohne Zustimmung des V. ist der Mieterwechsel rechtlich nicht vollzogen. Die bloß faktische Nutzung der Wohnung durch einen Dritten begründet ein erhebliches Risiko der Vertragsverletzung mit der Möglichkeit der Kündigung für sämtliche Mieter. Rechtssicherheit kann nur durch eine ausdrücklich erklärte Vertragsänderung oder – bei fehlender Erreichbarkeit des Vermieters – durch eine formgerecht beantragte und ggf. gerichtlich durchgesetzte Untermieterlaubnis geschaffen werden. |
AUSGABE: MK 9/2025, S. 163 · ID: 50515912